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Droht nun Stillstand?

Streng geschützte Arten in Klapfenhardt: Experten geben Pforzheimer Gewerbegebiet keine Chance

Ein Gewerbegebiet in Klapfenhardt – das war fester Wunsch und Wille von Oberbürgermeister Peter Boch (CDU). Doch Umwelt-Gutachten zeigen: In dem Wald im Pforzheimer Norden leben streng geschützte Tierarten. Sollte Boch an seinen Plänen festhalten, droht Experten zufolge ein langer Rechtsstreit und Stillstand bei der Gewerbeflächenentwicklung.

Naturschutzwart Gerhard Vögele und der Biologe Bernhard Landmesser beim Besuch im Konferenzraum des Pforzheimer Kuriers.
Bedrohte Tierarten nachgewiesen: Naturschutzwart Gerhard Vögele und der Biologe Bernhard Landmesser haben ein Gutachten zum Klapfenhardt-Wald erstellt. Die Chancen für ein Gewerbegebiet in dem Gebiet nördlich von Pforzheim erachten die beiden Experten als gering. Foto: Daniel Streib

Für Gerhard Vögele und Bernhard Landmesser ist der Fall klar: Ein neues Gewerbegebiet im Klapfenhardt-Wald wird sich politisch und rechtlich kaum durchsetzen lassen. Zu diesem Schluss kommen der langjährige Pforzheimer Naturschutzwart Vögele und der Biologe Landmesser nicht nur aufgrund eines in Eigenregie erstellten Gutachtens, sondern auch nach Abgleich mit der offiziell noch unveröffentlichten artenschutzrechtlichen Prüfung, die die Stadtverwaltung vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hatte.

„Die erfassten Arten weichen in beiden Gutachten nur unwesentlich voneinander ab. Die ermittelte Artenvielfalt macht unmissverständlich deutlich, wie schützenswert dieses Ökosystem ist“, so die beiden Pforzheimer Umweltexperten in einem Schreiben an Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und Bau- und Umweltbürgermeisterin Sibylle Schüssler.

Arten stehen auf roter Liste

Konkret kommen den Angaben zufolge „im Gebiet, das fast vollständig im Landschaftsschutzgebiet für den Stadtkreis Pforzheim liegt“ allein acht Vogelarten vor, die nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt sind: Grauspecht, Rotmilan, Mäusebussard, Waldkauz, Mittelspecht, Schwarzspecht, Grünspecht und Sperber.

Weitere Arten stehen auf der Roten Liste Baden-Württembergs, unter anderem Fitis, Grauschnäpper, Hohltaube und Waldschnepfe. Sicher nachgewiesen sei auch die stark gefährdete Fledermausart Großes Mausohr. Letztere steht nach Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) unter dem besonderen Rechtsschutz der EU, was zuletzt zu dem spektakulären Rodungsstopp im Hambacher Forst geführt hatte.

Boch und Schüssler hatten die Gewerbegebietspläne für Klapfenhardt zur Überraschung vieler politischer Akteure Ende 2017 vorgestellt und den zuvor von der Stadt Pforzheim verfolgten Plänen im südlich gelegenen Ochsenwäldle eine Abfuhr erteilt. Ein rund 60 Hektar großes Gewerbegebiet Klapfenhardt an der Autobahnanschlussstelle Pforzheim-West komme die Stadt „rund 50 Millionen Euro günstiger“ als ein vergleichbares Gebiet im Ochsenwäldle und sei zudem noch schneller realisierbar, so lockte OB Boch damals offensiv, blieb aber eine konkrete Berechnung schuldig.

OB lässt Fragen unbeantwortet

Nachdem sich nicht nur Proteste von Anwohnern und Umweltschützern, sondern auch politischer Widerstand in Nachbargemeinden sowie im Pforzheimer Gemeinderat regte, kündigte Boch eine „ergebnisoffene Prüfung“ an, betonte aber weiterhin seine persönliche Präferenz für Klapfenhardt.

Boch und Schüssler im rathaus
OB Boch und Baubürgermeisterin Schüssler bei der Vorstellung der Klapfenhardt-Pläne im Dezember 2017 Foto: Daniel Streib

Inzwischen lässt der Oberbürgermeister konkrete Anfragen zu seiner aktuellen Haltung zu Klapfenhardt unbeantwortet. Stattdessen verweist die Stadtverwaltung Pforzheim auf ihren – freilich mehrfach verschobenen – Zeitplan, dem man ungern vorgreifen wolle, wie es auf Anfrage hieß. Die Ergebnisse des Artenschutzgutachtens und weiterer Studien soll demnach Ende September zunächst dem Gemeinderat hinter verschlossenen Türen vorgestellt werden.

„Anschließend beginnt die Kommunikation mit unterschiedlichsten Akteuren. Dazu gehört der Runde Tisch mit den Verbänden und Bürgerinitiativen, genauso aber auch die Kommunikation mit den unmittelbaren Umlandgemeinden“, so ein Sprecher von OB Boch.

Nach Gesprächen mit fast allen politischen Gruppierungen halten wir eine Ratsmehrheit für Klapfenhardt für unrealistisch.
Gutachter Gerhard Vögele

Die Gutachter Vögele und Landmesser machten derweil schon im Vorfeld in einem Redaktionsgespräch in der Pforzheimer BIN-Geschäftsstelle deutlich, dass sie die Klapfenhardt-Pläne für unrealistisch halten. „Nach Gesprächen mit fast allen politischen Gruppierungen halten wir eine Ratsmehrheit für Klapfenhardt für unrealistisch. Falls diese dennoch zustande käme, müsste sich die Stadt auf einen womöglich jahrelangen Rechtsstreit einstellen“, so Vögele mit Verweis auf Anwohner- und Umweltinitiativen, die angesichts des nachgewiesenen Artenvorkommens gute Karten vor Gericht hätten.

Gutachter: Klapfenhardt soll Naturschutzgebiet werden

Zudem geben die Gutachter zu bedenken, dass Klapfenhardt vom Gemeinderat bereits 2012 als ungeeignet für die gewerbliche Nutzung eingestuft hatte. Klapfenhardt ist Teil eines so genannten regionalen Grünzugs, der derzeit eine Bebauung rechtlich ausschließt. Aufgrund teils konkurrierender Interessen von Umlandgemeinden gilt eine mögliche Änderung als ungewiss.

Klapfenhardt im Februar 2019, Baumfällaktion
Klapfenhardt im Februar 2019, Baumfällaktion Foto: Jürgen Müller

Zudem ist Klapfenhardt geradezu von FFH-Gebieten umstellt und somit europaweit geschützt. Umweltschützer Vögele hat den Verdacht, dass die Abgrenzung der Schutzgebiete vor einigen Jahren weniger von ökologischen, sondern vielmehr wirtschaftlichen Kriterien getrieben war. Schließlich handele es sich insgesamt um ein „weitgehend intaktes Ökosystem“.

Dem Oberbürgermeister und seiner Baubürgermeisterin gaben Vögele und Landmesser deshalb eine Empfehlung für Klapfenhardt, die ungefähr dem Gegenteil eines Baugebietes entspricht. Die Stadt Pforzheim möge „dieses ökologisch wertvolle Gebiet der EU als zusätzliches FFH-Gebiet“ melden.

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