Skip to main content

Deutschlands schlimmster Wirbelsturm

Tornado Pforzheim: Der Wald wurde wie mit dem Messer abrasiert

Der Vergleich mit einem gigantischen Holzhäcksler kommt nicht von ungefähr: Der Pforzheimer Tornado vor 50 Jahren warf die Bäume nicht einfach zu Boden, sondern machte selbst aus Baumriesen regelrecht Kleinholz, erinnern sich die Forstexperten.

alt-319376
IMAGE-319376 Foto: N/A

Der Vergleich mit einem gigantischen Holzhäcksler kommt nicht von ungefähr: Nachdem der Gewitterschlauch am Abend des 10. Juli 1968 unbemerkt vom Elsass über das Rheintal hinweggeschlüpft war, nahm er in den nördlichen Ausläufern des Schwarzwalds wieder Fahrt auf und wütete zunächst wie ein Irrer im Gemeindewald des heutigen Karlsbader Ortsteils Ittersbach. „Da wurde eine meterdicke Eiche, die Jahrhunderte lang den Stürmen getrotzt hatte, binnen Sekunden zu Spreißeln gerissen“, weiß der Ittersbacher Revierförster Martin Mußgnug aus den Aufzeichnungen seiner Vorgänger.

Die Bäume hatten keine Zeit mehr zum Umfallen

Der Wucht des bis zu 400 Stundenkilometer schnellen Tornados konnten selbst Baumriesen nicht standhalten. „Die meisten Bäume hatten gar keine Zeit mehr zum Umfallen“, berichtet der Pforzheimer Forst-Abteilungsleiter Armin Kühn, „die wurden in fünf Metern Höhe einfach wie mit dem Messer abrasiert und kleingehackt.“ In der rund 300 Meter breiten Schneise der Verwüstung blieb wenig Verwertbares zurück. „Das war nur noch Papier- und Industrieholz von ein bis zwei Metern Länge“, so Kühn über die Zerstörungskraft des bislang schwersten Tornados in Deutschland.

Tornadosteine als Erinnerung

Mit zwei mannshohen Tornadosteinen erinnern die Forstleute und der Schwarzwaldverein in der Region an das einzigartige Wetter-Debakel vor einem halben Jahrhundert: Der bekanntere der beiden beschrifteten Felsbrocken steht direkt am legendären Westweg , der populären Schwarzwald-Wanderroute, im Pforzheimer Ortsteil Büchenbronn und dient deshalb häufig als Fotomotiv. „Mitte der 1980er-Jahre hat man die Schneise noch gut gesehen“, berichtet Armin Kühn, aber mittlerweile seien so viele andere Stürme über das Gebiet hinweggezogen, dass die Tornado-Spur nicht mehr sichtbar sei.

None
Die Westweg-Wanderer stoßen kurz nach dem Start in Pforzheim bei Büchenbronn auf den Tornadostein, den der Schwarzwaldverein erstellt hat. Foto: Haendle

None
Direkt am Westweg bei Pforzheim steht der Tornadostein Foto: Haendle

Gemeinde brauchte neue Einnahmequellen

Etwas anders ist die Situation in Ittersbach, wo der Tornadostein nur wenige Meter tief im Wald an eine Wegkreuzung neben einer roten Bank steht. In der damals noch selbstständigen Gemeinde wurden Teile des abrasierten Waldes nicht mehr aufgeforstet, sondern zum heutigen Industriegebiet umgewandelt. Und zwar schlicht und ergreifend aus finanziellen Nöten. „Die Gemeinde brauchte damals neue Einnahmequellen“, sagt Revierförster Mußgnug, der heute zumindest indirekt wieder mit den Folgen des großen Tornados zu kämpfen hat. Denn die auf der restlichen Fläche angepflanzten Tannen und Fichten sind nach 50 Jahren wieder so hoch gewachsen, dass ihre Kronen zunehmend anfällig für hohe Windstärken sind. Die Winterstürme Friederike und Burglind zu Beginn dieses Jahres hätten bereits Lücken in den Tornadowald gerissen, erzählt der Forstmann. Künftig sollen hier überwiegend Eichen angepflanzt werden, die Unwettern besser widerstehen könnten. Natürlich nicht einem Tornado von Pforzheimer Ausmaßen.

Orkan Lothar war großflächiger als der Tornado

Wer sich mit Forstexperten über den Tornado unterhält, kommt unweigerlich immer wieder auf Lothar zu sprechen. Jener Orkan am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1999 nahm sich zwar mit Spitzenböen von 270 Stundenkilometern eher wie ein kleiner Bruder des 31 Jahre älteren rotierenden Gewitterschlauches aus, aber nur in punkto Tempo. Da Lothar viel großflächiger die Waldflächen in Frankreich und Deutschland beackerte, waren die Schäden um ein Vielfaches höher ­– auch in Ittersbach und der Goldstadt. „Lothar hat alles in den Schatten gestellt“, sagt der Pforzheimer Forstchef Markus Haller.

Insgesamt zerstörte der Tornado 700 Hektar Waldfläche in Frankreich und Deutschland, davon 110 Hektar in Karlsbad-Ittersbach und 172 Hektar in Pforzheimer Wäldern. Dabei fielen 290 000 Festmeter Sturmholz an. Zum Vergleich: Bei Orkan Lothar (26.12.1999) betrugen die Waldschäden europaweit 200 Millionen Festmeter Holz.



nach oben Zurück zum Seitenanfang