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Staatsschutzabteilung aktiv

Plakate der Rechten in Pforzheim: Volksverhetzung oder nicht?

Volksverhetzung oder nicht? Hieran scheiden sich die Geister offenbar auch bei den einzelnen Staatsanwaltschaften. Während Pforzheim der Auffassung ist, die Plakate der Rechten böten keine Grundlage zu strafrechtlicher Verfolgung, will die Behörde in Karlsruhe dies zunächst prüfen. Auch andere Staatsanwaltschaften hatten sich an Karlsruhe gewandt.

Vor den Europa- und Kommunalwahlen hatten israelfeindliche Plakate in Pforzheim für Proteste gesorgt. Die Generalstaatsanwaltschaft bewertete sie jedoch nicht als volksverhetzend.
Vor den Europa- und Kommunalwahlen Ende Mai 2019 haben israelfeindliche Plakate der Partei Die Rechte in Pforzheim für Proteste gesorgt. Die Generalstaatsanwaltschaft bewertete sie jedoch nicht als volksverhetzend. Foto: Wacker

"Israel ist unser Unglück". "Wir hängen nicht nur Plakate". Mit judenfeindlichen Sprüchen, haarscharf an der Grenze der Legalität, sorgt die Partei "Die Rechte" in Städten wie Rastatt ( bnn.de berichtete ) und Pforzheim für Empörung. Die Staatsanwaltschaft Rastatt hat die Staatsschutzabteilung in Karlsruhe eingeschaltet. Nun soll die Staatsanwaltschaft Karlsruhe entscheiden, ob es sich hier um Volksverhetzung handelt oder nicht.

In Pforzheim scheint die zuständige Behörde dies für sich bereits entschieden zu haben: "Der Tatbestand der Volksverhetzung ist unserer Auffassung nach nicht erfüllt", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Pforzheim könne durchaus selbstständig entscheiden, erklärt dessen Karlsruher Kollege, der für Presseanfragen zuständige Erste Staatsanwalt Tobias Wagner mit Verweis auf ein generelles Problem in der Justiz: dass man zu unterschiedlichen Bewertungen kommen könne.

Möglichst noch vor den Wahlen soll die Entscheidung in Karlsruhe fallen, ob es einen begründeten Anfangsverdacht der Volksverhetzung gibt. Bei dem bundesweiten Problem seien jetzt vor den Wahlen mehrere Staatsanwaltschaften im Boot, begründet Wagner, dass man dies nicht sofort tun könne.

Karlsruhe will einheitliche Bewertung

In Pforzheim hat am Dienstagvormittag der Rat der Religionen, zu dem auch die Jüdische Gemeinde gehört, zu einer Versammlung vor das AOK-Haus eingeladen. Dort hängt eines von mehreren Plakaten der rechtsextremen Splitterpartei.

Rund 50 Menschen sind gekommen, um nochmals Stellung zu beziehen, wie das bereits am Samstag geschehen war, als ein breites Bündnis "Pforzheim nazifrei" dem Aufmarsch der Rechten in der Stadt begegnete. Einige Polizisten begleiten das Geschehen. Bevor ein 73-jähriger Pforzheimer seine Ankündigung wahrmachen und das Plakat der Rechten hoch oben am Mast zerstören kann, nimmt die Polizei die Leiter weg: Es wäre Sachbeschädigung.

Die Leiter steht provokativ dort. „Wir haben auch eine Schere“, sagt Rami Suliman, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim. Keiner hat ernsthaft vor, hochzuklettern, um das Plakat zu zerschneiden, doch die Symbolik ist klar.

Billigung einer Straftat

Dass Sachbeschädigung geahndet wird, während die unterschwellige Botschaft der Plakate-Verfasser strafrechtlich nicht relevant sein soll, versteht keiner. „Das ist Billigung einer Straftat. Das kann man nicht durchgehen lassen“, findet Hans Mann von der Initiative Stolpersteine. „Wir wollen den Antisemitismus, der hier mitten in der Stadt prangt, nicht sprachlos stehen lassen“, erklärt Dekanin Christiane Quincke. Sie fordert von der Stadt, die Plakate abhängen zu lassen und sich gegebenenfalls auf einen Rechtsstreit mit den Rechten einzulassen.

Heute muss keiner mehr den Kopf einziehen

Mit Martin Schäfer, Dekan im Ruhestand, und Bernd Elsässer kommen zwei 90-jährige Zeitzeugen zu Wort, die am eigenen Leib erfuhren, was Rassismus und Antisemitismus in Pforzheim angerichtet haben. Elsässer berichtet vom jüdischen Hausarzt der Familie: Dessen Faible für politische Witze brachte Fritz Schnurmann kurz nach der sogenannten Machtergreifung ins Zuchthaus, später gelang es ihm unterzutauchen.

Was einen Zeitzeugen von Menschen unterscheidet, die sich heute empören? Schäfer gibt darauf selbst die Antwort: „Wir haben das erlebt in Zeiten, wo kein Widerspruch erlaubt war.“ Heute müsse keiner mehr den Kopf einziehen vor weltweit wachsendem Antisemitismus. Schäfer fordert schärfere Gesetze anstatt Absichtserklärungen der Politik.

Schärfere Gesetze gefordert

Andere aus der Gruppe wünschen sich von Stadt und Gerichten mehr Mumm, um solche Plakate als Verbrechen am Staat und der Bevölkerung zu benennen.

Auch der Pforzheimer SPD-Spitzenkandidat Uwe Hück will nicht akzeptieren, dass die Rechten mit Erlaubnis des Gesetzgebers die Straßen plakatieren dürfen. Er teilt das lautstark und emotional mit. Stadtrat Emre Nazli (Grüne Liste) verzichtet darauf, das Wort zu ergreifen: Keine Parteiwerbung an diesem Termin, es sei schon alles gesagt.

Die Stadt antwortet auf Bürgeranfragen zu den Plakaten standardmäßig: Inhalte könnten erst bei strafrechtlicher Relevanz beanstandet werden. Kann die Stadt von sich aus Plakate abhängen lassen, wie Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume es fordert? Dies sei eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, sollten die Rechten dann dagegen klagen, erklärt Erster Staatsanwalt Wagner.

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