Weiße Weihnachtsträume werden in der Goldstadt wahr: Auch wenn der Schnee nicht flockig auf die Erde fällt, sondern als Nässe in die Schuhe kriecht, macht er den Menschen Spaß, die am ersten Weihnachtsfeiertag um die Mittagszeit im Büchenbronner Wildgehege umher spazieren. Und er bleibt als weißer Teppich liegen.
Abdullah Said stemmt einen Kinderwagen aus dem Auto. Er ist mit seiner Familie unterwegs und lächelt. „Die letzten Jahre gab es keinen Schnee“, sagt der junge Vater, und für den sieben Monate alten Elias, den er nun in den Wagen setzt, ist es der erste Schnee seines Lebens. Sein älterer Bruder Armin ist schon voraus gerannt. Auf Höhe des Dammwild-Geheges wartet sein Cousin.
Der vierjährige Arian strahlt übers ganze kleine Gesicht. Er hat aus der gefrorenen Masse einen großen Brocken geformt, den er mit seinen behandschuhten Händen stolz vor den Bauch hält. Ob er schon einmal eine verschneite Winterlandschaft erlebt hat? „Nein“, behauptet der Kleine. Kathera, seine Mutter – Abdullah Saids Schwester – widerspricht. „Im Februar hat es doch auch geschneit.“ Wie auch immer, die Freude ist groß bei den Kindern, die sich immer wieder bücken, um weitere Schneeballen zu pressen.
Gesundheit und Glaube
Und die drei Erwachsenen freuen sich, weil sich die Kinder freuen – und weil ihnen bei allen Corona-bedingten Einschränkungen der Spaziergang in der freien Natur bleibt. „Die Hauptsache ist Gesundheit“, meint Vater Abdullah Said zur Frage, wie sie mit Ausgangsbeschränkungen und anderen Zwängen zurechtkommen. „Und der Glaube“, fügt er hinzu. Zwar sei er selbst Atheist, „aber meine Familie ist gläubig“.
Weihnachten mit der Familie ist jedes Jahr schön.Gregor Szalay, Spaziergänger
Einige Meter weiter taucht ein dunkel gekleideter Mann mit schwarzem Hund aus der weißen Masse auf, in die sich das Grau des Himmels mischt. Auch er trägt ein fast fröhliches Weihnachtslächeln im Gesicht. „Weihnachten mit der Familie ist jedes Jahr schön“, erklärt der Büchenbronner Gregor Szalay. Man habe sich aber an die Vorgaben und Beschränkungen bei der Zahl der Personen gehalten.
Und es sei einfach schön, nach schätzungsweise zehn Jahren wieder einmal weiße Weihnachten zu erleben. Cosmo, Szalays portugiesischer Wasserhund, auf dessen tiefschwarzem Fell die weißen Flocken einen hübschen Kontrast bilden, wedelt mit dem Schwanz und scheint seinem Herrchen zuzustimmen.
Als es zu schneien begann, ging es in den Whirlpool
„Als es an Heilgabend zu schneien begann, bin ich mit meinen Kindern in den Whirlpool“, berichtet Szalay. „Meine Tochter ist dann noch die Rutsche im Garten herunter gefahren. So haben wir Weihnachten beendet.“ Corona-konform hat die Familie im Kleinen gefeiert.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag steht ein weiteres Fest an: „Meine Eltern feiern diamantene Hochzeit, deshalb kommt mein Bruder noch aus Berlin.“ Auch die Schwester wäre gerne dabei, doch weil sie in Ungarn lebt, muss sie auf den Besuch verzichten. Szalay lächelt zuversichtlich: .„Nach schlechten Zeiten kommen gute Zeiten.“
Nach schlechten Zeiten kommen gute Zeiten.Gregor Szalay, Spaziergänger
Weiße Weihnachten haben sich auch Tanja Schatz und ihre Mutter Rosemarie Wahl gewünscht, die eingemummelt in Büchenbronn spazieren gehen. Rosemarie Wahl wohnt in der Pfalz und ist über die Feiertage zu Besuch bei der Tochter. Corona – das bedrückt auch die beiden Frauen. Und dennoch wirken sie entspannt. „Es ist toll, dass man jetzt am Feiertag im Schnee spazieren gehen kann.“
Winterliche Idylle in Büchenbronn
Auf den Straßen in den Höhenstadtteilen fließt rege der Ausflugsverkehr. Büchenbronns schneebedecktes Rathaus, der Weihnachtsschmuck und der Schnee auf Gehweg und Fahrbahn spiegeln eine winterliche Idylle, erinnern an frühere Bilderbuchweihnachten und legen für einige Stunden eine weiße Decke über Ängste vor steigenden Infektionszahlen.
In der Pforzheimer Fußgängerzone ist von Schneetreiben nichts zu spüren, aber auch dort geht es entspannt zu. Einzelne Menschen, manche in Paaren oder kleineren Gruppen, bleiben vor Schaufenstern stehen und ziehen dann langsam weiter.
Ukrainer träumt im Stadtgarten von Schnee
Im Pforzheimer Stadtgarten steht Vladimir Stoliar mit seiner sechsjährigen Tochter Angelina am wasserlosen Brunnen. Der Ukrainer blickt ins Grüne – und wünscht es sich weiß. „In Odessa haben wir immer Schnee“, sagt er und wirkt ein bisschen traurig. „Es ist etwas langweilig.“
Seit eineinhalb Jahren wohne er in Pforzheim. Seine Frau sei Studentin, lebe schon länger hier und seine Tochter sei in Pforzheim zur Welt gekommen. Angelina ist also grüne Weihnachtswelten gewöhnt. Aber noch wollen Vater und Tochter den Traum von weißer Weihnacht in Pforzheim nicht aufgeben. „Vielleicht fahren wir auch hoch nach Büchenbronn“, schlägt der Vater vor.