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Neue Pläne, gleiches Ziel

Alles für die Spiele: Wie der Olympiastützpunkt Athleten aus der Region für Tokio fit macht

Schwitzen in Heidelberg statt Medaillen-Jagd in Tokio: Für Athleten und Verantwortliche vom Olympiastützpunkt ist dieser Sommer völlig anders als erwartet. Doch allmählich kehrt die Normalität zurück.

Schwitzen für das große Ziel: Die Rugbyspieler Ben Ellermann (links) und Philipp Frauenfeld (Zweiter von rechts) sowie Ski-Freestylerin Sophie Weese trainieren im OSP-Kraftraum unter den Augen von Sportwissenschaftler Thomas Gwechenberger (rechts) und OSP-Leiter Daniel Strigel.
Schwitzen für das große Ziel: Die Rugbyspieler Ben Ellermann (links) und Philipp Frauenfeld (Zweiter von rechts) sowie Ski-Freestylerin Sophie Weese trainieren im OSP-Kraftraum unter den Augen von Sportwissenschaftler Thomas Gwechenberger (rechts) und OSP-Leiter Daniel Strigel. Foto: Alfred Gerold

In dem Licht durchfluteten Kraftraum rinnt der Schweiß. Die Beine eines jungen Mannes, ärmelloses Shirt, Rastazöpfe, kämpfen gerade auf einem Fitnessgerät gegen Gewichte an. Zwei Meter vor ihm beißt eine zierliche Frau mit dunkelblondem Pferdeschwanz auf die Zähne. Desinfektionsspray steht bereit.

Nebenan dröhnen Bässe durch die Halle, Sportschuhe quietschen über den Boden. Sechs junge Frauen werfen Bälle auf einen Korb: Drei gegen Drei. Hinter der nächsten Tür dreschen Sportler auf Sandsäcke ein, hinter ihnen warten drei Boxringe auf Kundschaft.

Wer nach Olympia sucht, der ist in diesen Tagen in Tokio bekanntermaßen an der falschen Adresse. Näher dran am Spirit des Ringe-Spektakels ist man vermutlich gerade im Neuenheimer Feld in Heidelberg. Bis zu 400 Sportler schwitzen hier für ihren Traum von den Spielen, die eigentlich noch bis Sonntag im Gange wären.

Nach der Olympia-Verschiebung wetzen nun täglich mehr als 100 Athleten in Heidelberg durch die Hallen, kraulen durchs Schwimmbecken oder holen sich Tipps von den Laufbahnberatern. Der Olympiastützpunkt (OSP), der offiziell Metropolregion Rhein-Neckar heißt und in Nordbaden und der Vorderpfalz für 15 Sportarten zuständig ist, kämpft sich gerade zurück in die Normalität.

Das war schon eine unangenehme Zeit.
OSP-Leiter Daniel Strigel

Das gilt auch für die Athleten. Ahmed Dudarov ist einer von ihnen. Als Vertreter der Kontaktsportart Ringen hatte er es in der Corona-Zeit besonders schwer. Nach der monatelangen Mattenpause komme nun die Form so langsam wieder, sagt der 28-Jährige, der bei Turnieren für den SV Germania Weingarten startet und auch regelmäßig am Walzbach trainiert.

Die Zahl der Trainingspartner sei immer noch kleiner als vor Corona. Erst seit Januar hält sich Dudarov in Heidelberg fit, zuvor tat er dies in Schifferstadt. „Hier sind viele andere Sportler, die Atmosphäre ist anders, man ist motivierter”, sagt der Dritte der Europaspiele 2019.

Azize Nimani
Fleißige Faustkämpferin: Azize Nimani trainiert in Heidelberg für ihren Olympia-Traum. Foto: AlexGrüber/TeamTokioMRN

Dabei ist das Jahr 2020 weder für Dudarov noch für die anderen Athleten mit Olympia-Ambitionen ein normales. „Das war schon eine unangenehme Zeit”, blickt OSP-Leiter Daniel Strigel auf den März zurück. „Wir mussten davon ausgehen, dass Olympia stattfindet, durften aber nicht trainieren.

Das war schlecht zu verarbeiten – organisatorisch wie individuell”, erinnert er sich. Nach der Verlegung der Spiele habe sich die Situation wieder entspannt.

Corona wirbelte Pläne gehörig durcheinander

Zumindest für die Sportler und deren Psyche. Für Strigel und die übrigen rund 35 OSP-Mitarbeiter fielen dagegen Zusatzschichten an: Trainingspläne mussten umgeschrieben, Gruppen neu eingeteilt, Hallenbelegungen geändert werden, immer mit Blick auf die neueste Corona-Verordnung des Landes.

„Mit einer Zwölfergruppe war ein Trainer dann dreimal statt einmal 1,5 Stunden beschäftigt”, nennt Strigel ein Beispiel. Kraftraum und Schwimmbad waren nach dem Restart von früh morgens bis spät abends belegt.

Während Strigel von den besonderen Corona-Umständen erzählt, von veränderten Abläufen, von Verdachtsfällen, die sich als negativ erwiesen, schlendert der frühere Weltklasse-Fechter, 2004 in Athen im Degenteam mit Bronze dekoriert, durch den Verwaltungstrakt. Eine Tafel zeigt die Bilder der 30 Internatsschüler, die hier Tag und Nacht betreut werden.

Ringer Ahmed Dudarov
Ringer Ahmed Dudarov Foto: Alex Grüber/TeamTokio

Etwas mehr als die Hälfte der in Heidelberg stationierten Athleten geht zur Schule, zur Uni oder ist berufstätig. Wie sich das mit der Sportlerkarriere vereinbaren lässt, weiß etwa die frühere Hockey-Olympiasiegerin Fanny Rinne, deren Büro Strigel gerade passiert. Ein Lächeln, ein kurzer Gruß, dann geht es weiter ins Foyer.

Neue Boxhalle ist der erster größere Anbau

Ein Blick durch die Glastür des Hinterausgangs verrät, dass man in Heidelberg nicht nur im übertragenen Sinne an der Zukunft baut. Bagger rollen über die Wiese, Holzpflöcke markieren die Umrisse der Halle, die hier in den kommenden Monaten entstehen soll – in Industrie-Bauweise für 3,7 Millionen Euro.

Ein Schnäppchen. Abgesehen von einem Mini-Anbau für die Gewichtheber ist es seit 1972, als das damals so genannte Bundesleistungszentrum entstand, die erste Erweiterung der Anlage. Es wird das neue Domizil der Boxer, die 15 Jahre lang in einem Provisorium, dem Drittel einer Spielsport-Halle, untergebracht waren.

Auf die neue Trainingsstätte, die im März fertig sein soll, freut sich auch Azize Nimani. Die Boxerin des Karlsruher SC quält sich an diesem Vormittag im Kraftraum. Die Vorzüge des Stützpunktes weiß sie zu schätzen. „Wir haben hier alles, was ein Sportler braucht: Physios, Ärzte, ein Schwimmbad, Trainingsmöglichkeiten draußen und drinnen.

Wir können uns wirklich nicht beschweren.” Seit wenigen Wochen darf die 29-Jährige auch wieder in den Ring steigen – unter speziellen Auflagen. „Wir haben viel Papierkram zu erledigen und immer wieder andere Zeiten”, berichtet Nimani. Schlimm sei das nicht. „Ich komme dann, wenn es der Trainer sagt.”

Mit hätte, wäre, wenn ist Topleistung nicht zu erreichen.
OSP-Leiter Daniel Strigel

Und die mussten in den vergangenen Wochen ganz schön viele und immer wieder neue Ansagen machen. Alles für die Spiele. Denn: „Irgendwann ist die Krise vorbei und dann wird wieder gefragt, ob man Leistung bringt oder nicht”, weiß Strigel.

Und wenn Olympia komplett ausfällt und die ganze Plackerei umsonst war? „Wir gehen felsenfest davon aus, dass am 23. Juli 2021 die Spiele eröffnet werden. Mit hätte, wäre, wenn ist Topleistung nicht zu erreichen.”

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