Bis zu zehn Millionen Menschen haben hierzulande bis kurz vor Mitternacht mit den Euro-Helden aus Frankfurt gezittert. Von einer TV-Quote, wie es das Europa-League-Endspiel der Eintracht erreichte, kann die deutsche Nationalmannschaft bei einem normalen Länderspiel inzwischen nur noch träumen.
Die Überflieger aus Hessen haben im Finale am Mittwochabend und auch schon in den Runden zuvor etwas geschafft, was der DFB-Auswahl und auch anderen deutschen Vereinsmannschaften in den vergangenen Jahren so gut wie nie gelang: eine ganze Fußball-Nation zu begeistern.
Entscheidend hierfür war nicht in erster Linie die sagenhafte Erfolgsserie mit 13 Europa-League-Partien ohne Niederlage, sondern vor allem die Art und Weise, wie diese zustande kam.
Die Frankfurter zeigten auch gegen große Namen erfrischenden Offensivfußball, setzten in Sachen Leidenschaft Maßstäbe und behielten in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf. Kapitän Sebastian Rode, der sich im Endspiel mit Turbanverband und blutdurchtränktem Trikotkragen in jeden Zweikampf warf, steht sinnbildlich für den besonderen Eintracht-Spirit.
„Heimspiel“ im Camp Nou bleibt unvergessen
Und auch neben dem Platz lieferte der Tross der Adler bei seiner traumhaften Reise durch Europa bemerkenswerte Bilder. Das weiße Fahnenmeer von Sevilla wird ebenso unvergessen bleiben wie das „Heimspiel“ von Barcelona Mitte April, als im Viertelfinal-Rückspiel rund 30.000 Eintracht-Fans das Camp Nou eroberten.
Ins Bild passte auch, dass Peter Fischer am Mittwoch keine staatstragenden Worte formulierte. Stattdessen dachte der Kult-Präsident laut darüber nach, welches Getränk sich wohl am besten aus dem Pokal schlürfen ließe.
Die Frankfurter haben in dieser Saison wie schon vor drei Jahren gezeigt, dass es im vermeintlichen „Cup der Verlierer“, wie Franz Beckenbauer einst den Vorgänger-Wettbewerb titulierte, weit mehr zu gewinnen gibt als Fußballspiele.
Besonders dann, wenn man die Europa League nicht nur als Trostpreis begreift, sondern gemeinsam mit dem Umfeld mit Leben füllt. Der Titelgewinn ist deshalb alles andere als Zufall.
Titelgewinn als Signal an BVB&Co
Das sollte der Bundesliga-Konkurrenz zu denken geben. Neben dem FC Bayern galten andere finanzstarke Clubs wie Borussia Dortmund, RB Leipzig oder Bayer Leverkusen als erste Anwärter auf europäische Silberware. Doch wenn es ernst wurde, fehlte diesen das gewisse Etwas, wie zuletzt den Leipzigern im Halbfinale gegen Glasgow.
Der Grundsatz, dass Geld Tore schießt, hat im kommerziellen Kicker-Kosmos oft genug Bestand. Die Eintracht hat nicht erst am Mittwoch bewiesen, dass auch andere Werte eine Rolle spielen. Insofern war die Nacht von Sevilla nicht nur für die Frankfurter eine Sternstunde, sondern auch für alle unverbesserlichen Fußball-Romantiker.