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Meinung

von Frank Ketterer

Deutsche Leichtathletik

Historischer Tiefpunkt vor den Olympischen Spielen

Die deutschen Leichtathleten kehren von ihren Weltmeisterschaften in Budapest ohne eine einzige Medaille zurück

Deutsche Hoffnung bei der Leichtathletik-Team-EM: Speerwerfer Julian Weber.
Speerwerfer Julian Weber sorgte im deutschen Team für die letzte Enttäuschung. Foto: Sven Hoppe/dpa

Vor seinem Wettkampf bei dieser mittlerweile zu Ende gegangenen Leichtathletik-WM in Budapest war der Speerwerfer Julian Weber noch bester Dinge. „Ich habe 90 Meter in mir“, ließ er mehrfach wissen.

Nach dem Wettkampf war von diesem Optimismus nichts mehr übrig geblieben. Seinen 90-Meter-Wurf, der locker zu Gold geführt hätte, hatte der 28-Jährige schließlich in sich behalten, die 85,79 Meter, die er stattdessen rausgelassen hatte, reichten lediglich zu Rang vier. So war auch die allerletzte Hoffnung des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV) auf eine WM-Medaille jäh geplatzt und der historische Misserfolg endgültig besiegelt: Ganz ohne Medaille bei einer WM war der DLV noch nie geblieben.

Andauernde Negativentwicklung

Dass die Ankündigung einer gründlichen Aufarbeitung des Medaillendesasters nicht lange würde auf sich warten lassen, gehört bei dem Ausmaß an Debakel durchaus zu den üblichen Funktionärsreflexen. Jörg Bügner, der neue Sportdirektor des DLV, war dann auch der Erste, der von „starken strukturellen Änderungen“, sprach, die nun notwendig seien.

Eine gänzlich neue Erkenntnis für die deutsche Leichtathletik ist dies freilich nicht. Budapest ist schließlich nicht ihr erster Tiefpunkt, sondern lediglich das traurige Ergebnis einer seit Längerem schon andauernden Negativ-Entwicklung. Schon bei den Welttitelkämpfen in Eugene vor zwei Jahren durfte sich Deutschland lediglich mit zwei Medaillen schmücken lassen.

Fest steht: Der Hinweis auf die verletzungsbedingten Ausfälle mehrerer Leistungsträger wie den Olympiasiegern Malaika Mihambo (Weitsprung) und Thomas Röhler (Speerwurf) sowie Ex-Speerwurf-Weltmeister Johannes Vetter greift angesichts der Tiefe des Versagens zu oberflächlich.

Gleiches gilt für die Bemerkung, dass es in kaum einer Sportart globaler zugehe als in der Leichtathletik und man Laufen, Springen und Werfen nun mal überall auf der Welt trainieren könne, weshalb die Konkurrenz größer denn je geworden sei.

Kurskorrektur braucht Zeit

Dass Deutschland nicht dabei war, ist bitter. Warum dem so war, wird noch zu klären sein. Ebenso wie die Frage, ob es sich um ein sportartspezifisches Problem handelt – oder ob Querverbindungen zu ziehen sind zu anderen Sportarten, beispielsweise zum Fußball – und damit zum ganz großen Ganzen, nämlich der grundsätzlichen Frage: Was erwartet die Gesellschaft vom Leistungssport – und was ist er ihr wert?

Bis dahin bieten die bereits angekündigten strukturellen Änderungen Platz für Vieles – und Nichts. So oder so: Etwaige Kurskorrekturen oder gar Änderungen werden ihre Zeit brauchen. Jahre! Für Olympia in Paris nächsten Sommer verheißt das zumindest der deutschen Leichtathletik Stand heute nichts Gutes.

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