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Februar 2021: Die alte Haupttribüne im Wildparkstadion wird zurückgebaut und ist zum Heimspiel des KSC gegen Nürnberg nur noch skelettiert vorhanden.

Jahresrückblick 2021

Der KSC im Jahr des Aufbruchs: Höhenflüge, Slapstick-Momente und eine Spaß-Bremse

Der Fußball-Zweitligist Karlsruher SC war 2021 sportlich so stark wie seit sechs Jahren nicht mehr. Doch im zweiten Halbjahr zeigte sich die Mannschaft von Christian Eichner anfälliger für Störfaktoren. Der Jahresrückblick.
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Zweitliga-Fußball mit, ohne oder mit ganz wenigen Zuschauern: Die Rahmenbedingungen an Heimspieltagen auf der sich Monat für Monat markant wandelnden Großbaustelle am Karlsruher Adenauerring blieben auch 2021 einer Dynamik unterworfen, die keinem Fußballfreund schmecken konnte.

Die Mannschaft des Karlsruher SC verschaffte sich zu Jahresbeginn aber nicht nur im Wildparkstadion als Serientäterin gehörigen Respekt in der Liga. Zwischenzeitlich regten sich in der Region sogar schon wieder Aufstiegsträume. Doch im Frühjahr gerieten Philipp Hofmann und Co nach einer Team-Quarantäne in den Stotter-Modus.

Am Ende: Platz sechs. Es folgte ein zweites Halbjahr, das von vielen schweren Verletzungen beeinflusst war. Was wird in Sachen KSC von 2021 hängenbleiben?

Das kurioseste Spiel

Spiele der ungewöhnlichen Sorte gab es so einige. Doch das erste des Jahres, in dem der KSC am 2. Januar den späteren Absteiger Würzburger Kickers bezwingt, sticht heraus. Bis das Spektakel bei 4:2 sein Ende fand, hatten die Karlsruher Profis nämlich sämtliche Tore erzielt. Marvin Wanitzek trifft in der ersten Halbzeit zweimal ins richtige und einmal ins eigene Netz.

Ein Eigentor unterläuft später auch noch Innenverteidiger Christoph Kobald. Hinterher musste die Mannschaft von Christian Eichner noch froh darüber sein, dass ihr das Match nicht noch entglitt. Denn nach der Hinausstellung von Dirk Carlson hatte sie eine halbe Stunde lang in Unterzahl spielen müssen. Er hatte schon nach rekordverdächtigen acht Sekunden Spielzeit Gelb gesehen und in der 58. Minute dann Gelb-Rot.

Das emotionalste Heimmatch

War zumindest für Traditionalisten das erste im ausklingenden Kalenderjahr. Am 8. Januar besiegt der KSC auf ramponiertem Rasen den späteren Aufsteiger Spvgg Greuther Fürth mit 3:2. Letztmals ist dabei für die paar als Beobachter zugelassenen Pressevertreter und Funktionäre die alte Haupttribüne in Betrieb, die mit ihren Dachzacken 27 Jahre lang die Silhouette des Wildparkstadions wesentlich prägte.

Die Serie

Die Auftritte in Würzburg und gegen Fürth verleihen dem Team offenbar Rückenwind. Insgesamt acht Spiele in Folge bleiben die Blau-Weißen ungeschlagen. Auswärts zeigt sich deren Mannschaft besonders effektiv. Zwischen dem 2. Januar und dem 3. Mai verliert sie in der Fremde kein einziges Mal und nimmt auf dieser Strecke 17 der möglichen 24 Punkte mit.

Die konstante Phase nach dem Jahreswechsel lässt den KSC schon am 24. Spieltag mit dem 0:0 am Hamburger Millerntor die 40-Punkte-Marke erreichen. Manche träumen da schon von mehr als nur vom frühzeitig gesicherten Klassenverbleib. Intern einigt man sich beim KSC darauf, sein Saisonziel auf 50 Punkte zu korrigieren.

Die Spaß-Bremse

Oktober 2021: Torwart Marius Gersbeck, der KSC-Profi der Saison 2020/2021 rettet im Spiel bei Jahn Regensburg spektakulär gegen Joel Zwarts.
Oktober 2021: Torwart Marius Gersbeck, der KSC-Profi der Saison 2020/2021 rettet im Spiel bei Jahn Regensburg spektakulär gegen Joel Zwarts. Foto: Markus Gilliar/GES

Ist 2021, natürlich, abermals die Pandemie. Geisterspiele, Kassenlöcher und dann auch noch Corona-Alarm bei den täglichen Tests Ende März. Zunächst fällt nach einem verlängerten Wochenende Philip Heise mit positivem Covid-Testergebnis auf, bald danach auch Alexander Groiß. Ohne die infizierten Profis muss der KSC am 3. April gegen den VfL Osnabrück ran. Das Spiel geht nach schwacher Leistung mit 0:1 verloren.

Danach wird auch Torwart Marius Gersbeck positiv getestet. Das Gesundheitsamt ordnet eine 14-tägige Mannschafts-Quarantäne an. Von Athletikcoach Florian Böckler angeleitete Zoom-Trainings werden für die Profis in ihren Wohnzimmern vorübergehend zum Alltag. Am 20. April kommen Spieler, Trainer und Betreuer ins Freie. Drei Tage später, Tim Breithaupt feiert sein Startelfdebüt, endet das Spiel gegen Würzburg 2:2.

Der späte Debütanten-Ball

Nach dem Quarantäne-Cut nimmt der KSC nur noch zehn Punkte aus sieben Spielen mit. Das macht nach dem 2:1-Sieg gegen den 1. FC Heidenheim am Ende 52. Das reicht für Platz sechs im Abschlussklassement. So gut schnitt der KSC seit 2015 nicht mehr ab.

April 2021: Nach der Team-Quarantäne unterhält sich Abwehrspieler Philip Heise im Grenke-Stadion mit Sportchef Oliver Kreuzer am Rande des Trainings.
April 2021: Nach der Team-Quarantäne unterhält sich Abwehrspieler Philip Heise im Grenke-Stadion mit Sportchef Oliver Kreuzer am Rande des Trainings. Foto: Helge Prang/GES

Da die Partie in Heidenheim nur statistische Bedeutung besaß, verhalf Cheftrainer Christian Eichner nicht nur dem dritten Torwart Paul Löhr (20) sondern auch David Trivunic (19) und Janis Hanek (22) zu ersten Einsatzminuten in der Zweiten Liga. Hintergrund: Aus dem Fördertopf der Deutschen Fußball Liga fließen dem KSC dafür an die 140.000 Euro zu. KSC-Spieler der Saison 2020/21 ist für die BNN Marius Gersbeck vor Philipp Hofmann.

Die überraschendste Aussage

Die trifft im Juni unvermittelt der Torjäger Philipp Hofmann, nachdem der Ligarivale Hamburger SV die für ihn aufgerufene Ablöse nicht ausgeben konnte oder wollte. „Wenn ich wechsle, dann nur eine Liga höher. Innerhalb der Liga macht das für mich keinen Sinn“, sagt Hofmann den Badischen Neuesten Nachrichten, womit er im selben Moment auch eventuelle Avancen der Bundesliga-Absteiger aus Bremen oder Schalke ausklammert.

Aus der Bundesliga erreicht Sportgeschäftsführer Oliver Kreuzer für den 28-Jährigen im Sommer kein unmoralisches Angebot mehr. So stürmt Hofmann auch in seinem letzten Vertragsjahr noch für die Karlsruher. Neuerdings im BBBank Wildpark, wie die im Neubau befindliche Arena seit vergangenem Sommer wegen des Engagements des Kreditinstituts offiziell heißt.

Um den Mittelstürmer Hofmann herum rührt sich seither ein Kommen und Gehen: Da Daniel O’Shaughnessy vom finnischen Meister HJK Helsinki sowie davor schon Ricardo van Rhijn und Felix Irorere nachverpflichtet wurden, stehen am Jahresende zehn Zugängen zwölf Abgänge gegenüber. Aufgelöst hatte der KSC auch den Vertrag mit dem ausgemusterten Marvin Pourié, der in den Spielzeiten davor nach Braunschweig beziehungsweise Kaiserslautern ausgeliehen war und der nach Würzburg ging.

Das Verletzungsdilemma

Jahrelang blieb der KSC von schwerwiegenden Verletzungen in geballter Form verschont. Doch in der zweiten Jahreshälfte jagt ein Langzeitausfall den nächsten. Schon im ersten Testspiel nach der Sommerpause erwischt es den dritten Torwart Paul Löhr: Kreuzbandriss. Im Trainingslager in Österreich erleidet Neuzugang Leon Jensen dasselbe Schicksal. Im September muss auch der als Stammspieler zwischenzeitlich etablierte Rechtsverteidiger Sebastian Jung nach einem Trainingsunfall die für einen Fußballprofi niederschmetternde Diagnose hinnehmen.

Juli 2021: KSC-Neuzugang Leon Jensen erfährt nach seinem Kreuzbandriss bei einem Testspiel im Trainingslager die Hilfe von Teamarzt Marcus Schweizer (links) und Athletiktrainer Florian Boeckler.
Juli 2021: KSC-Neuzugang Leon Jensen erfährt nach seinem Kreuzbandriss bei einem Testspiel im Trainingslager die Hilfe von Teamarzt Marcus Schweizer (links) und Athletiktrainer Florian Boeckler. Foto: Helge Prang/GES

Innenverteidiger Robin Bormuth hatte sich am dritten Spieltag in Sandhausen (0:0) einen Jochbeinbruch zugezogen, ist nach der Länderspielpause mit Schutzmaske wieder zurück und verletzt sich im September am Sprunggelenk. Erst Wochen später wird er auf Anraten eines Münchner Spezialisten operiert.

Als nächstes Marc Lorenz: Der Linksaußen kugelt sich bei einem Sturz im Heimspiel gegen den HSV (1:1) am 13. Spieltag die Schulter aus und fällt seither aus. Dann Fabio Kaufmann: Seit seiner Ankunft im Sommer immer wieder über Bauchschmerzen klagend, unterzieht er sich im November einer Blinddarm-OP. Schließlich zieht sich der Doppeltorschütze Malik Batmaz im letzten Spiel der Hinrunde, das 3:2 gegen Heidenheim endet, einen Riss des Syndesmosebandes im linken Sprunggelenk zu.

Weder Batmaz noch Kyoung-Rok Choi, der sich – zu alldem passend – in der letzten Einheit des Jahres einen Faserriss in der Wade zuzog, werden am Sonntag mit der Mannschaft ins Trainingslager nach Spanien fliegen. Diese Entscheidung traf die ärztliche Abteilung gemeinsam mit dem Trainerteam.

Der Aufsteiger des Jahres

Ist fraglos der 19 Jahre alte Tim Breithaupt, der nach dem fünften Spieltag seinen Stammplatz auf der Sechserposition nicht mehr hergibt. Das Talent aus dem eigenen Nachwuchs entwickelt sich ausgezeichnet. Experten trauen dem bodenständigen Ortenauer mittelfristig eine Bundesligakarriere zu. In dieser Saison kommt Breithaupt bislang auf 15 Einsätze. Das erste Pflichtspiel im neuen Jahr, am 15. Januar beim SV Darmstadt 98, wird er aber wegen einer Gelb-Sperre verpassen.

Das einträglichste Spiel

Das mit 2:1 gewonnene Zweitrundenmatch im DFB-Pokal bei Bundesligist Bayer Leverkusen am 27. Oktober galt manchen Beobachtern als „Sensation“. Dem KSC garantiert der Coup die Einnahme von 901.359 Euro. Überspringt Eichners Auswahl am 18. Januar auch die Achtelfinal-Hürde 1860 München, wächst der Erlös auf zwei Millionen Euro an.

Hinrunde der Extreme

Der KSC bringt in Daniel Gordon, der im Januar 37 wird, 2021 nicht nur den ältesten Spieler der Liga-Geschichte zum Einsatz. Seit Efe-Kaan Sihlaroglus Kurzdebüt am 27. November gegen Hannover 96 (4:0) weiß er auch den jüngsten Zweitliga-Debütanten aller Zeiten in seinen Reihen (16 Jahre, 142 Tage). Viel entscheidender fürs Große und Ganze aber: Schwächere Spiele und starke Auftritte wechselten einander ab. Doch viele der Urteile über die Leistungsschwankungen waren auch schlichtweg eine Frage der Erwartungshaltung.

April 2021: Dass Daniel Gordon auch mit 37 noch torgefährlich ist, erfreute den KSC-Trainer Christian Eichner nach dessen Beitrag zum 1:1 beim HSV.
April 2021: Dass Daniel Gordon auch mit 37 noch torgefährlich ist, erfreute den KSC-Trainer Christian Eichner nach dessen Beitrag zum 1:1 beim HSV. Foto: Marvin Ibo Güngör/GES

Dem KSC fehlen noch die Kaderdichte und die Qualität, um schon an den nächsten Schritt zu denken. Zudem schlagen die Neuzugänge noch nicht ein. Spieler wie Gersbeck, die in der Saison 2020/21 konstant am Limit spielten, zeigen zwischenzeitlich Probleme, ihr Leistungsvermögen konstant abzurufen. Die „Haltung“ der Mannschaft wurde für Eichner zum Thema. Ärgerlich waren so manche der Gegentore, die aus einem zuweilen slapstickartigen Verteidigungsverhalten resultierten.

Konsens herrscht bei Beobachtern darüber, dass die 28 des KSC bislang der Einschläge zu viele sind. Im Schnitt klingelte es pro Spiel 1,5-mal im Kasten. Demgegenüber steht die starke eigene Torausbeute. 31 KSC-Treffer verteilen sich auf zehn Profis, das sind: Hofmann (9), Wanitzek (5), Choi, Schleusener (beide 4), Batmaz (3), Gordon (2), Jung, Kother, Kobald und Thiede (alle 1).

Die wichtigsten Unterschriften

Hatte der KSC schon Anfang Januar den Vertrag mit Sportchef Oliver Kreuzer mit einer neuen Laufdauer bis 30. Juni 2023 verlängert, folgt im Oktober die langfristige Einigung mit Cheftrainer Christian Eichner und mit dessen Assistenten Zlatan Bajramovic. Beide verpflichteten sich bis Juni 2025 im Wildpark.

Oktober 2021: Nachdem bereits im Januar der Vertrag mit dem Sportgeschäftsführer Oliver Kreuzer (rechts) verlängert wurde, bekannte sich Cheftrainer Christian Eichner im Oktober bis 2025 zum KSC.
Oktober 2021: Nachdem bereits im Januar der Vertrag mit dem Sportgeschäftsführer Oliver Kreuzer (rechts) verlängert wurde, bekannte sich Cheftrainer Christian Eichner im Oktober bis 2025 zum KSC. Foto: Marvin Ibo Güngör/GES

Geht es nach Eichner, wird in den kommenden Monaten ein anderer sein Autogramm unter einem neuen Arbeitsvertrag beim KSC leisten: Mit Hofmann möchte er darüber auch während des am kommenden Sonntag beginnenden Trainingslagers im südspanischen Estepona ein Gespräch führen.

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