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Meinung

von Thomas Liebscher

Liebschers Rückpass

Die Unruhe vor dem Finale: Wie Störgeräusche die Favoriten Ungarn und Brasilien schwächten

Optimale Final-Vorbereitung sieht anders aus: Die sportlichen Favoriten Ungarn und Brasilien wurden vor den WM-Endspielen 1954 und 1998 mit ärgerlichen Umständen konfrontiert.

Bildnummer: 00071892  Datum: 12.07.1998  Copyright: imago/Uwe Kraft
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Untröstllich: Mitspieler Bebeto (rechts) versucht nach dem verlorenen WM-Finale 1998, Brasiliens Star Ronaldo aufzumuntern. Foto: Uwe Kraft/imago images

In das Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft sollten die Spieler ausgeruht und nicht abgelenkt gehen. So stellt man sich das vor mit Blick auf das vielleicht wichtigste Match des Lebens.

Keine Aufregung dürfte die Vorbereitung stören. Eine Stunde vor dem Endspiel 1998 ging es bei den Brasilianern jedoch drunter und drüber. Plötzlich tauchte in der Mannschaftsaufstellung der Superstar Ronaldo nicht mehr auf.

Er hatte den Tag über in einem Krankenhaus verbracht, nachdem er am Morgen Schmerzen am ganzen Körper verspürte und sich übergeben musste. Womöglich sogar bei einem epileptischen Anfall.

Eine Viertelstunde vor Spielbeginn gegen die Franzosen wurde dann doch der Einsatz der glatzköpfigen brasilianischen Ikone verkündet. Ronaldo war erst seit wenigen Minuten in der Kabine, weiß wie ein Stück Papier. Trainer Mario Zagallo ließ den vierfachen Torschützen des Turniers gewähren. Nie wirklich geklärt wurde, ob es Sponsor Nike war, der auf einen Einsatz seines Werbemittels gedrängt hatte.

Franzosen wurden zum ersten Mal Weltmeister

Auf jeden Fall irrte der angeschlagene 21-Jährige wie Falschgeld auf dem Feld herum. Sein gesamtes Team schien gelähmt gegenüber stürmenden Gastgebern. Zwei Kopfbälle von Zinedine Zidane brachten die Halbzeitführung der Franzosen, die durch ein 3:0 zum ersten Mal den Thron bestiegen.

Unruhe beim Favoriten gab es auch vor dem legendären Finale 1954 mit deutscher Beteiligung. Die ungarische Mannschaft wohnte während des Schweizer Turniers in der Stadt Solothurn.

Das Hotel Krone lag mitten im Zentrum und nah bei der Kirche St. Ursen mit ihren lauten Glocken. Am Abend vor dem Finale vom 4. Juli kam eine weitere Geräuschkulisse hinzu. Man feierte in der Kantonshauptstadt ein Musikfest bis spät in die Nacht.

Ich habe vor dem Finale nicht besonders gut geschlafen.
Gyula Grosics, ungarischer Torhüter

„Ich habe vor dem Finale nicht besonders gut geschlafen“, erzählte später der ungarische Torhüter Gyula Grosics. Dennoch war nicht er daran Schuld, dass Deutschlands Team unter Seppl Herberger in Bern wundersam mit 3:2 gewann. Aber der Trainer stärkte mit allen Nachrichten aus dem ungarischen „Krone“ das Selbstbewusstsein seiner Jungs. Herberger hatte seinen Assistenten Albert Sing in jenes Hotel eingeschleust, um alles vom Endspielgegner mitzukriegen.

Was die Ruhe vor den Entscheidungen 2022 angeht, haben die Argentinier die beste Ausgangslage. Sie wohnen 15 Kilometer außerhalb von Dohas Zentrum, die Franzosen acht Kilometer. Es könnte natürlich winterliche katarische Musikfeste geben...

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