
Als hätte sie die Gesamtdistanz von 70,3 Meilen nicht in den Knochen, trabte Laura Philipp den leicht abschüssigen Zielkanal an der Pestalozzistraße in Bad Mingolsheim lockeren Schrittes noch einmal auf und ab. Auf ihrer Ehrenrunde klatschte die Heidelberger Triathletin zahlreiche Hände ab und ließ sich von den auf den Stahlrohrtribünen dicht gedrängt stehenden Zuschauern gebührend feiern.
Wie schon vor vier Jahren hatte die Profisportlerin den Ironman Kraichgau als schnellste Frau beendet und dabei ihren eigenen Streckenrekord um 106 Sekunden auf 4:19:04 Stunden verbessert - nur vier Wochen Wochen nach einer Covid-19-Erkrankung.
Die drei Bestplatzierten des Männer-Wettbewerbs hatten sich an einem empfindlich kühlen Sonntagmorgen zu diesem Zeitpunkt schon ins Warme geschleppt. An die Grenzen der Erschöpfung war vor allem Justus Nieschlag gegangen, der es nach dem Sieger-Interview kaum aus seinem Klappsessel und bei der Blumen-Zeremonie nur mit Mühe auf die oberste Plattform des Podiums schaffte.
Erst das dritte Mitteldistanzrennen von Nieschlag
Wie Philipp hatte auch Nieschlag dem Dreikampf aus 1,9 Kilometer Schwimmen im Hardtsee von Ubstadt-Weiher, 90 Kilometer auf dem profilierten Radkurs durch den Kraichgau und einem abschließenden Halbmarathon seinen Stempel und aufs Tempo gedrückt. Bei seinem erst dritten Start überhaupt über die Mitteldistanz war der Hildesheimer, der eigentlich auf der olympischen Kurzstrecke zuhause ist, eine Klasse für sich und reckte nach 3:48:21 Stunden die Banderole des Siegers in die Höhe.
Schneller als Kienle und Frodeno
Der 30 Jahre alte Teilnehmer an den Sommerspielen 2021 in Tokio war damit schneller, als es die mehrfachen Kraichgau-Gewinner und Ironman-Weltmeister Sebastian Kienle und Jan Frodeno gewesen waren, die 2022 aufgrund von gesundheitlichen Problemen beim populären Massenevent in und um Bad Schönborn nicht antraten. Nur Andreas Raelert war 2012, als das Rennen noch unter dem Challenge-Label ausgetragen wurde, sechs Sekunden schneller als Nieschlag.
Krämpfe beim Halbmarathon
„Es war auf jeden Fall ein cooles Erlebnis und hat Spaß gemacht, obwohl es auf der Laufstrecke richtig hart war“, sagte der schnellste der insgesamt 2.600 Teilnehmer bei der Rückkehr der Langatmigen ins Land der 1.000 Hügel, wo 2020 und 2021 wegen Corona kein Ironman hatte ausgetragen werden können. Eingepackt in warme Kleidung und Pudelmütze präzisierte Nieschlag : „In der ersten Runde hatte ich Krämpfe, auf der zweiten lief es gut, aber die dritte war noch einmal super taff. Ich bin mit dem Rad vielleicht ein bisschen hart angefahren.“ Das sollte sich auf der 21,1 Kilometer langen Laufstrecke schmerzhaft bemerkbar machen, aber dennoch für eine Spitzenzeit und Platz eins reichen.
Funk Zweiter vor Zepuntke
Mit deutlichem Rückstand erreichten Mitteldistanz-Europameister Frederic Funk aus Grassau (3:50:54) und der ehemalige Radprofi Ruben Zepuntke aus Düsseldorf (3:52:31 ) das Ziel. Nieschlag war als Zweiter hinter dem Schweizer Sven Thalmann aus dem Wasser gestiegen, hatte kurz danach die Führung übernommen und das Rennen mit heißem Herzen fortan von der Spitze weg entschieden.
Daniela Bleymehl auf Rang zwei
Das Rennen der Frauen hatte einen ähnlichen Verlauf, wenn auch mit einer spannenderen Phase. Als zweitschnellste Schwimmerin hinter der Französin Julie Iemmolo setzte sich Philipp mit dem Rad bei Kilometer 22 an Position eins, hatte vor dem Halbmarathon aber nur noch zehn Sekunden Vorsprung auf die Darmstädterin Daniela Bleymehl. Dann kam aber Philipps Laufstärke zum Tragen, so dass sie am Ende dreieinhalb Minuten Vorsprung hatte vor der zweifachen Mutter (4:22:35). Dritte wurde Iemmolo (4:31:22).
Seit zwei Wochen erst wieder im Training
Der Halbmarathon war für Philipp dennoch kein Selbstläufer. Die WM-Vierte von Hawaii 2019 und Weltrekordlerin über die Mitteldistanz, die ihren Start bei der nachgeholten WM 2021 vor drei Wochen in St. George wegen ihrer Corona-Infektion hatte absagen müssen und erst vor zwei Wochen wieder ins Training eingestiegen war, wusste ihren Fitnesszustand nicht so recht einzuschätzen. „Die Lunge habe ich zwischenzeitlich ganz ordentlich gespürt“, bekannte die ambitionierte Top-Favoritin, die ihren Vortrag als „solide, aber nicht Weltklasse“ wertete.
Zu schaffen gemacht hätten Philipp die kühlen Temperaturen von anfangs nur zehn Grad vor allem auf dem Rad: „Ich hatte permanent Gänsehaut.“ Ein Gefühl, das sie wie alle Finisher auch beim Zieleinlauf überkommen sollte, aber das war nicht temperaturbedingt.