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Vorzeitiger Sieg

Nepomnjaschtschi fordert Carlsen um Schach-WM 

Magnus Carlsen grüßte seinen Herausforderer schon mal launig via Twitter. Beim Duell um die WM-Krone muss der Schachweltmeister dann aber ernsthaft mit seinem Freund Jan Nepomnjaschtschi rechnen.

Jan Nepomnjaschtschi aus Russland war bisher immer ein schwerer Gegner für Weltmeister Magnus Carlsen.
Jan Nepomnjaschtschi aus Russland war bisher immer ein schwerer Gegner für Weltmeister Magnus Carlsen. Foto: Lennart Ootes/FIDE/dpa

Schachweltmeister Magnus Carlsen hatte vor dem WM-Kandidatenturnier eher auf Fabiano Caruana oder Ding Liren getippt. Jan Nepomnjaschtschi war aus Sicht des Norwegers „ein interessanter Außenseiter“.

Nun hat sich der Russe in Jekaterinburg bereits vor der letzten Runde als WM-Herausforderer durchgesetzt. Seine Glückwünsche übermittelte ihm Carlsen auf Twitter mit einem Kalauer: „Time to say Dubai“. Das Emirat Dubai ist vom 24. November an Austragungsort ihres mit zwei Millionen Euro dotierten Titelkampfes über 14 Partien.

Nepomnjaschtschis Aufstieg in die Weltspitze lief nicht reibungslos. Als U10- und U12-Weltmeister ließ er früh sein Talent aufblitzen. Mit 19 wurde er Europameister und im gleichen Jahr russischer Meister. Doch Einladungen zu Weltklasseturnieren ließen auf sich warten. Er beschäftigte sich mit Computerspielen wie DOTA oder dem Kartenspiel Hearthstone und schaute viel Fußball. „Ich habe mich als Schachprofi betrachtet, aber nicht wie ein echter Profi gearbeitet“, sagt er rückblickend. Inzwischen habe er eine professionellere Einstellung. „Es ist sehr wichtig, dass man sich kontinuierlich verbessert. Alles, was du brauchst, ist ständig zu arbeiten.“

Das tat Nepomnjaschtschi auch, nachdem das Kandidatenturnier mit Beginn des russischen Lockdowns am 26. März 2020 unterbrochen worden war. Meistens online analysierte er mit seinen Trainern Wladimir Potkin, Ildar Khairullin und Nikita Witjugow. Zuletzt stieß der ungarische Vizeweltmeister von 2004, Peter Leko, der sonst das deutsche Talent Vincent Keymer coacht, zum Team.

Sein Familienname bedeutet zwar „Derjenige, der sich nicht erinnert“, und in russischen Schachkreisen wird darüber gerne gewitzelt. Doch in der Praxis erinnert sich Nepomnjaschtschi ausgezeichnet an seine Vorbereitung und kam im Kandidatenturnier immer wieder gut aus der Eröffnungsphase. Früher passierte es ihm oft, dass er zu schnell spielte und dabei patzte. Vor seiner einzigen Fehlentscheidung, mit der er im Nachhinein hadert, überlegte er dreißig Minuten. Daraus resultierte gegen Maxime Vachier-Lagrave seine einzige Niederlage.

Zum Pragmatismus kommt bei ihm ein ausgezeichnetes Gefühl, was eine Stellung erfordert und wie er Druck auf seinen Gegner ausüben kann. Bei klassischer Bedenkzeit hat Nepomnjaschtschi Carlsen schon viermal bezwungen, wobei zwei Siege aus Jugendturnieren stammen, und erst einmal verloren. „Er ist einer derjenigen, die mich überspielen können. Jan spielt schnell, ist extrem stark, taktisch erfindungsreich“, sagt der Weltmeister über seinen Herausforderer. Seit sie sich bei Jugendturnieren trafen, sind sie befreundet, beide sind 30, Nepomnjaschtschi ist nur fünf Monate älter.

Dass er sich gleich bei seiner ersten Teilnahme an einem Kandidatenturnier durchgesetzt hat, führt Nepomnjaschtschi darauf zurück, dass er die beiden vorigen Auflagen intensiv als Kommentator verfolgte. Das Gelernte fasst er so zusammen: „Man darf sich nicht verrückt machen und möglichst nicht verlieren. Lieber mal ein langweiliges Remis.“

Der Präsident des Russischen Schachverbands, Andrej Filatow, verriet, dass sein siegreicher Landsmann längst gegen Covid-19 geimpft ist. Nepomnjaschtschi brachte einen Arzt und seine Freundin nach Jekaterinburg mit. Nach der Wiederaufnahme des Turniers schlief er zunächst schlecht. Als es besser wurde, gewann er zwei Partien. Gefragt, ob er schon an die WM-Vorbereitung denke, sagte der Moskauer: „Ich will erst mal heim und mich richtig ausschlafen.“

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