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Abschied aus Tokio

Höhenflüge, Eklats und leidende Gastgeber: Die Olympischen Spiele sind zu Ende

Die wohl ungewöhnlichsten Spiele der Geschichte sind zu Ende. Für die meisten Japaner waren sie ein großes Ärgernis. Doch es gab auch strahlende Momente. Für Deutschland fällt die Bilanz allerdings ziemlich mau aus.

Japan, Tokio: Olympia: Abschlussfeier im Olympiastadion. Feuerwerk während der Abschlusszeremonie.
Abschied mit Feuerwerk: Am Sonntag gingen die Olympischen Spiele von Tokio zu Ende. Foto: Kiichiro Sato/dpa

Um 22.14 Uhr Ortszeit war das Olympische Feuer erloschen und das Ringe-Spektakel von Tokio Geschichte. Der Blick ging bei der Schlussfeier am Sonntag bereits nach Paris, wo 2024 die nächsten Sommerspiele stattfinden werden. Und irgendwie passte es ins Bild dieser Tage, dass die Präsentation des nächsten Gastgebers anders ausfiel als geplant.

Eigentlich wollten die Organisatoren für 2024 eine gigantische Flagge am Eiffelturm hissen, doch wegen zu starken Windes in Paris fiel dieser Part der Zeremonie weg.

„Au revoir à Paris“, sagte IOC-Präsident Thomas Bach am Ende seiner Rede. Zuvor hatte er betont: „Einige hatten vorher bereits von Geisterspielen gesprochen. Wir haben das Gegenteil gesehen. Die Athleten haben diesen Spielen Seele gegeben.“

Corona-Chaos bleibt aus, aber Zahl der Neuinfektionen steigt

Olympia ohne Zuschauer, dafür mit maskierten Athleten auf dem Siegertreppchen und Abreise-Pflicht nach Wettkampfende – das hatte es noch nie gegeben. 2020 um ein Jahr verschoben, blieben die Spiele nicht nur bei vielen Einheimischen bis zu ihrer Eröffnung ein Ding der Unmöglichkeit.

Am Ende brannte im neuen Olympiastadion dann doch das Feuer und begleitete 17 Tage lang die wohl ungewöhnlichsten Spiele der Geschichte. Das große Corona-Chaos im Olympischen Dorf blieb aus, auch weil sich die Japaner als umsichtige Gastgeber und detailversessene Organisatoren erwiesen.

Doch die Zahl der Neuinfektionen in Tokio stieg weiter an und schien die Vorbehalte der Japaner gegen das Ringe-Event, die sich auch in Protesten Bahn brach, zu bestätigen. Die Pandemie, aber auch die immensen Olympia-Kosten werden die Einheimischen noch eine Weile begleiten.

Schlechteste deutsche Bilanz seit der Wende

Rein sportlich waren die vergangenen Tage für Japan ein großer Erfolg. 58 Mal Edelmetall, davon 27 Mal Gold, ging an die Gastgeber, die damit hinter den USA (39 Mal Gold, 41 Mal Silber, 33 Mal Bronze) und China (38, 32, 18) Platz drei des Medaillenspiegels belegen. Das deutsche Team (10, 11, 16) hinkte dagegen in Sachen Edelmetall den Erwartungen hinterher. Das Ergebnis: die schlechteste Medaillenbilanz seit der Wende.

Vor allem die eine oder andere Gold-Hoffnung – 2016 in Rio hatte das Team D noch 17 Olympioniken gestellt – strauchelte unerwartet. Ruder-Weltmeister Oliver Zeidler zeigte im Halbfinale Nerven, die sonst so treffsicheren Schützen um Rio-Olympiasieger Christian Reitz gingen komplett leer aus. Und Speerwurf-Gigant Johannes Vetter rutschte im wahrsten Sinne des Wortes aus, wurde am Ende nur Neunter. In den Mannschaftssportarten gab es erstmals seit Atlanta 1996 keine einzige Medaille.

Zwei Eklats und viele lichte Momente

Noch schwerer wiegten aber die Fehltritte abseits des rein Sportlichen. Rad-Sportdirektor Patrick Moster beschwor mit seinem „Kameltreiber“-Anfeuerungsversuch einen Eklat herauf, den der zögerlich reagierende Deutsche Olympische Sportbund noch verschärfte. Und auch die Wortwahl von Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner sorgte für Unmut. „Hau drauf, hau richtig drauf“ rief sie in Richtung der verzweifelten Annika Schleu, deren zugelostes Pferd ihr gerade jegliche Gold-Hoffnungen raubte.

Doch es gab auch die andere Seite der Medaille: nervenstarke Auftritte, glanzvolle Siege, überraschende Triumphe. Judoka Eduard Trippel ging mit einem Lächeln auf die Matte und schlug sich dort bis zur Silbermedaille durch. Tischtennis-Crack Dimitrij Ovtcharov brachte den „Außerirdischen“ Ma Long an den Rande einer Niederlage und gewann anschließend immerhin noch Bronze sowie Silber mit der Mannschaft. Und die Heidelbergerin Malaika Mihambo übertrumpfte in einem echten Weitsprung-Krimi mit dem allerletzten Versuch die Konkurrenz.

Routinier Rauhe als Fahnenträger, Skateboarderin als Hoffnungsträgerin

Gleich vier Medaillen räumten die Slalom-Kanuten ab. Bei deren Kollegen in den ruhigeren Gewässern sorgte der Kajak-Vierer über 500 Meter für ein spätes Highlight. Mit im deutschen Gold-Boot: Routinier Ronald Rauhe, der als Lohn für seine insgesamt fünfte Olympia-Medaille bei der Schlussfeier die deutsche Fahne tragen durfte.

Für den bald 40-Jährigen waren es die letzten Spiele. Lilly Stoephasius hat dagegen ihre Karriere noch vor sich. Die Skateboarderin aus Berlin war mit 14 Jahren das Küken im deutschen Team und legte im Ariake Urban Sports Park einen mutigen Auftritt hin. Überhaupt brachten die Debütanten auf den Boards genau wie die anderen neuen Sportarten Surfen, Sportklettern, Baseball und 3x3-Basketball neue Facetten in den olympischen Kanon. Und – für die IOC-Macher alles andere als unwichtig – sie sorgten für spektakuläre Bilder, die sich bestens vermarkten lassen.

Polit-Thriller um Timanowskaja

Schlagzeilen, die das IOC dagegen ganz und gar nicht gebrauchen konnte, lieferte der Polit-Thriller um Kristina Timanowskaja. Die belarussische Leichtathletin hatte eine Entscheidung ihres Trainerteams öffentlich kritisiert und wandte sich aus Angst vor Konsequenzen im autoritären Belarus an die Polizei.

Schließlich fand sie Hilfe bei der polnischen Botschaft. Das IOC machte daraufhin zwei Funktionäre zu Sündenböcken, schreckte aber vor weitreichenderen Sanktionen zurück. Mit autokratischen Machthabern wie Alexander Lukaschenko verscherzen es sich Bach und das IOC nur ungern.

Olympia wird politisch bleiben, zumal der nächste Stopp Peking lautet. In knapp sechs Monaten werden dort die Winterspiele eröffnet. Der Gegenwind dürfte für die Herren der Ringe dann kaum schwächer sein. Doch für Bach und Co wird es auch dann nur ein Motto geben: Die Show muss weitergehen.

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