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Buch über badische Turngeschichte

Bruchsaler Turner: „Das Turnen war in Baden schon immer sehr geschichtsträchtig“

Turnen war stets mehr als Sport: Die von Friedrich Ludwig Jahn vor mehr als 200 Jahren begründete Bewegung prägte auch stets das gesellschaftliche und politische Leben mit. Dies war auch in Baden nicht anders, wie ein gerade erschienenes Buch von Felicitas Schuder zeigt.

Massenturnen beim 1. Kreisfrauenturnfest 1925 in Heidelberg
Lockte die Massen: Beim ersten Kreisfrauenturnfest 1925 in Heidelberg kamen tausende Sportlerinnen zusammen. Foto: Archiv/Badischer Turnerbund

220 Jahre ist es mittlerweile her, als Friedrich Ludwig Jahn auf der Berliner Hasenheide die Turnbewegung begründete, die er anschließend ins ganze Land – und damit auch nach Baden – trug. Der Bruchsaler Werner Petermann hat mit seinen 90 Jahren einen nicht unerheblichen Teil dieser Historie miterlebt – als aktiver Turner, langjähriger Oberturnwart des Kraichturngaus und als Sport-Verrückter, der sich bis ins hohe Alter mit täglichen Übungen fit hält.

So ist es auch kein Wunder, dass das gerade im Verlag Regionalkultur in Ubstadt-Weiher erschienene Buch von Felicitas Schuder mit dem Titel „Geschichte des Turnens in Baden“ in seinem Regal steht.

Werner Petermann verpasste seit 1953 kein Turnfest

An viele Themen, die das Werk aufgreift, erinnert sich Petermann noch persönlich. An die Wiederaufnahme des Sports nach dem Zweiten Weltkrieg, die 1967 vollzogene (aber lange umstrittene) Fusion der Turnerbünde aus Nord- und Südbaden. Oder auch die spätere Stärkung der Turngaue, die nicht zuletzt beim Landesturntag 1993 in Bruchsal satzungsmäßig forciert wurde. „Das Turnen war in Baden schon immer sehr geschichtsträchtig“, weiß Petermann, der aus Neudorf stammt.

Werner Petermann, Ehrenmitglied des Kraichturngaus
Werner Petermann, Ehrenmitglied des Kraichturngaus Foto: Kurt Klumpp

1953 in Hamburg war der 90-Jährige erstmals bei einem deutschen Turnfest dabei. Danach verpasste er kein einziges der mittlerweile alle vier Jahre stattfindenden Events. Dass die Veranstaltung in diesem Jahr in Leipzig wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, bedauert Petermann. Beim nächsten Mal will er aber natürlich wieder mit am Start sein.

Politische und gesellschaftliche Rolle des Turnens wird im Buch beschrieben

Mit der Turn-Geschichte vor seiner Geburt, die in Schuders Buch einen großen Teil einnimmt, beschäftigte sich Petermann auch schon intensiv. In Freyburg (Sachsen-Anhalt) besuchte er das Friedrich-Ludwig-Jahn-Museum, das sich dem Leben und Wirken des Turnvaters widmet. „Jahn war eine sehr umstrittene Person“, berichtet Petermann. Das wirkte sich auch auf die Entwicklung der Bewegung aus, im Guten wie im Schlechten.

Das Turnen prägte und beeinflusste stets das gesellschaftliche und politische Leben in Deutschland, vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik. Mitunter wurde es aber auch von der Politik und den Mächtigen vereinnahmt, nicht zuletzt von den Nationalsozialisten. Auf der anderen Seite wirkte die Turnbewegung aber auch fortschrittlich. Als der Fußball beispielsweise noch lange verboten war, betätigten sich schon in den 1920er-Jahren Tausende Frauen gemeinsam, wie etwa 1925 beim ersten Kreisfrauenturnfest in Heidelberg.

Turnen verband Generationen und wirkte grenzübergreifend. Nationale und internationale Turnfeste sind hierfür das beste Beispiel, wie auch Petermann aus seiner Erfahrung berichten kann. All das wird auch im Buch „Geschichte des Turnens in Baden“ eindrücklich dargelegt, ebenso wie die handelnden Personen in Vereinen und Verbänden.

Integrative Wirkung des Sports ist weiterhin ungebrochen

Petermann war so jemand, der den Kraichturngau maßgeblich prägte. Heute ist er Ehrenmitglied. In den 1960er-Jahren war er es, der die Rundenwettkämpfe als Oberturnwart einführte. In Neudorf gründete er seinerzeit die Männerriege, die sich noch heute in dieser Zusammensetzung zu Gymnastikübungen trifft – momentan eben online.

Mit Bedauern nimmt der Bruchsaler allerdings wahr, dass der Turnsport nicht mehr den Zulauf hat wie zu seinen Anfangszeiten. Es gebe eben viel mehr sportliche und auch anderweitige Angebote für den Nachwuchs, stellt der 90-Jährige fest. Dabei räumt er seinem Sport noch heute eine integrative Wirkung ein. „Turnvereine bedienen von allen das breiteste Spektrum, auch für alle Altersklassen“, findet Petermann.

Er wünscht sich, dass das auch nach Corona noch so sein wird. Und weil er gerade auf den größten Teil seiner Gymnastik-Gruppenstunden verzichten muss, kann er sich mit anderen Dingen beschäftigen. Etwa der Lektüre seines neuen Buches zur badischen Turngeschichte.

Felicitas Schuder: Geschichte des Turnens in Baden. Eine bewegte Zeitreise durch die Jahrhunderte. Verlag Regionalkultur, 208 Seiten, 25 Euro.

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