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Amtierender deutscher Meister

Der TSV Malsch taucht beim Unterwasserrugby europaweit erfolgreich ab

Tor, nicht Tor? Schwierig zu sagen für den Außenstehenden beim Unterwasserrugby. Beim Kurzpass-Spektakel in der dritten Dimension tauchen ja nur die Akteure ab. Der TSV Malsch, amtierender Deutscher Meister, mischt dabei auch international mit.

Mannschaftsfoto unter Wasser: Der TSV Malsch, amtierender Deutscher Meister.
Mannschaftsfoto unter Wasser: Der TSV Malsch, amtierender Deutscher Meister. Foto: GES

Wann es unter Wasser zur Sache geht, zumindest das kriegt der Trainings-Besucher noch mit. Dann nämlich, wenn die eben noch ruhig im Wasser dahingleitenden Körper plötzlich in Wallung geraten, mit einer schnellen Bewegung abtauchen und die Flossen dabei für Sekundenbruchteile in die Höhe schnellen. 

Das ist schon der Knackpunkt, dass man nichts sieht.
Reinhard Schottmüller

Zurück bleiben die aufgepeitschte Oberfläche und die Frage: Was passiert da unten?

„Das ist schon der Knackpunkt, dass man nichts sieht“, sagt Reinhard Schottmüller. Keine Frage: Unter den Randsportarten nimmt Unterwasserrugby eine besondere Stellung ein und das nicht nur, weil es die einzige dreidimensionale Mannschafts-Sportart ist.

Ein Spielfeld unter Wasser ist weder zuschauer- und schon gar nicht sponsorenfreundlich. Eine Übertragung via Kameras ist möglich, aber sehr aufwändig. Und oft bleibt es dennoch unübersichtlich – zu eng geht es da unten zu. Vor allem über dem Tor, einem am Boden verankerten Korb.

Vielleicht macht aber gerade das auch den Reiz dieser Sportart mit aus, die Schottmüller vor rund 30 Jahren gepackt und nicht mehr losgelassen hat: einfach abtauchen und spielen.

Eine Leidenschaft, die zusammenschweißt

Es ist eine Leidenschaft, die zusammenschweißt. „Nicht nur bei uns im Team, sondern auch national wie international, geht es in der Rugby-Szene schon sehr familiär zu“, sagt Martin Schottmüller. Auf den Stürmer des Bundesligisten und amtierenden Deutschen Meisters Malsch trifft das sowieso zu. Er, sein Bruder Jochen und Vater Reinhard sind tragende Säulen beim TSV.

Ihre Leidenschaft ist den Malscher Spielern bares Geld wert. Es gibt kaum Fördermittel, der Badische Tauchsportverband unterstützt den Club zumindest bei den Fahrten zu den Europa-League-Spielen. Mit Veranstaltungen versuchen die Malscher, Geld in die Kasse zu bekommen. Den Rest legen sie selbst drauf, um zum Beispiel nach Belgrad zu reisen.

Dort steht in einer Woche das zweite Wettkampf-Wochenende auf der europäischen Unterwasser-Bühne an. Aktuell ist der TSV Sechster in der European League, die von den skandinavischen Clubs wie Molde dominiert wird und technisch Maßstäbe setzt, um das rassige Getümmel an die Oberfläche zu holen. Mit festen und beweglichen Kameras werden die Partien gefilmt, auf youtube sind die Partien zu sehen.

Wer so mit ein- und abtaucht sieht: Es geht ordentlich zur Sache. Und es ist erstaunlich, wie die Akteure den Überblick behalten. „Das ist Erfahrung“, sagt Martin Schottmüller. Die haben die Malscher in geballter Form, das Team um Kapitän Christian Prowald spielt schon jahrelang zusammen. „Man wird nicht mehr oft von einer Taktik überrascht“, sagt der 31 Jahre alte Schottmüller, einer von aktuell sieben Nationalspielern im Team des TSV.

Es ist ein gepflegtes Kurzpass-Spiel, was unter Wasser aufgezogen wird. „Ein halber Meter, ein Meter – das ist so die normale Distanz“, berichtet Martin Schottmüller. Der Ball wird durchs Wasser zum Mitspieler gestoßen. Kraft sei dabei und auch sonst nicht das dominierende Element. „Es braucht ein ordentliches Maß an Spielintelligenz“, sagt Schottmüller, der mit seinem Bruder als Cheftrainer-Duo fungiert.

Es reicht nicht, ein guter Schwimmer zu sein

Unter Wasser heißt: Nicht nur vor oder hinter, rechts oder links, sondern auch über oder unter einem warten die Mitspieler. Ein guter Rugby-Akteur bringt demnach vielfältige Fähigkeiten mit. Es reicht nicht, ein guter Schwimmer zu sein. Und bei zu viel Gewicht geht die nötige Spritzigkeit verloren. Körperbetont gehe es zu, aber fair.

Nur der Spieler, der den Ball führt, darf attackiert werden. Das Halten des Gegners ohne Ball ist ebenso Foul wie das Festhalten am Tor-Korb. Drei Schiedsrichter, zwei mit Tauchgerät unter Wasser, leiten das Spektakel, bei dem es auch auf den Tauch-Rhythmus ankommt.

„15, 20 Sekunden ist man bei einer Aktion unter Wasser“, sagt Marin Schottmüller: „Das kling wenig. Aber es kann einem lange vorkommen, wenn man da unten Vollgas gibt.“ Und dabei nicht atmen kann. Die zwei, jeweils sechs Spieler starken Reihen agieren dabei in einem Turnus von etwa anderthalb Minuten. Diejenigen, die im Spiel sind, tauchen vier, fünf mal ab und auf, ehe sich der Puls in der Wechselphase wieder normalisieren kann.

Auch um die Kraftreserven zu sparen, legen Topteams wie Malsch Wert auf Spielwitz. „Legendär“, so erzählen die Schottmüllers nicht ohne Stolz, ist der „Malsch-Trick“. 2006 entschied der TSV so die Deutsche Meisterschaft für sich, als der größte Rivale TC Bamberg beim 2:1-Sieg mit dem Anspiel-Trick überrumpelt wurde.

Mit Trick zur Meisterschaft

„Der Großteil der Mannschaft schwimmt heftig kraulend auf eine Seite, durch das aufschäumende Wasser sieht der Gegner schlecht, der Ballführende hat freie Bahn“, erläutert Martin Schottmüller. Klappte danach nicht mehr oft gegen Bamberg, an dem der TSV jahrelang nicht mehr vorbeikam. Erst 2019 wurde der Bann mit dem zweiten Meistertitel gebrochen.

Dass die Malscher zu den führenden Clubs zählen, kommt nicht von ungefähr – im Trainerbereich sind die Badener top aufgestellt. Reinhard Schottmüller ist bundesweit für die Ausbildung verantwortlich. Und von den rund 35 aktiven Spielern beim TSV haben zwölf den Trainerschein.

Die erste Mannschaft des TSV ist eine Art Regio-Auswahl. Vier „Mälscher“ sind noch unter den 15 Spielern, die ansonsten aus Karlsruhe oder dem Großraum und sogar aus Solingen sowie Duisburg kommen. Im Team sind Mechatroniker, Bäckermeister, Angestellte oder auch ein Feuerwehrmann.

Der Jüngste ist 25, der Älteste 51. In Karlsruhe kooperiert der TSV mit dem Taucherclub Muräne Karlsruhe und dem SSC, früher tauchten die TSV-Akteure auch im Becken des Uni-Sportinstituts ab zur Bundesliga-Torejagd. Heute stehen Pforzheim oder Offenburg als mögliche Spielorte zur Verfügung, nicht jede Halle eignet sich wegen der nötigen Beckentiefe. Trainiert wird in Grötzingen.

Die Nachwuchsarbeit in Malsch macht das nicht eben einfacher. Der Kampf unter Wasser, er braucht auch an Land einen langen Atem.

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