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In großen Clubs Fuß gefasst

Drei talentierte Fußballtrainer aus Karlsruhe und Waghäusel streben nach oben

In den Leistungszentren großer Clubs sind sie schon gelandet: drei Trainer aus Karlsruhe und Waghäusel. Nun träumen sie von einer ähnlichen Karriere wie Julian Nagelsmann, Coach von Bundesligist RB Leipzig.

Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann / Training RB Leipzig am 7. Oktober 2020 / Red Bull Akademie, Leipzig.
Senkrechtstarter: Der frühere Hoffenheimer Coach Julian Nagelsmann, hier bei einem Training von RB Leipzig auf einem Platz der Red Bull Akademie, ist für viele Nachwuchstrainer ein Vorbild. Foto: motivio/imago images

Den Vergleich mit Star-Trainer Julian Nagelsmann von Fußball-Bundesligist RB Leipzig lächeln Sirus Motekallemi, Yunus Karamanli und Luca Sickinger höflich, aber bestimmt weg. Es sei wie im gesamten Profigeschäft, meinen die Nachwuchstrainer-Hoffnungen jeweils sinngemäß, aber nicht im Wortlaut: zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Ideen – dann kann eine Fabelkarriere wie die des 33-jährigen Nagelsmann, der bereits in seiner fünften Bundesligasaison als Cheftrainer fungiert, Realität werden.

Motekallemi, Karamanli und Sickinger eint sowohl Vergangenheit wie Gegenwart: Als Spieler waren oder sind sie für Vereine in den Fußballkreisen Bruchsal oder Karlsruhe mindestens auf Landesliganiveau unterwegs, als Jugendtrainer verdienen sie sich das Prädikat „erfolgreich“. Der 32-jährige Durlacher Motekallemi coacht seit zwei Jahren die U17-Bundesligamannschaft des Karlsruher SC, war zuvor als Spieler unter anderem beim ASV Durlach und später als Trainer beim FC Español sehr erfolgreich.

Der 29-jährige Wiesentaler Karamanli verantwortet in seiner zweiten Saison die U19 des SV Sandhausen in der A-Jugend-Oberliga, zuvor folgte nach dem verletzungsbedingten Karriereende beim FC Heidelsheim der nahtlose Übergang in den höherklassigen Jugendfußball beim 1. FC Bruchsal. Der 26-jährige Friedrichstäler Sickinger spielt nach wie vor bei Fortuna Kirchfeld in der Verbandsliga, coacht aber seit nunmehr zwei Jahren die zweite Mannschaft der U19 von Astoria Walldorf im selben Klassement wie Karamanlis SVS.

Yunus Karamanli
Yunus Karamanli Foto: SV Sandhausen

Das junge Alter sowie ein ähnlicher, wenngleich nicht analoger Karrierepfad, scheint wie geschaffen für den Vergleich mit der Nagelsmann’schen Muster- und Fabelkarriere. Dessen Geschichte dient zugleich als Vorbild für junge und höchstengagierte Nachwuchstrainer.

Qualifikation für die Champions League

Verletzungsbedingt hatte der heutige Chefcoach von Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig seine Spielerkarriere beenden müssen, der Sprung in den Jugendfußball folgte 2008 mit 21 Jahren. Nagelsmann begann als Jugend-Co-Trainer beim FC Augsburg, fünf Jahre später wurde er jüngster U19-Meistertrainer bei der TSG Hoffenheim. Als Cheftrainer übernahm er bei der TSG Anfang 2016 vom erkrankten Huub Stevens das Profiteam und verbuchte mit einem starken Punkteschnitt den Klassenverbleib.

Zwei Jahre später qualifizierte sich Hoffenheim erstmals für die Champions League – eine Erfolgsgeschichte mit schwindelerregender Dynamik, ein Sinnbild des steilen Aufstiegs von der Basis in die Beletage. Steil, steiler, Nagelsmann.

Große Konkurrenz unter Nachwuchstrainern

Gegen eine ähnliche Erfolgsgeschichte würden sich weder Motekallemi, Karamanli oder Sickinger wehren – national träumen jedoch Tausende aufstrebende Nachwuchshoffnungen an der Seitenlinie denselben Traum.

Mit Marco Wildersinn (ehemals KSC U19, zuletzt TSG Hoffenheim II), Tim Walther (ehemals KSC U17 und U19, zuletzt VfB Stuttgart) und Lukas Kwasniok (ehemals KSC U17 und U19, jetzt Trainer bei Drittligist 1. FC Saarbrücken) gelang drei Fußballlehrern mit ähnlichem Profil bereits der Sprung ins Profigeschäft.

Mit reflektierter Selbsteinschätzung zum Erfolg

„Ich bin nicht nur als Kritiker da, sondern auch um Träume zu unterstützen“, beschreibt Karamanli. „Ich versuche die Jungs darauf vorzubereiten, dass es nur ein Prozent in der Altersklasse schaffen kann. Es geht um die realistische Mitteilung, ohne Träume einzuschränken.“

Karamanli, Motekallemi und Sickinger eint über Jahre die Eigenschaft, mit reflektierter Selbsteinschätzung Erfolge zu haben, ohne an Bodenhaftung zu verlieren. „Ich habe mir das ohne Kontakte erarbeitet und bin dem SV Sandhausen sehr, sehr dankbar“, meint Karamanli, der seit acht Jahren als Jugendtrainer arbeitet und bereits sein zweites Bachelorstudium absolviert – neben seiner Tätigkeit als Chefcoach der U19.

Karamanli setzt sich Fußball-Lehrer-Lehrgang zum Ziel

„Der Job als Trainer ist unglaublich zeitintensiv“, gibt Karamanli zu. „Normalerweise ist das auf diesem Niveau ein Hauptjob. Ich werde nach meinem Bachelor abwägen, wie es weitergehen soll.“ Auch eine Stelle als Dozent kann sich Karamanli, dessen Bruder Enes beim Oberligisten 1. FC Bruchsal spielt, vorstellen. „Ich mag es, Wissen zu vermitteln, über Fußball zu sprechen. Der Fußball-Lehrer-Lehrgang ist ein Ziel von mir.“

Sirus Motekallemi, Karlsruher SC
Sirus Motekallemi Foto: Helge Prang/GES

Im Profiteam des KSC arbeitete Motekallemi zuletzt knappe drei Wochen im Trainerteam mit Christian Eichner und Zlatan Bajramovic, eine Art Hospitation. „Ich habe alle Eindrücke hautnah erlebt, alle Entscheidungen mitbekommen, auf der Bank, in der Kabine. Ich bin sehr dankbar. Es hat großen Spaß gemacht und war eine tolle Erfahrung.“

Motekallemi spielte lange in der KSC-Jugend

Fast seine ganze Jugend verbrachte der 32-Jährige beim KSC, nach Stationen in der zweiten italienischen Liga machten mehrere Kreuzbandrisse im Alter von 25 Jahren eine Karrierefortsetzung unmöglich. Der Reiz, einmal selbst im Profigeschäft Fuß zu fassen, sei verlockend. „Das Tagesgeschäft bereitet mir große Freude“, sagt der U17-Coach.

Während der KSC wieder mit der U19 und U17 trainiert, ist für Sickinger seit der Einstellung des Spielbetriebs gleich doppelt Zeit für Vor- und Nachbereitung. Weder das Training mit der Walldörfer Jugend noch die Übungseinheiten im Verbandsligateam von Fortuna Kirchfeld haben aktuell eine Aussicht auf Wiederaufnahme.

Sickinger gelingt die Doppelrolle als Verbandsligaspieler und Jugendtrainer

„Darunter leidet die Entwicklung, sportlich, aber auch menschlich“, meint Sickinger, dessen 23-jähriger Bruder Carlo Mannschaftskapitän beim Drittligisten und Traditionsclub 1. FC Kaiserslautern ist. In der dritten Spielzeit gelingt Sickinger die Doppelrolle als Verbandsligaspieler und Jugendtrainer – jeweils in Nebentätigkeit.

Luca Sickinger
Luca Sickinger Foto: FC Astoria Walldorf

„Das hat sich damals beruflich neben dem Studium angeboten. Nach der U19 bei der Germania war das der erste Schritt in den semi-professionellen Bereich.“ Seit dem Aufstieg der zweiten Mannschaft, intern als „U18“ bezeichnet, wird Sickinger vom langjährigen Rußheimer Kreisligaspieler Fabian Simonis unterstützt. „Es sind mehr Anforderungen in der Organisation. Da die U19 in der Bundesliga spielt, macht das nur Sinn.“ Am Walldörfer Weg lobt der 26-Jährige den potenziell-möglichen zweiten Bildungsweg.

Vier Spieler aus Walldorf schafften jüngst den Sprung zu den Profis

Statt wie in anderen Nachwuchszentren oft kritisiert, gewährt die Astoria jungen Talenten mehr Zeit. „Wir sind weg von einer Zielvorgabe. Das größte Ziel ist die Entwicklung, der Druck ist kaum da, es geht darum rauszugehen, alles zu geben, zu gewinnen“, so Sickinger, der sein Sport-Masterstudium in diesem Jahr abschließen wird.

Aus der Walldörfer U18 und U19 schafften in den vergangenen Jahren über die U23 in der Oberliga mit André Becker, Luca Stellwagen, Andreas Müller und Minos Gouras gleich vier Spieler den Schritt in den Profibereich. „Ein Verdienst des Vereins“, sagt Sickinger. „Es hat mehr Sinnhaftigkeit, mehr Entwicklungszeit zu geben.“

Heimisch in den regionalen Fußballkreisen

Der Faktor Zeit ist einer, der im Profigeschäft oft fehlt. Wenigen Spätstartern steht seit vielen Jahren ein Jugendtrend entgegen. Dem Trainertyp Nagelsmann kam eine solche Entwicklung auch neben dem Platz zugute.

Mit Karamanli, Sickinger und Motekallemi steht die nächste Generation an Trainertalenten gerade erst in den Startlöchern – geerdet und heimisch in den regionalen Fußballkreisen. Wildersinn, Walther und der aktuell in Saarbrücken erfolgreiche Kwasniok haben schon vorgemacht, dass ein solcher Sprung ins Profigeschäft möglich ist.

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