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Höhepunkt im American Football

Footballer der Pforzheimer Wilddogs zwischen Zoom-Konferenzen und Super Bowl

Normalerweise würde für die Footballer in Deutschland – auch für die Pforzheimer Wilddogs – jetzt die heiße Phase der Vorbereitung beginnen: In den acht Wochen vor Saisonbeginn, meist pünktlich zum Super Bowl, geht es um Spielzüge und Feinabstimmung.

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Sehnsucht nach dem großen Auftritt: Bis die Pforzheimer Wilddogs wieder ins Stadion – wie hier 2018 in den Holzhof – einlaufen dürfen, wird wohl noch Zeit verstreichen. Im Brötzinger Tal werden sie dann eine neue Kulisse haben. Foto: Harry Rubner

Kai Höpfinger ist sich noch nicht sicher, ob er sich die Nacht von Sonntag auf Montag um die Ohren schlagen wird. „Könnten wir wieder alle zusammen, mit 70, 80 Leuten schauen, dann wäre das keine Frage – wenn ich es dieses Mal mache, dann nur aus Tradition“, sagt er.

Der Super Bowl, das Endspiel um die Meisterschaft in der nordamerikanischen National Football League (NFL), ist ein echtes Spektakel. Ein Highlight, auch für den Vorsitzenden der Wilddogs, den American Footballern in Pforzheim. Doch seine liebsten NFL-Teams, die Indianapolis Colts und die Denver Broncos, stehen beide nicht im Super Bowl. Stattdessen werden die Tampa Bay Buccaneers ab 0.30 Uhr deutscher Zeit am frühen Montagmorgen gegen die Kansas City Chiefs antreten.

Während Höpfinger noch keine Entscheidung gefällt hat, fiebert sein guter Freund und seit vergangenem Sommer Headcoach der Regionalliga-Mannschaft, Michael Lang, dem Event entgegen. „Ich kann den Super Bowl normalerweise nie schauen, weil ich Lehrer bin und um 7 Uhr in Stuttgart an der Schule sein muss“, erklärt Lang. „Dieses Mal wird es aber möglich sein, darauf freue ich mich sehr.“

Lang könnte dann einer von mehr als zwei Millionen Deutschen sein, die für eines der größten Sport-Spektakel der Welt den Schlaf sausen lassen. So viele hatten in der Bundesrepublik zumindest im Vorjahr eingeschaltet – in den Vereinigten Staaten waren es 99,9 Millionen.

Football boomt in Deutschland

Die Zahlen, die mit dem Super Bowl einhergehen, sind Jahr für Jahr Superlative, wenngleich die Zuschauerzahlen in den USA seit 2015 gesunken sind. Die generelle Begeisterung für diesen so taktisch geprägten Sport ist mittlerweile jedoch auch in Deutschland angekommen. Immer mehr Mannschaften finden sich zusammen, die Mitgliederzahlen des American Football Verbands Deutschland (AFVD) stiegen bis 2019 kontinuierlich an.

Für die Pforzheim Wilddogs würde mit dem Super Bowl normalerweise die heiße Phase beginnen – die deutschen Footballer starten dann meist in die intensivste Zeit ihrer monatelangen Saisonvorbereitung. „Da ist die Phase des Athletiktrainings vorbei, es geht ans Taktische und damit ans Eingemachte“, sagt Headcoach Michael Lang. Doch normal ist auch für die Footballer seit nunmehr einem Jahr kaum noch etwas.

Pforzheimer trainieren individuell

Die Off-Season – die Zeit außerhalb des Liga-Alltags – und die Vorbereitung spielen im Football eine außergewöhnlich große Rolle, das Spiel lebt von Automatismen. Die zahlreichen Teile des Teams müssen zu einem großen Ganzen geformt werden, Abläufe müssen greifen, das Timing muss stimmen. Doch wie soll das gehen, wenn kein Trainingsbetrieb möglich ist?

„Wir schreiben den Jungs seit Anfang des zweiten Lockdowns wieder wöchentliche Trainingspläne“, erklärt Lang. Und das aus gutem Grund: Der AFVD möchte seinen Teams, sobald es möglich ist, eine achtwöchige Vorbereitung zugestehen, ehe die Saison beginnt. Acht Wochen sind im Football allerdings keine Zeit – zumindest nicht ausreichend, um nach Monaten ohne gemeinsames Training quasi von Null zu starten. „Das ist meines Erachtens nur möglich, wenn die Spieler dann athletisch in einem richtig guten Zustand zum ersten Training erscheinen“, erklärt Höpfinger.

Ich persönlich denke, dass frühestens nach Ostern wieder Vollkontaktsport erlaubt sein wird.
Kai Höpfinger, Vorsitzender der Pforzheim Wilddogs

Die Trainingspläne sollen diese Basis auch während des Lockdowns schaffen. „Hinzu kommen virtuelle Konferenzen, in denen es um Taktisches und Theoretisches geht“, sagt Lang. So versucht er mit seinem Trainerteam zu gewährleisten, dass – sobald es möglich ist – direkt mit taktischen Themenkomplexen ins Training eingestiegen werden kann.

Der Verband hatte sich bereits einen Plan zur Rückkehr auf die Plätze zurechtgelegt und diesen im Dezember präsentiert: Kann das Training am 1. März beginnen, würde entsprechend im Mai gespielt werden. „Dafür reicht meine Fantasie momentan allerdings nicht aus“, sagt Höpfinger. „Ich persönlich denke, dass frühestens nach Ostern wieder Vollkontaktsport erlaubt sein wird.“ So lange es darum gehe, die Multiplikation allerorts zu reduzieren, könne er sich keinen Vereinssport vorstellen.

Wilddogs profitieren von ihrer guten Jugendarbeit

Sportlich sehen Höpfinger und Lang ihren Club nichtsdestoweniger auf einem guten Weg. Mittlerweile kommen sechs lizenzierte Trainer aus den eigenen Reihen, „das ist eine tolle Entwicklung“, so Höpfinger. „Zu Beginn unserer Arbeit mussten wir uns die Expertise von außerhalb holen. Inzwischen ist das aber alles gewachsen, gerade auch im Jugendbereich. Und dass eben diese jungen Spieler dann auch Lehrgänge und Schulungen besuchen, um anschließend den Gesamtverein wieder unterstützen, ist toll zu sehen.“

Wenn da der eine oder andere Neue dabei bliebe, wäre das für uns super. Dann hätten wir insgesamt für die erste und zweite Mannschaft gut 80 Spieler.
Michael Lang, Headcoach der Pforzheim Wilddogs

Zumal neue Spieler für Football Geduld mitbringen müssen: „Es ist zeit- und anfangs auch kostenintensiv“, betont Lang, „die Ausrüstung hat schon ihren Preis“. Acht Interessierte hätten ihn in den vergangenen Wochen kontaktiert, würden gerne zu den Probetrainings, die ursprünglich Ende Oktober hätten stattfinden sollen, dann jedoch vom zweiten Lockdown jäh ausgebremst wurden, kommen. „Wenn da der eine oder andere dabei bliebe, wäre das für uns super. Dann hätten wir insgesamt für die erste und zweite Mannschaft gut 80 Spieler.“

Bis der Zeitpunkt kommt, an dem die Wilddogs aufs Trainingsfeld zurückkehren und für die Spiele erstmals ins Brötzinger Tal einziehen dürfen, worauf sich sicher nicht nur Höpfinger „riesig freut“, wird noch Zeit vergehen. Die Pforzheimer werden die Zeit jedoch gewiss zu überbrücken wissen – mit individueller Vorbereitung, Zoom-Meetings und dem Super Bowl. Den, sagt Michael Lang, will das Team ebenfalls virtuell gemeinsam schauen. Und zumindest er hofft eine Titelverteidigung der Chiefs.

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