Um Fußballspieler genauer unter die Lupe nehmen zu können, müssen Trainer und Vereinsverantwortliche mitunter weite Wege auf sich nehmen. Gökhan Gökce, Eser Güner und Hüseyin Eruslu spulten für ihr Scouting der besonderen Art am vergangenen Freitag insgesamt mehr als 2.000 Kilometer ab.
Ausschau gehalten wurde dabei nicht etwa nach möglichen Verstärkungen für den Kreisligisten GU-Türkischer SV Pforzheim, den Gökce trainiert. Vielmehr galt es, vor Ort der türkischen Nationalmannschaft bei deren EM-Auftaktspiel gegen Italien im Stadion Olimpico in Rom die Daumen zu drücken.
„Ich war bisher fast bei jeder Europa- und Weltmeisterschaft der vergangenen Jahre mindestens einmal im Stadion, oft auch bei Finalspielen“, sagt Gökce.
In Rom direkt war kein EM-Fieber zu spüren.Gökhan Gökce, Trainer von GU-Türkischer SV Pforzheim
Doch diesmal ist alles anders. Vergleichbar mit den vorherigen Erlebnissen ist die inmitten der Corona-Pandemie stattfindende 16. Auflage nicht. „In Rom direkt war kein EM-Fieber zu spüren. Die Stadt war zwar belebt, aber es herrschte eher Normalität. Keine Spur von Fahnen oder ähnlichem“, berichtet der GU-Coach.
Fußball-Trainer Gökce zeigt sich von der Organisation beim Einlass beeindruckt
Das eher triste Bild habe sich erst ein wenig auf dem Weg zur Spielstätte, als Anhänger an Imbissständen zusammenkamen, verändert. „Um das Stadion herum war es fast leer, die Gruppen wurden früh getrennt.“
Beeindruckt zeigt sich der 37-Jährige von den organisatorischen Vor-Ort-Vorkehrungen. „Der Einlass war super“, gerät Gökce ins Schwärmen. Bei der Einlasskontrolle wurden die Gesichter der Besucher gescannt, die Körpertemperatur wurde gemessen, anschließend wurden Ausweise, Tickets und Testergebnisse kontrolliert.
Corona-Pandemie: Ordner im Stadion begleiten die Fans zu den Sitzplätzen
In kleinen Gruppen ging es Schritt für Schritt nach vorne, sodass der Abstand entsprechend gewährleistet werden konnte – die Ordner hatten ein wachsames Auge und führten obendrein alle der offiziell 12.916 Zuschauer zu deren Plätzen. Dort angekommen, galt es, die beiden Nebensitze freizuhalten. „Masken mussten getragen werden, es sollte keinen Kontakt zu anderen Fans geben“, so Gökce.
Im Stadion stand gefühlt alle zwei Meter ein Ordner.Gökhan Gökce über die Sicherheitsvorkehrungen
Lagen sich die Zuschauer, beim 3:0-Erfolg ausschließlich die Italiener, jubelnd in den Armen, schritten die Aufpasser rasch ein. „Im Stadion stand gefühlt alle zwei Meter ein Ordner. Probleme wurden ganz schnell gelöst“, berichtet der Türke, den es allerdings wunderte, dass im Stadion Alkohol ausgeschenkt wurde – am Spielort München herrscht Alkoholverbot.
Um die Fans beider Lager weitestgehend auf den Plätzen und fernab von Verpflegungsständen halten zu können, wurden von zahlreichen durch die Reihen laufenden Verkäufern Speisen und Getränke gereicht. So geht Stadionbesuch im Jahr 2021.
Gökce verfolgt die EM-Spiele aus der Sichtweise eines Trainers
Gökce indes konzentriert sich aber ohnehin lieber auf das, was auf dem Rasen passiert. Die Fanbrille hat er dabei nicht auf, „ich schaue solche Spiele immer aus der Sicht eines Trainers“. Einen Titel-Favoriten auszumachen, fällt auch dem Ex-Coach des Oberligisten 1. CfR Pforzheim schwer: „Ich glaube nicht, dass es schon einmal eine so ausgeglichene EM wie in diesem Jahr gegeben hat.“