Die einen mögen es mutig oder gar gewagt nennen, für die anderen ist es vielmehr ein zukunftsorientierter Schritt mit jeder Menge Potenzial: Der Handball-Oberligist HC Neuenbürg wird mit einem jungen Torhütergespann in die nächste Saison gehen.
„In der Vergangenheit hatten auch wir eigentlich immer einen erfahrenen und einen jungen Keeper“, sagt Marco Langjahr, Spieler und Sportlicher Leiter beim HCN, „jetzt machen wir es mal anders“.
Und von diesem Weg scheinen die Neuenbürger überzeugt zu sein: Nach den Abgängen von Mile Matijevic und Felix Spohn soll Konstantin Regelmann gemeinsam mit Neuzugang Tobias Krems, der vom Liga-Konkurrenten TSV Weinsberg zum HCN wechselt, künftig den Kasten der „Foxes“ vernageln.
Schwierige Vereinbarkeit von Sport und Beruf
Dass Krems seinen Weg in den Schwarzwald finden würde, lag allerdings nicht unbedingt auf der Hand. Tatsächlich hatte er kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, in Zukunft deutlich kürzer zu treten, was den Handball anbelangt – mit gerade einmal 21 Jahren.
Im September hat Krems seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei einem Sportwagenhersteller in Stuttgart begonnen, „das wurde immer schwieriger mit dem Handball zu vereinbaren, auch durch die Fahrerei“, sagt er.
Krems lebt in Rutesheim, 60 Kilometer auf der stauanfälligen A81 trennten seinen Wohnort von seinem bisherigen Verein in Weinsberg. „Ich hatte es mir deshalb relativ lange offen gehalten, wie es nach dieser Saison weitergeht“, erklärt er.
Ambitionierte Laufbahn in der Jugend
Die Alternative? Zurück zu den Wurzeln. Bei der SKV Rutesheim hatte er einst zum ersten Mal den Ball in die Hand genommen, „ein Freund nahm mich damals bei den Minis mit, weil seine Mutter Trainerin war. Es wäre jetzt eine Option gewesen, allerdings wäre das dann für mich aber nicht mehr richtig leistungsorientiert gewesen“, gibt er zu. Dabei hatte er in seiner Jugend jede Menge in den Handball investiert.
Schon in der D-Jugend kam Krems in die Württemberg-Auswahl, wechselte anschließend in der C-Jugend in die Talentschmiede des Zweitligisten SG BBM Bietigheim. Dort spielte er immer in den höchstmöglichen Klassen, durchlief weiter die württembergische Auswahl und wurde in der A-Jugend sogar zu einem Sichtungslehrgang des Deutschen Handball-Bundes (DHB) eingeladen.
Dort lernte er auch Mattes Meyer kennen, mit dem er in Neuenbürg künftig zusammenspielen wird. Als A-Jugendlicher zählte er zum erweiterten Kader des damaligen Bundesligisten, durfte mit den Profis trainieren.
Krems schätzt „das Gesamtpaket“
Gelernt, das wird schon aus der reinen Faktenlage offensichtlich, hat Krems dabei jede Menge. „Als ich nach Bietigheim kam, war das damals natürlich mein großes Ziel, irgendwann bei der ersten Mannschaft dabei zu sein“, sagt er rückblickend. „Das war dann schon krass, wenn man plötzlich mit Spielern wie ,Mimi’ Kraus trainiert, dessen Karriere man von Kindesbeinen an verfolgt hat.“
Sich selbst deshalb wichtig zu nehmen, scheint Tobias Krems allerdings fern zu liegen. Der Handball habe ihm, abgesehen vom Sportlichen, Selbstvertrauen gegeben, sagt er, „auch Menschenkenntnis und das Miteinander lernt man, das vermisse ich zur Zeit auch am meisten“.
Ich habe mich sehr gefreut, dass sich Marco wieder gemeldet hat. Das Gesamtpaket hat jetzt einfach gestimmt.Tobias Krems, neuer Keeper des HC Neuenbürg
2019 wechselte er in die Oberliga nach Weinsberg, nun also folgt der Schritt nach Neuenbürg. Und dort hätte man ihn bereits ein Jahr zuvor gerne gehabt, bestätigt Marco Langjahr: „Die Torhüter-Position ist im Handball so wichtig“, sagt er, „der Keeper hat da eine tragende Rolle. Deshalb scoutet man da auch recht viel.“
Tobias Krems war ihm schon in seinem ersten Jahr in Weinsberg aufgefallen. „Er wurde mir von Trainern empfohlen, außerdem kannte ich ihn aus unserem Spiel gegen Weinsberg“, erklärt Langjahr. Damals aber hatte Krems bereits für ein weiteres Jahr beim TSV zugesagt. „Ich habe mich sehr gefreut, dass sich Marco wieder gemeldet hat“, so Krems, „das Gesamtpaket hat jetzt einfach gestimmt“.
Vorfreude ist auf beiden Seiten groß
Auch wenn er sein neues Team noch nicht wirklich kennenlernen konnte – ein Probetraining machte die Pandemie, wie sollte es anders sein, zunichte –, empfindet der 21-Jährige den Schritt schon jetzt als Verbesserung.
Und das nicht nur, weil er weniger Zeit auf der Straße verbringt und seine Freundin in Pforzheim lebt. „Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass bei allem, was Neuenbürg macht, Power dahintersteckt. Zudem hat sich das Team nach dem Aufstieg echt beachtlich geschlagen“, sagt er.
Aufgrund seines Alters sieht auch Marco Langjahr noch „jede Menge Entwicklungspotenzial. Als Torhüter hat man seine beste Phase eher erst im Alter von 30 Jahren, Tobi ist jetzt schon stark und dazu auch technisch gut ausgebildet“.
Dass er in Konstantin Regelmann einen gleichaltrigen Keeper neben sich haben wird, freut Krems besonders. „Ich glaube, wir werden ein super Gespann bilden“, meint er. Und auch Marco Langjahr ist davon überzeugt: „Ich bin mir sicher, dass wir mit den beiden viel Freude haben werden. Die beiden werden sich gegenseitig pushen und weiterbringen.“