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Zehn Jahre Sportinternat Karlsruhe

Zeit ist knapp, der Hunger immer groß: Das Hotel-Leben im Karlsruher Sportinternat

Ein Leben im Hotel? Das gilt nicht nur für Udo Lindenberg, sondern in Karlsruhe auch für junge Leistungssportler. Das Sportinternat hat seit zehn Jahren seine Heimat im Dachgeschoss des Hotels „Am Gottesauer Schloss“. Dort ist nicht nur der Appetit auf Erfolg groß.

Paul Grosser, Christoph Kramer, Joris Schleer, Salome Steinebrunner (von links) beim Abendessen.

GES/ Kanu-Rennsport/ Rheinbrueder Karlsruhe Sportinternat, 20.10.2021
Kalorien für Kämpfer und Kanuten: Die Kajakfahrer Paul Grosser und Christoph Kramer sowie die Judoka Joris Schleer und Salome Steinebrunner (von links) beim Abendessen im Sportinternat. Foto: Helge Prang/GES

Als Jule-Marie Horn am Abend gegen acht den Kopf kurz in den Gemeinschaftsraum steckt, kommt Leben in die Truppe.

„Fehlt noch was?“, fragt die Betreuerin, die noch mal schnell einkaufen geht – und ein vielstimmiges Echo erntet.

„Mozzarella und Tomate wären Hammer“, ruft Paul Grosser. „Haben wir Butter?“, kommt es von der anderen Seite des Tisches. „Gurke!“, „laktosefreie Milch?“ Und: „Steht Salat auf der Liste?“, will Salome Steinebrunner wissen, ach, und: „Eis wäre toll, Vanille?!“ Und zwar „richtig viel, bitte“, sagt Christoph Kramer, „für Milchshakes“.

Ein bisschen so wohnen wie Udo Lindenberg

Essen ist ein wichtiges Thema im Dachgeschoss des Hotels am Gottesauer Schloss, in dem sich eine Leistungssport-WG befindet – das Karlsruher Sportinternat.

Seit zehn Jahren kommen hier junge Sportlerinnen und Sportler unter und können sich ein bisschen wie Udo Lindenberg fühlen, wie Karlsruhes Sportdezernent Martin Lenz gerne sagt. Der nuschelnde Deutsch-Rocker ist bekanntlich prominenter Dauergast im Hamburger Atlantic-Hotel.

Ganz so schick und exklusiv wie für Udo an der Außenalster freilich ist es hier nicht. Und überhaupt: Ein Internat im Hotel? Erst mal habe man sich ein Sportinternat anders vorgestellt, internatsmäßiger halt und größer, gibt Kanute Grosser im Rückblick zu. „Einfach gut“, findet es aber nicht nur Judoka Steinebrunner hier: „Wahrscheinlich auch deshalb, weil es nicht so groß ist.“

Es war gar nicht schwierig, sich einzuleben.
Raphael Reategui Richter, Kanute

„Es ist viel besser als ein Standard-Internat, man hat mehr Freiräume und es ist wohnlicher“, sagt Raphael Reategui Richter. Der 17 Jahre alte Kanute der Rheinbrüder ist aktueller Internats-Ältester, im dritten Schuljahr ist der Mainzer in Karlsruhe.

Die sportliche Perspektive mit dem Kanu-Bundesstützpunkt im Rheinhafen lockte ihn her, obwohl ihm die Internatslösung erst „auf keinen Fall“ behagte. Eine „krasse Veränderung“ sei das gewesen, aber: „Es war gar nicht schwierig, sich einzuleben.“

Auf einem Lehrgang hatte Salome von der Internats-Möglichkeit in Karlsruhe gehört, für sie sei sofort klar gewesen: „Das will ich unbedingt machen.“ Die Judoka des Budo-Clubs habe nur noch ihre Eltern überzeugen müssen – was der 14-Jährigen gelungen ist. „Ich habe gesagt, ich kann mich ja erst mal anmelden, dann schauen wir…“, sagt sie und grinst.

Die Betreuung steht auf drei Füßen

Möglicherweise haben die Eltern auch die Rahmenbedingungen überzeugt. Die Betreuung steht auf drei beziehungsweise vier Füßen: Es gibt die Ansprechpartner in den Vereinen, in der Schule und eben die pädagogische Betreuung in den Räumen des Internats. Und die Familie Steiner, die das Hotel führt und sich rührig um ihre Dauergäste sorgt.

Wir sind hier wie eine kleine Familie für die Sportler und Anlaufstelle für Fragen und Wünsche.
Simone Steiner, Betreiberin des Hotels „Am Gottesauer Schloss“

„Wir sind hier wie eine kleine Familie für die Sportler und Anlaufstelle für Fragen und Wünsche“, sagt Simone Steiner und ergänzt: „Den Karlsruher Sport und die jungen Leistungsträger zu unterstützen ist eine Ehre und schafft eine tolle Atmosphäre im Hotel.“ Das Internat sei „wesentlicher Bestandteil des Hotels“ und belebe das Familienleben „durch Teilhabe, Austausch und Fiebern für den Erfolg“, wie Steiner festhält.

Ein Stamm von acht Betreuerinnen und Betreuern steht zur Verfügung, „alles Studenten und teilweise auch ehemalige Bewohner“, berichtet Fabian Schley, der für die Fürsorge verantwortlich ist und im Notfall auch mal nachts aus dem Bett geklingelt wird.

Ex-Lions-Basketballer Toni Orlovic gehört ebenso zum Kreis von Ehemaligen, die vom Sportler- ins Betreuerzimmer gewechselt sind, wie eben Jule-Marie Horn, die noch 2020 mit dem Team des Budo-Clubs ganz oben auf dem Meisterschafts-Treppchen stand.

Die Wäsche müssen alle selbst waschen

„Man wird mitgenommen und aufgefangen“, sagt Christoph Kramer zum Beispiel in Hinblick auf etwaige schulische Probleme. Andererseits müsse man auch selbständiger sein als zuhause, sich organisieren. Im Verhältnis habe man hier mehr Verpflichtungen, findet Paul. Die Wäsche waschen, zum Beispiel.

Das gemeinsame Leben im Internats-Appartement beschränkt sich auf ein Minimum – Zeit ist ein knappes Gut der Talente. Schule, Training oder Training, Schule, Training – so lautet der Tagesablauf.

Paul Grosser und Christoph Kramer (v.l.) verlassen das Sportinternat Hotel am Gottesauer Schloss .

GES/ Kanu-Rennsport/ Rheinbrueder Karlsruhe, Sportinternat, 19.10.2021
Frühschicht: Zweimal in der Woche geht es für die Kanuten Paul Grosser und Christoph Kramer schon um sieben Uhr morgens raus zum ersten Training. Foto: Helge Prang/GES

Zweimal in der Woche haben die Athleten Trainings-Frühschicht, für die vier Kanuten heißt das zum Beispiel: Um sieben Uhr steht der Shuttle bereit – mittlerweile mit Christoph, der im März 18. wurde, als Fahrer.

Das Wichtigste: Gut gesättigt ins Bett

Wenn, dann sitzen die sieben Bewohner mal abends zusammen, „zum, wie heißt das hier“, wendet sich Christoph fragend an Fabian Schley: „Veschper“, sagt der. „Genau, Vesper“, sagt Christoph und grinst. „Aber es nicht so, dass wir hier jeden Abend zusammensitzen“, sagt Paul, der zusammen mit Raphael ab und zu mal kocht. Nudeln, Reis, Hühnchen, je nachdem halt. „Kann man essen“, hebt Salome den verbalen Daumen.

Wichtig für die Sportlerkörper: viele Kalorien. „Wir schauen, dass wir gut gesättigt ins Bett gehen“, sagt Paul. À propos, fragt sich die Gruppe: Ist Jule-Marie Horn schon zurück?

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