20.50 Uhr, in der Nöttinger Kleiner-Arena läuft die letzte Minute der Nachspielzeit. Es gibt noch einmal Eckball. Tolga Ulusoy zieht den Ball wie immer mit viel Schnitt nach innen. Routinier Holger Fuchs schraubt sich hoch und köpft zum 1:0-Siegtreffer gegen den FSV Bissingen ins Tor.
Der FCN jubelt unter Flutlicht, klettert für zumindest eine Nacht auf Tabellenplatz drei. So oder so ähnlich hätte der Freitagabend (26. Februar) zum Rückrundenauftakt in der Fußball-Oberliga durchaus ablaufen können. Theoretisch.
Die Realität sieht anders aus. Statt Kopfbällen bolzen die Fußballer Kondition, drehen durch Wald und Wiesen ihre Runden.
Spätestens am 9. Mai müsste der Ball wieder rollen
Die Rückrunde, in die die Vereine im Fußballkreis Pforzheim an diesem Wochenende normalerweise starten würden, wird auf keinen Fall mehr ausgetragen.
Gehofft wird, dass die ausstehenden Partien der Hinserie noch irgendwie über die Bühne gehen können, damit die aktuell coronabedingt unterbrochene Saison sportlich gewertet werden kann. Spätestens am 9. Mai müsste dafür der Ball in Pflichtspielen wieder rollen, im besten Fall nach vierwöchiger Vorbereitung.
Die Saison fängt dann für alle praktisch neu an.Dietmar Blicker, Trainer ATSV Mutschelbach
Nach monatelanger Pause, glauben viele, dürfte der Auftakt, wann immer er auch erfolgen mag, eine Herausforderung werden. Weniger konditionell, wie ATSV-Mutschelbach-Trainer Dietmar Blicker sagt, sondern vielmehr in fußballspezifischer Hinsicht.
„Das wird sicher spannend“, meint der Coach des Verbandsligisten. „Aber ich denke, sie werden das runde Ding schon wieder rechtzeitig zum ersten Pflichtspiel irgendwie treffen“, ergänzt er schmunzelnd.
Sollte es doch noch einmal losgehen, ist die große Frage ja: Wie haben die Clubs die lange Pause verkraftet? „Die Saison fängt dann für alle praktisch neu an“, sagt Blicker, der mit dem ATSV sechs Punkte hinter Spitzenreiter SV Spielberg (acht Spiele, achte Siege) rangiert.
Sieben Partien blieben Mutschelbach, den Rückstand wettzumachen. Konditionell sähe Blicker sein Team dafür gerüstet. Nicht nur beim ATSV erhalten die Spieler Trainingspläne, insbesondere für den Ausdauerbereich. Das Motto vieler gibt Blicker vor: „Wir versuchen, die Jungs auf einem vernünftigen ‘Standby-Level’ zu halten.“
Würde ein Neuanfang im Sommer mehr Sinn machen?
Übungseinheiten per Video standen beim derzeitigen Tabellenneunten der Fußball-Landesliga, FC Nöttingen II, zu Beginn der unfreiwilligen Pause auf dem Programm. „Inzwischen trainieren die Jungs für sich, gehen laufen oder Radfahren. Wir haben das in ihre Verantwortung gelegt.
Es gibt derzeit ja keinen Tag X, auf den man hinarbeiten kann. Sollte es wieder ein konkretes Ziel geben, werden wir die Inhalte und das Pensum sicherlich wieder verändern“, sagt Lukas Hecht-Zirpel.
Kontakt hält der junge Trainer der Nöttinger Reserve zu seinen Spielern per WhatsApp, regelmäßig wird telefoniert. „Es stehen ja auch Gespräche bezüglich der neuen Runde an“, betont der 29-Jährige. Groß verändert hat sich der Kader zuletzt nicht, lediglich Niklas Schneider hat sich dem A2-Spitzenreiter TuS Ellmendingen angeschlossen.
Ob in diesem Frühjahr wirklich noch einmal gekickt wird – Lukas Hecht-Zirpel vermag es nur schwer einzuschätzen. „Wir können es ohnehin nicht beeinflussen. Vielleicht macht ein Neuanfang im Sommer sogar mehr Sinn, als sich irgendwie durchzumogeln. Aber ich bin froh, dass ich das nicht entscheiden muss.“
Fußballer halten sich mit Workouts und Joggen fit
Beim Liga-Konkurrenten TuS Bilfingen ist der Videobetrieb vorerst ebenfalls ausgeschaltet. „Das wird den Spielern überlassen“, sagt der Sportliche Leiter Steffen Domes. Ob wirklich alle Akteure fleißig laufen gehen oder sich der eine oder andere vielleicht hängen lässt?
„Das weiß man natürlich nie so genau, aber die Spieler machen das ja in erster Linie auch für sich“, so Domes, der bei einer möglichen Wiederaufnahme auf die Dienste von Angreifer Lars Kuhn verzichten muss. Ihn zog es zum Verbandsligisten SV Langensteinbach.
Das Ballgefühl mag bei manchen Kickern vielleicht ein wenig eingerostet sein. Barkin Saytas hofft, dass er wenigstens seinen Torriecher nicht verloren hat. Mit 17 Treffern hatte er bereits in der im vergangenen Jahr abgebrochenen Saison 2019/20 großen Anteil am Aufstieg seines Clubs SV Kickers Pforzheim von der A2-Klasse in die Kreisliga.
Und auch die neue Runde begann für den Offensivkünstler vielversprechend. Saytas dribbelte, traf – drei Hattricks in den ersten drei Spielen ließen aufhorchen. Derzeit führt er mit 13 Buden nach zehn Begegnungen die Torjägerliste in der Kreisliga an, der SV Kickers Pforzheim ist Tabellensechster.
„Die Teamchemie stimmt bei uns. Nach dem Aufstieg haben wir nicht gedacht, dass es so gut läuft. Vielleicht haben uns einige auch unterschätzt“, so der Kickers-Angreifer, der sich mit Home-Workouts und Joggen fit hält. Hin und wieder begleitet ihn dabei ein Mannschaftskollege.
Wir sind heiß, dass es wieder losgeht. Ein Abbruch wäre schade.Barkin Saytas, Torjäger des SV Kickers Pforzheim
Dass er trotz der Unterbrechung wieder an alte Qualitäten anknüpfen könnte, glaubt er durchaus.
„Bis zur Saison-Unterbrechung lief es für mich ganz gut, warum soll es nicht so weitergehen? Wir können nur hoffen, dass wir bald wieder spielen dürfen, nicht nur an der Playstation. Auch das Rumalbern mit den Mitspielern fehlt. Wir sind heiß, dass es wieder losgeht. Ein Abbruch wäre schade“, so Saytas. Die meisten Fußballer dürften nickend zustimmen.