In der noch frühen Freiluftsaison ist das Mittel- und Langstreckentalent Florian Zittel schon zu großer Form aufgelaufen. Gleich im ersten Rennen seines Lebens über die 3.000 Meter Hindernis überhaupt hat der 19 Jahre alte LGR-Athlet bei der Langen Laufnacht im Carl-Kaufmann-Stadion mit der Zeit von 9:02,21 Minuten die Norm für die U20-EM geknackt.
Dass er eine Woche danach auch noch die persönliche Bestzeit über die 1.500 Meter um elf Sekunden pulverisierte auf 3:55,19 Minuten, zeugt ebenfalls von einer enormen Entwicklung. Trainer Günther Scheefer glaubt, dass der nach seinen Worten „klassische Spätzünder“ sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft hat: „Ich denke, Flo kann in diesem Jahr noch schneller laufen.“ Auch eine Zeit unter neun Minuten traut Scheefer seinem Schützling zu.
Das wäre sogar die Norm für die U20-WM in Nairobi, deren Austragung wegen Corona aber arg fraglich ist. Im Gegensatz zu den kontinentalen Titelkämpfen Mitte Juli in Tallinn, für die Zittel dank der bislang schnellsten Zeit in 2021 eines Deutschen in seiner Altersklasse ein klarer Anwärter ist. Mit einem Podestplatz bei der DM in Koblenz in drei Wochen hätte Zittel sein Ticket nach Estland sicher.
Vor dem Training steht Athlet Florian Zittel acht Stunden in der Werkstatt
Dass der drahtige Teenager seit einem Jahr als Azubi zum Kfz-Mechatroniker täglich acht Stunden in der Werkstatt steht, rückt seine Leistungen ebenso in ein noch helleres Licht wie ein folgenreicher Sturz im vergangenen Jahr. Als unerfahrener Newcomer startete Zittel bei der U20-DM in Heilbronn über die 2.000 Meter Hindernis, er blieb am letzten Wassergraben mit dem Fuß hängen, kam zu Fall, rappelte sich auf und gewann noch die Silbermedaille.
Aber die schwere Hüftprellung und die schmerzhaften Abschürfungen hinterließen auch psychische Wunden. Acht Monate lang mied Zittel die Hindernisse, ehe er sich Anfang Mai doch von einem Start überzeugen ließ. Sich der Herausforderung gestellt zu haben, sollte sich lohnen.
Über Hürden zu rennen, liegt mir im Blut.Florian Zittel, LGR-Lauftalent
Zittel sei ein begabter Hindernisläufer, sagt Scheefer: „Er kann mit Rhythmuswechseln gut umgehen, hat eine große Ausdauer und ist auch schnell auf der Mittelstrecke.“ Der Nachwuchsmann sagt selbst: „Ich kann gut variieren, kann mit jedem Bein die Hindernisse nehmen. Über Hürden zu rennen, liegt mir im Blut.“
Scheinbar mehr, als mit dem Ball umzugehen, wie er es bis zur C-Jugend mit begrenzter Begeisterung beim ASV Durlach und der Spvgg Durlach-Aue versucht hatte. Der Sohn des Fußball- und Gymnasiallehrers Günter Zittel liebt mehr das Laufen und Springen als das Kicken.
Lauftalent Florian Zittel wurde in Kampala geboren
Sein Vater war lange Jahre im Auftrag des Auswärtigen Amts und des DFB als Fußball-Entwicklungshelfer im Einsatz. Während seiner Mission in Uganda lernte Dieter Zittel seine spätere Frau Christine kennen, eine ehemalige Läuferin. 2002 wurde Florian in Kampala geboren, seine Schwester Anna zwei Jahre später. Über mehrere Stationen landete die Familie in Karlsruhe - und die Kinder bei der Leichtathletik.
Florian Zittel beschreibt sich als „abenteuerlustig, meistens fröhlich und emotional.“ Er gibt zu, dass Trainingsfleiß und Disziplin bis vor zwei Jahren nicht zu seinen Stärken gehört hätten. Das habe sich geändert. Er sei nun „zielstrebig, wenn ich weiß, was ich will. Dann setze ich alles dran, dass ich es erreiche.“
Als da wären: In diesem Jahr die Teilnahme an der U20-EM; nach dem Ende seiner Lehre 2023 ein langer Aufenthalt im ihn faszinierenden Uganda, wo er in der Heimat seines Vorbilds Joshua Cheptegei, dem Weltmeister und Weltrekordler, „noch mehr Gas geben möchte“; und, ja, irgendwann Olympia.