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Prozess in München

Mark S. will Doping-Kühlschränke für Corona-Kampf freigeben

Der Arzt Mark S. hat sich im Doping-Prozess in München erneut erklärt. Dabei machte er einen unerwarteten Vorschlag zur Hilfe im Kampf gegen das Coronavirus. Und er erhob schwere Vorwürfe gegen das Gefängnis, in dem er seit Anfang 2019 in U-Haft sitzt.

Muss sich in München vor Gericht verantworten: Mediziner Mark S. (M).
Muss sich in München vor Gericht verantworten: Mediziner Mark S. (M). Foto: Peter Kneffel/dpa

Im Münchner Doping-Prozess hat der Hauptangeklagte Mark S. eine zweite Erklärung abgegeben und mit einem Recycling-Vorschlag für altes Equipment für Aufsehen gesorgt.

Der Arzt will zwei seiner früheren Spezialkühlschränke im Kampf gegen Corona einsetzen. Die Geräte, die bei einer Razzia Anfang 2019 in Erfurt sichergestellt worden waren, könnten sich zur Lagerung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus eignen, meinte der 42-Jährige. Mit den Gefrierschränken könnten etwa die in Deutschland geplanten Stationen zur Covid-19-Impfung ausgestattet werden, sagte er.

Der Mediziner, der jahrelanges Blutdoping an Rad- und Wintersportlern praktiziert und organisiert hatte, habe von Engpässen gehört im Hinblick auf die Kühlmöglichkeiten eines künftigen Vakzins gegen das Coronavirus. Da wolle er helfen. Die zwei Kühlschränke, die auf mehr als minus 70 Grad hinunterkühlen können und in denen er vor der Enttarnung des Doping-Netzwerkes Sportlerblut in Beuteln gelagert hatte, würde er gerne freigeben, sagte er. Die Kühlschränke stehen wie andere Maschinen - etwa Blutaufbereitungszentrifugen - seit der Razzia vor mehr als eineinhalb Jahren in einer Asservatenkammer.

Der Arzt rechnete vor, dass pro Kühlschrank womöglich zwischen 7500 und 10.500 Proben eines Vakzins gelagert werden könnten. Er wünscht sich, dass die Gefrierschränke, die einen Stromverbrauch eines Einfamilienhauses haben, in seiner Heimat Thüringen zum Einsatz kommen. Die Vorsitzende Richterin Marion Tischler sagte, dass sie sich bemühen werden, dass die Kühlschränke freigegeben werden. Auch Oberstaatsanwalt Kai Gräber hatte nichts dagegen. „Ich will den Heldenmut nicht schmälern, aber Sie hätten die Geräte eh nicht mehr bekommen“, kommentierte Gräber den Vorschlag des Hauptangeklagten.

Zu einem anderen Teil der Aussage wollte sich der Staatsanwalt zunächst nicht äußern. Dabei geht es nämlich um massive Vorwürfe gegen die Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München, in der Mark S. seit seiner Verhaftung am 27. Februar 2019 in Untersuchungshaft sitzt und in der er schlimme hygienische Zustände anprangert.

Beispielsweise sei er zu Beginn seiner Haftzeit sechs Wochen in einer Sechs-Mann-Zelle auf der Krankenstation eingesperrt gewesen, seiner Meinung nach grundlos. Dabei habe er erlebt, wie sich ein an Hepatitis C erkrankter Mann die Unterarme aufschlitzte und diesem erst nach mehr als einer halben Stunde geholfen wurde. Er selbst habe danach mit Handtüchern und kaltem Wasser die Blutlachen aufgewischt, weil ihm kein Putzmittel oder Desinfektionszeug zugestanden wurde.

Ein anderes Mal sei ein Mann in eine Zelle gebracht worden, der „ein komplettes Wrack“ gewesen sei. „Der Mann konnte nicht stehen, war inkontinent, (...) lag manchmal acht bis zehn Stunden in den vollen Windeln, dass die Exkremente schon rausquollen“, sagte der Arzt. „Ich wusste nicht, wo ich gelandet bin“, las er vor. „Es war für mich unfassbar, dass so etwas in Deutschland möglich ist.“

Das „prägendste Erlebnis“ sei der erste Besuch seines kleinen Sohnes gewesen, erzählte der Arzt. Statt in einem sogenannten Spielzimmer musste er seinen Jungen in einem kahlen Raum empfangen, „das war für meinen Sohn nach 20 Minuten nicht mehr zum Aushalten“. Der Besuch habe „der Seele meines Sohnes eine noch tiefere Narbe versetzt.“

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