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Therapeutin Julia-Teresa Lumpp

Hochsensible Hohenwettersbacherin hilft Eltern empfindsamer Kinder und Jugendlicher

Die 33-jährige Julia-Teresa Lumpp aus Hohenwettersbach weiß seit 2014, dass sie hochsensibel ist – wie etwa 15 bis 20 Prozent aller Menschen. „Hochsensibilität ist eine Besonderheit und eine Gabe, keine Krankheit“, betont sie. Doch was ist das eigentlich?

Kurz vor ihrer Hochzeit hat Julia-Teresa Lumpp alles abgesagt, weil sie gemerkt hat, dass das nicht das Leben ist, das sie leben möchte.
Kurz vor ihrer Hochzeit hat Julia-Teresa Lumpp alles abgesagt, weil sie gemerkt hat, dass das nicht das Leben ist, das sie leben möchte. Foto: Hora

Hochsensiblen wird nachgesagt, dass sie stärker auf Reize reagieren als andere. Sie denken länger über ihr Handeln nach, sind feinfühliger, nehmen Gefühle anderer stark wahr und reagieren emotionaler auf verschiedene Situationen. Auch der Geruchssinn oder Geschmacksnerv sind meist stärker ausgeprägt.

Besonderheit als Stärke nehmen

Die Sozialpädagogin und Therapeutin Julia-Teresa Lumpp hilft mittlerweile Kindern, Jugendlichen und Eltern, die Hochsensibilität anzunehmen und als persönliche Stärke zu leben. Sie möchte Kindern ersparen, was sie erlebt hat und gegen das Unverständnis der Mitmenschen ankämpfen.

Kampf gegen Vorurteile

In der Kindheit hatte sich die 33-Jährige sehr zurückgezogen und wollte andere nie verletzen. Als besonders empfindsamer Mensch hatte sie mit den gängigen Vorurteilen zu kämpfen – dass Hochsensible nur heulen würden, zu sensibel seien und nicht in das System passen würden. Heute habe Lumpp ihr „Heulsusen-Image“ abgelegt. Sie sage offen, was sie denkt.

Da kein Testverfahren für Hochsensible existiert, helfen eine Reihe von Fragen. Mit Tests im Internet können erste Anhaltspunkte gefunden werden. Dann werde geschaut, ob es sich eher um die extrovertierte oder introvertierte Ausprägung handle. „Empfindliche Ohren oder Neurodermitis können ebenfalls Hinweise geben“, sagt Lumpp, die dank eines Buchs, das ihr ihre Mutter geschenkt hat, auf ihre Eigenschaft aufmerksam wurde. „Mir sind damals viele Steine abgefallen als ich gemerkt habe, dass ich gar nicht verrückt bin“, sagt sie.

Früher sah ich aus wie eine Barbie, war nicht ich selbst.
Julia-Teresa Lumpp, Sozialpädagogin und Therapeutin

Nach ihrer „Testung“ hat sie ihr komplettes Leben umgeworfen und auch ihre Hochzeit abgesagt, weil sie gemerkt hat, dass sie mit diesem Mann nicht ihr komplettes Leben verbringen möchte. Einige Freunde seien seit dieser Zeit verschwunden, ihre Fassade komplett gebröckelt. „Früher sah ich aus wie eine Barbie, war nicht ich selbst“, ergänzt Lumpp, die seither rund 15 Kilogramm zugenommen habe und heute viel glücklicher sei. Ihr Blick sei nun deutlich klarer. Sie benötige keine Brille mehr und sogar ihre Allergien seien so gut wie weg. Familie, Freunde und Kollegen würden sie inzwischen ernsthafter wahrnehmen.

Die systemische Therapeutin kritisiert die weitverbreitete Leistungsgesellschaft. „Wenn man merkt, man schafft etwas nicht, wird dies gleich kritisch gesehen“, sagt Lumpp. Sie rät Hochsensiblen deshalb zu einer 80- statt einer 100-Prozent-Stelle. In der freien Zeit hätten Hochsensible so Pausen und bewusst Zeit für sich selbst – ohne Einflüsse von außen. Diese Ruhe bringe wieder Kraft zurück.

Der Kopf muss manchmal aufhören zu reden

Es sei völlig in Ordnung, wenn Menschen emotionaler sind und mehr nachdenken. „Ich bin ein Mensch, der Gefühle hat“, weiß sie heute. Doch manchmal müsse der Kopf auch aufhören zu reden. Die eigenen Gedanken müssten unterbrochen werden. Das gelinge ihr am besten in der Natur.

Vor allem Kinder und Jugendliche würden stets von zu vielen und überfordernden Reizen umgeben sein. Sie könnten kaum noch ohne ihr Handy oder das Internet sein. Sport und Auspowern seien laut der Expertin ein idealer Ausgleich. Darüber hinaus empfehle sie private oder Montessori-Kindergärten, Privatschulen und Waldkindergärten, die den Heranwachsenden mehr Aufmerksamkeit schenken und Zeit geben würden. „Unser Regelsystem ist für Hochsensible schwierig“, sagt die 33-Jährige, die halbtags als Sozialpädagogin an einer Ettlinger Schule arbeitet.

Thema wird in den USA stärker wahrgenommen

Erst in den vergangenen Jahren spreche man über Hochsensibilität – in den USA schon mehr als in Deutschland, was auch an den Studien und Büchern der Psychologin Elaine Nancy Aron liegt. Sie schrieb 1996 das Buch „Sind Sie hochsensibel? Wie Sie ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen“. Es verkaufte sich über eine Million mal.

Auch vermutet die gebürtige Schluttenbacherin, dass Krankheiten wie ADHS oder Autismus, die oft falsch diagnostiziert würden, mehr Geld brächten. Früher sei generell alles angepasster gewesen.

Facebook-Gruppen sind eine Möglichkeit, wie sich Betroffene austauschen können. Eine Gruppe für Erwachsene gibt es in Karlsruhe bereits, die Therapeutin gründet derzeit eine weitere für Eltern und Jugendliche.

Treffen für Hochsensible im Städtischen Klinikum

Am Freitag, 21. Februar, 18 Uhr, organisiert Lumpp zudem ein Treffen im Städtischen Klinikum Karlsruhe, Haus F, bei dem Interessierte und Betroffene miteinander sprechen können. Dort und in der Beratung lernen sie, dass das Zeigen von Emotionen erlaubt ist. Eltern sollen viel mehr mit ihren Kindern über Gefühle sprechen. Neben Vorträgen geht Lumpp auch in pädagogische Einrichtungen und wirbt dort für das Thema.

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