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Hohe Hilfsbereitschaft

Hotlines und Facebook-Gruppen: In Karlsruhe entstehen Nachbarschaftshilfen zur Corona-Krise

Risikogruppen wie ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen sind zur Zeit auf besondere Hilfe angewiesen. Einige Karlsruher haben in den vergangenen Tagen daher Nachbarschafthilfen gegründet - und freuen sich über große Resonanz. Die Entstehungsgeschichten und Kontaktadressen sind hier aufgelistet.

Helferin und Betroffene: Monika Seelmann hat eine eigene Initiative zur Nachbarschaftshilfe gestartet: Im Internet, am Telefon und in Form von Flyern.
Helferin und Betroffene: Monika Seelmann hat eine eigene Initiative zur Nachbarschaftshilfe gestartet: Im Internet, am Telefon und in Form von Flyern. Foto: Jörg Donecker

Birthe Gartner nimmt nur noch zur Mittagszeit den Fahrstuhl. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit, anderen Personen zu begegnen, am geringsten“, sagt sie. In diesen Tagen verlässt sie ihre Wohnung nur, um Müll wegzubringen oder einen Spaziergang zu machen. Der ist für die 62-Jährige unerlässlich. Denn Gartner muss sich regelmäßig an der frischen Luft bewegen, um das Fortschreiten der chronischen Lungenkrankheit (COPD), an der sie leidet, zu bremsen.

Sie ist schon länger auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen – und jetzt, in der Coronavirus-Pandemie, erst recht. „Ich gehöre zur Hochrisikogruppe, da geht jetzt gar nichts mehr.“ Die Nachbarn, die für sie zum Beispiel einkaufen, stellen die Lebensmittel vor die Wohnungstür. Gartner ist eine von vielen Personen, für die Covid-19 lebensgefährlich werden kann.

Vernetzung über Facebook-Gruppen

Hilfe für diese Personen formiert sich an allen Ecken und Enden der Stadt. Die private Facebook-Gruppe „Nachbarschaftshilfe Karlsruhe“ hatte am Montagabend fast 2.000 Mitglieder, am Dienstagabend schon mehr als 2.300. In dieser Gruppe können Privatpersonen Hilfe anbieten oder um Hilfe bitten – geordnet nach Stadtteilen.

Noch überwiegen die Angebote, etwa in Durlach und Mühlburg gibt es mehr als 20 Einträge, Tendenz steigend. „Ich habe die Seite am Samstag gestartet“, sagt Martina Mettendorf. „Dann ist sie dermaßen explodiert, dass ich überlegen musste, wie man die Posts sortieren kann.“

Mittlerweile kümmern sich vier Personen als Administratoren um die Gruppe. „Ich bin von morgens um sieben bis nachts um zwei Uhr am PC“, sagt Mettendorf. Besonders freut sie sich über die zwischenmenschliche Verbundenheit, die über die Gruppe im Entstehen sei.

In dieser Gruppe wird etwas bleiben. Auch nach Corona.
Initiatorin Martina Mettendorf

„Es gibt Mütter, die allein sind und sich Sorgen machen, was passiert, wenn sie Hilfe brauchen. Generell schreiben viele, wie froh sie sind, dass es uns gibt.“ Auch deshalb, weil die Menschen sich austauschen können und sich weniger alleine fühlen. „Ich glaube, in dieser Gruppe wird etwas bleiben. Auch nach Corona.“ Dann will sie zu einem großen Treffen im Schlosspark einladen.

Hilfsbedürftige sind meist nicht im Internet unterwegs

Ebenfalls unter dem Namen „Nachbarschaftshilfe Karlsruhe“ gibt es seit Montagmorgen eine öffentliche Facebook-Community . Sie geht auf die Initiative von Isabella Bennewitz und ihrer Freunde zurück. Sie bieten für Daxlanden, Grünwinkel und Mühlburg eine Telefonnummer an, unter der sich Helfer wie Hilfesuchende melden können. „Wir haben uns letzten Freitag zusammengesetzt und überlegt, dass wir nicht nur für die eigene Oma einkaufen, sondern uns auch für andere engagieren müssen“, so Bennewitz.

Drei Stadtteile vernetzen sich: Für die Nachbarschaft in Daxlanden, Grünwinkel und Mühlburg gibt es seit Montagmorgen eine Facebook-Seite mitsamt Telefonnummer, unter der sich Hilfesuchende sowie freiwillige Mithelfer melden können.
Drei Stadtteile vernetzen sich: Für die Nachbarschaft in Daxlanden, Grünwinkel und Mühlburg gibt es seit Montagmorgen eine Facebook-Seite mitsamt Telefonnummer, unter der sich Hilfesuchende sowie freiwillige Mithelfer melden können. Foto: privat

Neben Facebook gibt es auch einen Instagram-Account, zusätzlich wollen sie Plakate in den Stadtteilen aufhängen. „Soweit das in den nächsten Tagen noch möglich ist“, schränkt Bennewitz direkt wieder ein.

„Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, überlegen wir, wie wir an die Menschen herankommen, die Hilfe brauchen und nicht im Internet unterwegs sind. Der Gedanke ist, dass man die Nummer an die Oma weitergibt.“ Wie die Nachbarschaftshilfe dann im Einzelnen organisiert wird, werde man noch besprechen und der tagesaktuellen Entwicklung anpassen.

Zudem will man sich mit weiteren Privatinitiativen vernetzen. „Es macht wohl schon Sinn, wenn es eine zentrale Telefonnummer gibt, bei der eine Person die Organisation übernimmt“, sagt Bennewitz.

KIT-Studenten etablieren Hotline für ganz Karlsruhe

Lars Eckmann und Rafael Schreiber haben eine zentrale Hotline etabliert . „Wir studieren Wirtschaftsingenieurwesen am KIT. Wir suchen also immer nach optimierten Lösungen“, erklärt Schreiber. Im Moment warte man noch auf die Freischaltung der Hotline. „Unser Ziel ist jetzt vor allem, den Leuten von uns zu erzählen.“ In diesen Zeiten gehe es nur „gemeinsam, und nicht alleine.“

Die Studenten Lars Eckmann (rechts) und Rafael Schreiber haben die Idee einer Hotline, über die Hilfesuchende und Helfer vernetzt werden können.
Die Studenten Lars Eckmann (rechts) und Rafael Schreiber haben die Idee einer Hotline, über die Hilfesuchende und Helfer vernetzt werden können. Foto: privat

Gespräche gegen die Angst

Einsamkeit und Ängste bekämpfen helfen will Monika Seelmann. Sie ist über 70 Jahre alt und leidet an einer chronischen Herzerkrankung. Trotzdem will sie helfen, so gut sie kann. Sie hat die Facebook-Gruppe „Corona Karlsruhe – ein Herz für Nachbarn“ gegründet. Sie soll zum Austausch zwischen Helfern und Hilfesuchenden, aber zu Informationen zu aktuellen Entwicklungen in der Coronakrise dienen.

„Seriöse Informationen sind im Moment unglaublich wichtig“, so Seelmann. Zudem hat sie eine Ausbildung als ehrenamtliche Seelsorgerin. „Wir werden bald in die Situation kommen, dass Panikattacken zunehmen“, sagt sie.

Sie stehe für nachbarschaftliche Gespräche persönlich zur Verfügung, wenn sich jemand einsam fühle oder Angst habe. Allerdings könne sie keine medizinische Beratung anbieten. „Es geht jetzt um Nächstenliebe“, sagt Seelmann. „Sie resultiert aus der Sinnfrage – wie es Albert Camus in ,Die Pest‘ beschreibt.“

Schnelle Rückmeldungen aus Bürgervereinen

Das Werk des französischen Schriftstellers und Philosophen Camus führt derzeit die Bestsellerlisten im Buchhandel an. Auch Helmut Rempp von der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Bürgervereine lässt sich von dem Werk inspirieren. „Die Ratten kommen irgendwann wieder und bringen die nächste Seuche“, zitiert er sinngemäß den letzten Absatz des Buches.

„Doch Camus sagt auch: In der Krise werden eher die positiven als die negativen Eigenschaften des Menschen hervortreten, und das gibt uns Hoffnung.“ Am Montagabend schrieb Rempp eine E-Mail an alle 25 Bürgervereine, schon in der Nacht hatten zwölf geantwortet.

„So schnelle Rückmeldungen habe ich bisher noch nie bekommen“, sagt er und freut sich. In den Stadtteilen steht man in Kontakt mit Kirchen und Pflegedienstleistern. Viele verwiesen auf die Internetplattform nebenan.de. „Aber man muss auch darauf achten, die zu erreichen, die nicht im Internet sind“, sagt Rempp.

Hilfsbereitschaft wie zu Zeiten der Flüchtlingskrise

Online und offline wirbt auch Catherine Devaux von Amnesty International Karlsruhe für Vernetzung. „Ich bin sehr angetan davon, wie viel im Moment entsteht“, sagt sie. „Das ist wie zu Zeiten der Flüchtlingskrise.“ Privat hat sie in der eigenen Nachbarschaft schon Zettel aufgehängt mit dem Hinweis, dass sie für Hilfe zur Verfügung steht.

Service

Die beiden Bürgervereine in Beiertheim und Bulach bieten Hilfe unter anderem mit der Initiative „Gut leben und älter werden“ gemeinsam mit den Kirchen an. Kontakt unter bv-bulach.org sowie beiertheim.de

In Daxlanden sind einige Privatpersonen und der SPD-Ortsverband aktiv. Kontakt zum BV unter (0721) 57 20 08 und buergerverein-daxlanden.de





Die Bürgergemeinschaft Durlach und Aue plant eine organisierte Nachbarschaftshilfe für die beiden Stadtteile. Details werden noch veröffentlicht. Kontakt: (07 21) 60 95 55 77 oder (01 72) 7 95 06 61 sowie unter buegda.de

Der BV Grünwinkel will zur Organisation der Nachbarschaftshilfe vor allem das Portal nebenan.de nutzen. Über die Vernetzung zu (vor allem älteren) Personen ohne Zugang zum Internet wird noch beraten. Kontakt: (07 21) 57 91 19 und unter bv-gruenwinkel.de





Derzeit entsteht in Knielingen eine „schnelle Eingreiftruppe“: Junge Menschen, die von der Arbeit freigestellt sind oder im Homeoffice arbeiten, können bei Bedarf im Stadtteil aktiv werden. Kontakt unter knielingen.de sowie (07 21) 56 25 73





Beim Montagstreff der Oststadtnachbarschaft wurde gegenseitige Hilfe angeboten. Kontakt: bv-oststadt.de

In Rintheim wird gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde und weiteren Organisationen eine stadtteilbezogene Initiative organisiert. Kontakt unter rintheim-bv.de und (0721) 6 23 88 27





In der Waldstadt bietet der aktuell geschlossene Mitmachladen am Schaufenster eine analoge Plattform für Hilfsgesuche und -angebote. Die evangelischen Gemeinden in der Waldstadt und in Hagsfeld organisieren eine Nachbarschaftshilfe bei Einkäufen und Besorgungsgängen. Hilfesuchende können sich telefonisch unter (07 21) 9 67 37 11 (Waldstadt) und (07 21) 68 11 00 (Hagsfeld) melden. Kontakt zum Bürgerverein unter (07 21) 9 68 62 90 und bv-waldstadt.de



Telefon-Kontakte für die private Nachbarschaftshilfe Die private Nachbarschaftshilfe für Daxlanden, Grünwinkel und Mühlburg ist derzeit unter der Telefonnummer (0 15 20) 4 51 68 31 erreichbar.

Monika Seelmann kann – für nachbarschaftliche Gespräche – unter der Telefonnummer (01 72) 7 39 03 02 kontaktiert werden.



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