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Web 3.0.

Treffpunkt Metaverse: Was steckt hinter der Vision vom „begehbaren“ Internet?

Der Aufbau der virtuellen Parallelwelt, in der wir uns mit Avataren bewegen können, hat begonnen – noch sind viele Fragen rund um das Metaverse nicht geklärt: Wie werden wir darin leben und arbeiten?

Ist das unsere Arbeitswelt von übermorgen? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will „eine virtuelle Umgebung schaffen, in der man mit Menschen in digitalen Räumen zusammen sein kann“. Und er ist nicht mehr der Einzige.
Ist das unsere Arbeitswelt von übermorgen? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will „eine virtuelle Umgebung schaffen, in der man mit Menschen in digitalen Räumen zusammen sein kann“. Und er ist nicht mehr der Einzige. Foto: dpa/Facebook

Kann es ein Land ohne Land geben? Ja, sagt die Regierung von Tuvalu – und bereitet einen Umzug in eine Parallelwelt vor. Die von 12.000 Menschen bewohnte Inselgruppe im Pazifik ist durch den Klimawandel bedroht.

Schon heute verschwindet jedes Jahr im Winter ein Teil davon unter Wasser. Laut einer Prognose soll bis zum Ende des Jahrhunderts der steigende Ozeanpegel das kleine Tuvalu verschlingen.

Darum baut sich die Inselnation eine neue Heimat auf. „Unser Land und unsere Kultur sind die wertvollsten Güter. Unabhängig davon, was in der physischen Welt passiert, ziehen wir sie in die Cloud um“, kündigte im November der Außenminister von Tuvalu in einer Videoansprache an. Simon Kofe schien im Video auf einer Insel zu stehen.

Doch als die Kamera heraus zoomte, sah man, dass er sich auf einem virtuellen Strand mit Palmen befand, den ein schwarzes Nichts umgab. Der echte Minister sprach aus dem virtuellen Metaverse.

Botschaft und Behörde im virtuellen Raum

Tuvalu will der erste digitale Staat sein. Die erste Stadt mit einer Präsenz in der vierten Dimension ist Seoul: Die südkoreanische Metropole zeigte im September einige virtuelle Räume, die ihre Verwaltung im Metaverse bezogen hat. Die Karibik-Insel Barbados hat bereits die erste „Meta Botschaft“ der Welt eröffnet.

Aber was ist überhaupt das Metaverse? Es ist ein Paradox, dass der Begriff, der bei Google aktuell 199 Millionen Suchtreffer generiert, sich kaum klar definieren lässt. Er geht auf einen 30 Jahre alten SciFi-Roman „Snow Crash“ des US-Autors Neal Stephenson zurück.

Das Buch ist eigentlich ein satirisches Cyberpunk-Abenteuer, das in einer Computerdimension der Zukunft spielt. Die Menschen agieren dort als künstliche Figuren (Avatare).

Parallele Welt soll die reale Welt ergänzen

Das heute entstehende Metaverse soll im Grunde eine digitale Realität aus verschiedenen virtuellen Welten sein, in denen die Nutzer miteinander interagieren werden. Diese computergenerierten Räume, Orte, Landschaften und Gegenstände werden voraussichtlich immersiv sein, also von den Besuchern als überaus real empfunden werden.

Ein weiteres Meta-Merkmal ist der „direkte Draht“ zur physischen Welt: Die virtuelle Dimension soll sie erweitern und sich nahtlos in unseren beruflichen und privaten Alltag einfügen. Das unterscheidet sie von den isolierten Welten der Computerspiele.

Das Metaverse steckt noch in den Kinderschuhen. Selbst Experten können nicht genau sagen, wie es sich entwickeln wird. Doch die schöne neue Parallelwelt ist interessant für die Wirtschaft, die dort viel Geld investiert und sich davon eine goldene Zukunft verspricht.

Den Startschuss für das globale Meta-Rennen gab im September 2021 Mark Zuckerberg, der Facebook in Meta umbenannt hat. Der 38-Jährige soll im Metaverse mehrere Milliarden Euro verloren haben. Doch das schreckt nicht namhafte Unternehmen wie Google, Microsoft, Nike und Nvidia ab, die ins Rennen eingestiegen sind.

Start-up aus Karlsruhe digitalisiert die Welt

Das Karlsruher Start-up Mapstar zählt sich stolz zu den Pionieren des Metaverse. Die 2019 gegründete Firma mit 46 Mitarbeitern bietet eine Augmented-Reality-App an, mit deren Hilfe man ganze Räume detailgenau in 3D erfassen, editieren und mit anderen Menschen teilen kann. Die so entstandene virtuelle Umgebung ist später auf Smartphones und Tablets gemeinsam begehbar und nutzbar – mit oder ohne spezielle Brillen. Ein ähnliches Prinzip nutzt auch der Staat Tuvalu, der seine Inseln mithilfe von Drohnen digitalisiert.

„Wir wollen die reale Welt mit der digitalen Welt verschmelzen“, sagt Firmengründer Shora Shirzad, dem skeptische Nachfragen, wozu das alles gut sei, sehr bewusst sind. „Auch über das Internet hat man früher gesagt: Das geht nicht, das braucht keiner.“

Der Karlsruher glaubt, dass die Menschen schon bald das Metaverse dazu nutzen werden, um ihre Horizonte zu erweitern. „Stellen Sie sich vor, Sie halten auf dem Stuttgarter Schlossplatz das Handy hoch und finden sich im Schloss des 17. Jahrhunderts wieder: Solche digitalen Zeitreisen werden möglich sein.“

Digitale Zeitreisen werden möglich sein.
Shora Shirzad, CEO von Mapstar

Fachleute geraten heute schnell ins Schwärmen, wenn sie von den Möglichkeiten der Meta-Welt sprechen. Da ist die Rede von einer neuartigen Urlaubsplanung, wenn man beispielsweise im Wohnzimmer sitzend das Hotel im Metaverse besucht, das man vielleicht buchen möchte: Ist es dort wirklich schön?

Reiseveranstalter arbeiten daran, ihre Kunden auf virtuelle (aber realitätsnahe) Touren im Metaverse schicken zu können. Eines Tages nach Rom „reisen“ und dort Gladiatorenkämpfe erleben: Das klingt nicht mehr wie pure Science Ficion.

Manche Firmen möchten in Zukunft ihre Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern in eigenen virtuellen Räumen im Metaverse bei gemeinsamen Schulungen zusammenführen. Das „begehbare Internet“ könnte eines Tages auch Messebesuche ersetzen: Wenn sich zum Beispiel ein Kunde aus Japan für einen neuen Traktor eines EU-Herstellers interessiert, wird er sich vielleicht den Flug nach Europa sparen und die Maschine virtuell erkunden können.

Skepsis in Deutschland

Ein Forschungszentrum des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe ist vor kurzem der Frage nachgegangen, welches wirtschaftliche Potenzial im Metaverse stecken könnte.

Die Wissenschaftler haben dazu 1.600 Menschen in den USA, China und Deutschland repräsentativ befragt. Demnach sind die Bundesbürger skeptisch: Sie würden im Schnitt nur 42 Euro im Monat für Reisen, Events und Shopping in der neuen Dimension ausgeben. US-Bürger wären demnach mit 124 Euro monatlich dabei, sie haben eher Interesse an virtuellen Spielen und Bildung.

Besonders groß scheint das Interesse in China zu sein: Die Menschen dort würden 304 Euro im Monat bezahlen. Entsprechend sieht die Studie den chinesischen Markt mit einem jährlichen Potenzial von 4,85 Billionen Euro weit vor dem amerikanischen (394 Milliarden Euro) und dem deutschen Markt, der nur 33 Milliarden Euro ausmacht.

Doch etwa 20 Fraunhofer-Institute in Deutschland arbeiten bereits an unterschiedlichen Meta-Technologien. Für die Forscher ist es nicht eine Frage des ob, sondern wann das Metaverse kommt.

Es ist klar, dass das Metaverse kein rechtsfreier Raum sein darf.
Marion Weissenberger-Eibl, Innovationsforscherin am KIT

Allerdings sind noch wichtige Fragen rund um das digitale Paralleluniversum nicht geklärt. Werden wir alle darin ständige digitale Identitäten haben? Wie kann man digitale Besitzrechte sichern? Und wer verfolgt Verbrechen in der Meta-Dimension?

„Es ist klar, dass das Metaverse kein rechtsfreier Raum sein darf. Es gibt Risiken, die wir als Gesellschaft offen diskutieren müssen“, sagt die Karlsruher Innovationsforscherin Marion Weissenberger-Eibl.

Die KIT-Professorin hatte zu ihrer jüngsten Veranstaltung aus der Reihe „Fokus. Zukunft. Unser Leben 2050“ einen ungewöhnlichen Gast eingeladen. Silvia Reischer leitet die Eigensicherung beim Bundesnachrichtendienst (BND).

Als neue „Bevollmächtigte für Zukunftsfähigkeit“ soll die Juristin zudem die Auslandsaufklärung fit für die Tätigkeit im virtuellen Raum machen. „Wir erleben eine Verrohung des Diskurses im Internet. Die notwendige Moderation von Inhalten wird im Metaverse eine viel komplexere Aufgabe sein als heute in den Sozialen Netzwerken“, sagte die Geheimdienstlerin in Karlsruhe.

Wir müssen unbedingt vor der Welle da sein.
Silvia Reischer, Bundesnachrichtendienst

Reischer warnt vor Hetze und Extremismus durch Fake-Avatare von Besitzern, die ihre Identität verschleiern. Eine andere Gefahr sei der Missbrauch von Nutzerdaten: „Die Datenmengen im Metaverse werden weit darüber hinaus gehen, was heute gesammelt wird, weil auch Gesichtsausdrücke und Gesten von virtuellen Besuchern ausgewertet werden. Die Menschen werden gläsern, und die Künstliche Intelligenz wird vielleicht unsere Gefühle vorhersagen können“, warnt die Expertin.

Laut Reischer kann der Staat seine Bürger nur dann schützen, wenn er bei der Entstehung des Metaverse einbezogen wird: „Wir müssen unbedingt vor der Welle da sein.“

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