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Hoffnung bei der Regenbogentour

Karlsruherin startet zu „Mut-mach-Radtour“ zugunsten krebskranker Kinder

Die Karlsruherin Julia Sauter kämpft sich nach einem Hirntumor zurück ins Leben und startet morgen Charity-Aktion für andere Tumorpatienten.

Frau mit Rad
Niemals aufgeben: Julia Sauter startet an diesem Samstag zur Regenbogenfahrt, einer „Mut-mach-Radtour“ zugunsten krebskranker Kinder. Foto: Jörg Donecker

Wie wir unsere Tage verbringen, so verbringen wir unser Leben. Die amerikanische Dichterin Annie Dillard hat das gesagt. Im dahinwabernden Alltag ist die Gefahr groß, seine Tage nur noch abzuhaken. An die Unwiederbringlichkeit jedes Tages, daran erinnern Dillards Worte. Jeden Tag ernstnehmen, nicht verstreichen lassen, weil es vermeintlich so viele gibt. Denn plötzlich können die Tage gezählt sein.

An die Unwiederbringlichkeit und die Kostbarkeit jedes Tages muss Julia Sauter nicht erinnert werden. Im Alter von neun Jahren stellen Ärzte bei der heute 25-Jährigen einen Hirntumor fest. Sie wird sofort im Städtischen Klinikum in Karlsruhe operiert, es kommt zu einer Hirnblutung. Sauter erleidet dadurch eine Halbseitenlähmung.

Von nun an sind Kliniken ihr „zweites Zuhause“. Kraft gab ihr ihre Mutter, die sie jeden Tag besuchte und dafür ihren Bruder allein lassen musste. Und die Vorstellung vom „alten Leben“ – „wieder mit meinen Freundinnen jeden Tag spielen können“, sagt Sauter.

Karlsruherin hat das Beste aus den Krankenhausaufenthalten gezogen

Sauter setzte dem Schicksalsschlag Lebensfreude entgegen: „Ich habe immer versucht, das Beste aus den Aufenthalten im Krankenhaus zu machen: ein gutes Gespräch suchen, mit dem Arzt einen Witz machen oder mich besonders mutig zeigen und Wunden ohne Betäubung nähen lassen. Auch heute sage ich noch: Ich liebe Spritzen und Blutabnahmen, leider bekomme ich so selten welche.“

Julia Sauter spricht liebevoll von den Menschen in der Klinik. Von einem Chefarzt, der immer im gleichen „ungünstigen Moment“ Visite bei ihr machte. Von anderen Ärztinnen, die Sauter dafür lobten, dass sie so viel trinke – „so viel schaffen wir nicht einmal ansatzweise“, hätten diese immer gesagt. Und von Krankenschwestern, die „auch Rollstuhlrennen oder Rollstuhlfangen und Filmabende mit anderen Patienten“ zugelassen hätten.

Sauter hat sich ins Leben zurückgekämpft. Inzwischen ist sie Erzieherin. Die Arbeit bedeutet ihr viel. Sie sieht sich als „Möglichkeitengeberin“ für die Kinder, die „wie kleine Feuer sind, die entfacht werden wollen.“ Zudem engagiert sich die 25-Jährige ehrenamtlich bei der „Nummer gegen Kummer“ des Kinderschutzbundes.

Leben ohne Fahrrad ist für Sauter unvorstellbar

Kinder und Bewegung – für Sauter wichtige Bestandteile eines wertvollen Lebens. Die „Regenbogentour“ führt beides zusammen. Vor einigen Jahren entdeckte sie die Tour im Internet. Eine „Mut-mach-Radtour“ durch deutsche Städte und Kinderkliniken zugunsten krebskranker Kinder. Die Menschen, die in Regenbogentrikots mitfahren, haben selbst eine Krebserkrankung überlebt.

1993 ging es los. 2014 stoppte die Tour in der Kinderklinik des Städtischen Klinikums. Dieses Jahr beginnt die Fahrt an diesem Samstag in Koblenz und endet, nach dem Besuch von 13 Kliniken, am 20. August in Münster.

Die Idee von der Regenbogentour ließ Julia Sauter nicht mehr los. „Ich dachte mir: Wow, das ist ja ein tolles Projekt, es wäre genial, wenn ich da mitfahren könnte“, erzählt die junge Frau.

Ein Leben ohne Führerschein, damit konnte Sauter sich arrangieren, aber nicht mit einem Leben ohne Fahrrad: „Nachdem ich wieder laufen und einige andere Bewegungen machen konnte, war es mein Ziel, wieder Rad fahren zu können. Deshalb habe ich es jedes Jahr probiert, in Rehas, mit meinen Eltern, in der Physiotherapie. Vor drei Jahren ging mein Traum in Erfüllung.“

Das Gefühl der Freiheit, wenn man eine Brücke oder einen Berg runterfährt – wunderbar.
Julia Sauter, hat sich zurück ins Leben gekämpft

Insgesamt hat Sauters Weg zurück aufs Rad über zwölf Jahre gedauert. Nun nimmt sie an der Regenbogentour teil. Sie trainiert täglich, fährt mindestens zehn Kilometer Rad. Kürzlich ist sie zum ersten Mal den Turmberg hochgeradelt.

Am Wochenende kommt sie in Gesellschaft auch schon mal auf bis zu 100 Kilometer. Ein weiteres Ziel hat sie schon vor Augen: Dabei sein, wenn die Regenbogentour wie 2014 zum Städtischen Klinikum, nach Heidelberg und in den Schwarzwald führt – „meine Traumtour“, wie sie sagt.

Sauter fährt aufgrund ihrer Geschichte etwas anders Fahrrad. Sie muss insbesondere mehr den Kopf drehen an Kreuzungen, da ihr das räumliche Sehen fehlt. Das trübt Sauters Freude am Radeln aber nicht: „Das Gefühl der Freiheit, wenn man eine Brücke oder einen Berg runterfährt – wunderbar. Ich bin voller Dankbarkeit, dass ich Fahrrad fahren kann. Jeden Tag, egal ob bei Schnee, Sturm oder Regen, fahre ich mit dem Rad zur Arbeit. Nur an zehn Tagen in den letzten drei Jahren habe ich das nicht geschafft“ – weil ihr Rad nicht mehr konnte.

Niemals aufgeben – danach lebe sie. „Ein gutes Leben ist für mich ein aktives Leben“, sagt Julia Sauter. Sie wird in Bewegung bleiben, jeden Tag. Ihr Leben auch.

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