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Angler und Stadt streiten über Lösung

Sand erstickt das Leben am Grund der Alb in Karlsruhe

Die Alb in Karlsruhe versandet, die ökologischen Folgen sind massiv. Die Angler fordern, den Kies im Bachbett wieder freizulegen. Also ausbaggern? Auf Initiative der FDP landet das Streitthema jetzt im Gemeinderat.

20.06.2023 Mario Lehmann vom Anglerverein Karlsruhe prüft in der Alb in der Günther-Klotz-Anlage die Qualität der Bachsohle.
Mario Lehmann vom Anglerverein Karlsruhe prüft in der Alb in der Günther-Klotz-Anlage die Qualität der Bachsohle. Foto: Rake Hora

Leichte Strömung kräuselt die Wasseroberfläche. Die Alb glitzert in der Morgensonne zwischen dem Ruderbootsee in der Günther-Klotz-Anlage und dem schattigen Radweg am südseitigen Ufer. 

Vom Wegrand aus tasten sich Mario Lehmann und Jürgen Oeder vom Anglerverein Karlsruhe vorsichtig zwischen Brennesseln abwärts. Lehmann geht weiter bis in die Mitte des Flüsschens. 

Die Alb in Karlsruhe: Bedrohtes Leben unter Wasser

Der erfahrene Angler bückt sich und greift einen handtellergroßen Stein vom Boden. „Wenn wir die Alb kontrollieren“, erklärt Oeder am Ufer, „drehen wir erstmal ein paar Steine um.“ Denn was da lebt und anhaftet, verrät den Gewässerkundigen viel.

Wo das Wasser lebhaft rauscht, findet sich vielleicht der „Steinklammerer“ oder eine andere der mehr als 100 in Mitteleuropa verbreiteten Eintagsfliegenarten.

Auch Köcherfliegenlarven halten sich dort verborgen. Unter anderem als Nahrung für Fische spielen sie eine wichtige Rolle unter Wasser.

Was die meisten Spaziergänger, Hundebesitzer und Radfahrer nicht ahnen, weil man es von oben kaum sehen kann: Weder morgens um acht noch in der Nacht ist die Welt in der Alb ökologisch in Ordnung.

Wenn sich die Lücken im Kies zusetzen, stirbt alles, was darin lebt.
Jürgen Oeder, Angler und Alb-Kenner

Sein ganzes Leben hat Oeder, inzwischen 70 Jahre alt, mit und an der Alb in Karlsruhe verbracht. „Von Natur aus besteht die Bachsohle der Alb aus Kies“, erklärt der Routinier. „Wenn sich die Lücken im Kies zusetzen, stirbt alles, was darin lebt.“ 

Deshalb suchen die Aktiven des Anglervereins Karlsruhe Wege, die Unterwasserwelt von Sedimenten zu befreien. Interessanterweise ist nicht nur brackiger, organischer Schlamm ein Problem, sondern auch feiner, sauberer Sand. Warum ist das so?

Oeder, der sich im Anglerverein Karlsruhe (AVK) intensiv für den Zustand des großen Fließgewässers engagiert, erklärt es. „In die Hohlräume zwischen den Kieselsteinen“, sagt er, „legen viele Fischarten ihre Eier.“ 

Die inzwischen akut vom Aussterben bedrohte Äsche zum Beispiel vermehrt sich so. 

Normalerweise umspült sauerstoffreiches Wasser die Eier, bis die Fische schlüpfen. Doch seit 20 Jahren verstopfe immer mehr Sand aus dem oberen Albtal das Lückensystem im Kies. 

Angler sehen viele Alb-Abschnitte als „ökologische Wüste“

Inzwischen bedecke Sand in großen Bereichen den Gewässergrund „wie ein Leichentuch“, kritisiert Oeder. „Das macht die Alb zu einer ökologischen Wüste.“ 

Nur wo das Wasser schnell genug fließe, setze sich kein Sand ab, etwa am Entenfang. Diese Abschnitte seien „Oasen des Lebens“.

Laut Oeder können sich inzwischen im Kies laichende Fische in der Alb kaum noch vermehren. Junge Äschen etwa würden bei den offiziellen Elektrobefischungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe seit einigen Jahren nicht mehr gefunden. 

Der Anglerverein Karlsruhe hat deswegen nach eigenen Angaben im Jahr 2022 freiwillig eine ganzjährige Schonzeit für Äschen beschlossen.

Spinnennetze dienen als Anzeiger

Das Problem geht aber noch über den Verlust der Äsche als heimischer Fischart hinaus. In den Lücken im und am Kies nämlich leben Insektenlarven, Flohkrebse, Schnecken, Würmer, Muscheln und Pflanzen. 

Vögel wie die Wasseramsel sind zur Aufzucht ihrer Küken auf diese Nahrung aus dem Fluss angewiesen. Oeder ist entsetzt über die aktuelle Lage. 

„Spinnennetze an Brücken verraten viel“, sagt der 69 Jahre alte, rund um die Welt aktive Karlsruher Angler und Hochseefischer. Denn Spinnen spinnen ihre klebrigen Fäden nur da, wo sie satt werden.

Morgentau hat sich in einem Spinnennetz gesammelt. Zum Start der Herbstferien in Nordrhein-Westfalen zeigt sich das Wetter am Wochenende von der schönen Seite. Es bleibt trocken und es gibt recht viel Sonne. +++ dpa-Bildfunk +++
Ein Spinnennetz verrät dem Betrachter, dass an diesem Fleck genug Insekten umherschwirren, um den Jäger satt zu machen. Foto: Federico Gambarini/dpa

„An der Alb waren früher dicht an dicht Netze gewebt“, bringt Oeder in Erinnerung. „Achten Sie mal drauf: Heute sieht man kaum noch welche.“

Stadt Karslruhe setzt auf Projekte des Tiefbauamts

Dass die Alb ein stark von Menschen veränderter Fluss ist und dies viele ökologisch negative Folgen für die Gewässersohle hat, betont auch die Stadtverwaltung. Regengüsse schwemmen ungeeignetes Material von den Straßen in den Bachlauf, Wehre und überbreite Querschnitte stoppen die Strömung.

Um die Ursachen zu reduzieren, sei das Tiefbauamt mit zahlreichen Projekten tätig. Reines Ausbaggern sei aber nicht wirtschaftlich, nicht nachhaltig und auch ökologisch nicht sinnvoll.

Sand oder Sediment auszubaggern, gibt die Stadtverwaltung zu bedenken, sei ein Eingriff in einen sensiblen Lebensraum. Außerdem könne schon ein kleines Hochwasser die positive Wirkung zunichte machen und die Poren der Sohle wieder verstopfen.

Der Anglerverein Karlsruhe will sich mit der Situation nicht zufrieden geben. Er bietet an, finanziell und mit Arbeitseinsatz von Mitgliedern zum Beispiel Kiesbänke anzulegen, die das Flussbett an geeigneten Stellen verengen. 

Die höhere Fließgeschwindigkeit soll dann, so das Konzept, den Sand wegspülen, damit die Bachsohle der Alb wieder zum artenreichen Lebensraum wird.

FDP bringt das Thema in den Gemeinderat

Die FDP greift das Ansinnen der Angler auf, in der Alb Sand auszubaggern. Darüber diskutiert der Gemeinderat am Dienstag, 27. Juni, im Bürgersaal des Rathauses. Die öffentliche Sitzung beginnt um 15.30 Uhr.

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