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Tag der Frauen in der Wissenschaft

Karlsruher Professorin will Kinder für Informatik begeistern

Am 11. Februar ist der Tag der Frauen in der Wissenschaft. Die erfolgreiche Karlsruher Informatik-Professorin Kay Margarethe Berkling will deutlich mehr Mädchen und auch Jungen für ihr Fach begeistern – dafür sucht sie Firmen in der Region als Mitstreiter.

Three Female Students With Teacher Building Robot Vehicle In After School Computer Coding Class
Frühe Begeisterung für Computer und Co: Solche Erfahrungen machen aber auch 2022 noch relativ wenige Mädchen. Geschlechter-Klischees verbauen ihnen den Weg zur Informatik. Eine Karlsruher Professorin will nun gezielt gegensteuern und Leute aus ihrer Branche mit Schülern zusammenbringen. Foto: Monkey Business/Stock Adobe

Sie ist eine Frau, sie ist Informatikerin und preisgekrönte Professorin – und damit hat Kay Margarethe Berkling in Deutschland immer noch eine Art Exoten-Status.

Wie sie zur erfolgreichen Frau in der Computerwelt wurde? Berkling ist davon überzeugt: Das hat auch damit zu tun, dass sie als Schülerin überhaupt nicht darüber nachdenken musste, ob das unpassend sein könnte.

„Ich wollte schon immer etwas bauen, was die Welt verändert“, erzählt sie. „Aber ich bin nicht in Deutschland aufgewachsen – von daher wusste ich nicht, dass ich das als Mädchen nicht durfte.“

Karlsruher Professorin wuchs in New York auf – ungebremst von Geschlechter-Klischees

Als Tochter deutscher Eltern verbrachte Berkling ihre Kindheit und Jugend in den USA, im Staat New York. Sie studierte Mathematik, Informatik und Sprachen in Syracuse. Heute lehrt und forscht sie in Karlsruhe an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Kürzlich erhielt sie den Landeslehrpreis für ihre innovativen Konzepte.

Kay Margarethe Berkling forscht und unterrichtet an der Dualen Hochschule in Karlsruhe.
Sie meidet das Wort „Männerdomäne“: Die Informatikerin Kay Margarethe Berkling forscht und unterrichtet an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Sie wurde kürzlich mit dem Landeslehrpreis ausgezeichnet. Foto: privat

Sie habe sich als Mädchen frei entwickeln können, ohne von Geschlechter-Klischees ausgebremst zu werden, sagt Berkling, die 1967 geboren wurde – und solche gedanklichen Bremsen möchte sie jetzt auch für Mädchen in Deutschland, besonders in der Technologieregion Karlsruhe lösen: Aktuell sucht sie Firmen, die ihr helfen, ein neues Förder-Netzwerk aufzubauen.

Eine „Human Library“ soll entstehen – eine menschliche Bibliothek aus Mentoren, die es Schulklassen und einzelnen Schülern ermöglichen, „in die Berufswelten der Informatik einzutauchen“.

Ich will Kinder für die Informatik begeistern.
Kay Margarethe Berkling, Informatik-Professorin in Karlsruhe

Schon jetzt können sich interessierte Kinder und Jugendliche ab der 5. Klasse melden – nicht nur Mädchen. „Wir wollen keine künstlichen Grenzen ziehen“, betont Berkling. „Ich sehe den Menschen, unabhängig vom Geschlecht. Ich will Kinder für die Informatik begeistern.“

Nur 20 Prozent der Studienanfänger sind Frauen

Die Professorin vermeidet auch den Begriff der „Männerdomäne Informatik“. Er schrecke ab. Er gebe Mädchen erst recht das Gefühl, sie gehörten da eigentlich nicht hin. Klar ist aber, dass Mädchen immer noch eine viel größere Scheu vor der Informatik haben als Jungs.

Nur 20 Prozent der jungen Informatik-Studenten an baden-württembergischen Hochschulen sind weiblich. Diese Zahl gab das Statistische Landesamt zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft an diesem 11. Februar bekannt.

Was hemmt den weiblichen Nachwuchs, abgesehen von hartnäckigen Geschlechter-Klischees? Lebendigkeit und Vielfalt der Computer-Branche würden immer noch verkannt, betont Berkling: „Ich sage meinen Studierenden immer: Das hier ist das beste Fach, das man studieren kann. Wir brauchen nichts anderes als unsere Computer, Strom, Internet und unser Gehirn mit Ideen. Fast alle Fachbereiche brauchen uns mittlerweile, sodass es nie langweilig wird.“

Informatiker müssen auch von Medizinern und Psychologen lernen

Wer denkt beim Stichwort Informatik schon an Kinder, die sich mit dem Lesen und Schreiben schwertun? Aber genau für solche Schüler hat Berkling eine spielerische Lern-App entwickelt. Dafür erhielt sie 2016 den Innovationspreis „Neo“ der Technologieregion Karlsruhe. „Phontasia – und die Zauberworte“ hieß das Projekt.

Auch mit einer Logopädin hat Berkling damals zusammengearbeitet. Medizin, Pädagogik, Sprachwissenschaft, Psychologie sind nur einige der vielen Fachbereiche, zu denen Informatiker heute Brücken schlagen. Für Berkling trägt das entscheidend zur großen Faszination ihres Berufs bei. „Wir müssen die anderen Fachbereiche auch mit verstehen lernen“, betont sie. „Unsere Anwendungen, die wir selber kreieren können, helfen anderen Menschen. Wir können mit der Tastatur quasi die Welt verändern.“

In welche Welten die Informatiker von der Tastatur aus vorstoßen – das sollen die Mentoren in Berklings neuem Netzwerk den Schülern vermitteln. Sie sollen den Mädchen und Jungen aus ihrem Berufsalltag berichten. Sie sollen zeigen, welche spannenden Aufgaben sie für die Alltagswelt lösen. Im ersten Schritt sind Online-Treffen zwischen den Erwachsenen und den Schülern geplant.

Sprachen oder Technik? Entscheidung in der Schule gilt als Problem

Die junge Karlsruher Informatikerin Jeanne Helm und die Ettlinger Informatik-Lehrerin Sabine Krüger helfen Berkling beim Aufbau der „menschlichen Bibliothek“. Dass Schüler überhaupt vor die Wahl gestellt werden, ob sie „Sprachen oder Technik“ wählen, hält Helm für ein Grundübel.

„Wir arbeiten interdisziplinär, wir verbinden Sprache und Technik“, betont die junge Frau, die 2021 ihr Studium abschloss. Auch Spielfilme, in denen einsame und verschrobene Mathe-Nerds sich in Netzwerke hacken, hält sie für schlechte Werbung. „Ich habe im Berufsalltag gar nicht so viel mit Mathe zu tun“, sagt sie. „Es ist vor allem wichtig, kreativ und innovativ zu sein und logisch zu denken.“

Robotik-Lehrerin wird oft als „Herr“ angeschrieben

Wie verändert sich der Puls eines Schülers, wenn er lernt und dabei von Lärm gestört wird? Solche Fragen lässt Informatik-Lehrerin Krüger ihre Teenager mit Hilfe von eigenen Messungen und Computeranwendungen beantworten. Es sei schon toll, „wenn man selbst kreativ sein darf“, meint Katharina, die solchen Unterricht miterlebt hat. „Leider gibt es ein großes Gefälle zwischen superengagierten Lehrern und anderen“, meint Berkling.

Sie wünscht sich systematische IT-Unterstützung für alle Schulen. Für Gymnasiallehrerin Krüger ist der Frauenmangel in der Informatik und in Technikfächern immer noch ein gesellschaftliches Problem. Ganz ohne Mathe geht es dort natürlich nicht. „Aber es gilt immer noch als cool, in Mathe schlecht zu sein“, stellt Krüger fest.

Und wie hartnäckig die Informatik den Männern zugeschrieben wird, erfährt sie regelmäßig, wenn sie Einladungsbriefe für die Robotik-AG nur mit „S. Krüger“ unterschreibt: „Ich kriege von Eltern immer wieder Schreiben, die mit ,Sehr geehrter Herr Krüger‘ beginnen.“

Kontakt zum Netzwerk

IT-Firmen und Informatiker, die Kindern aus ihrer Berufswelt berichten wollen, interessierte Schüler ab Klasse 5 sowie interessierte Lehrer können sich per Mail unter: Phoenix@dhbw-karlsruhe.de an Kay Margarethe Berkling wenden. Jeder Mentor soll nach ihren Vorstellungen einige wenige Stunden pro Jahr beisteuern. Kinder sollten selbstständig schreiben und ihr Interesse bekunden und nicht einfach von Eltern angemeldet werden. „Sonst funktioniert das nicht“, meint Berkling.

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