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Fallzahlen sind zurückgegangen

Klinik-Ärzte in Sorge: Bleiben schwerkranke Karlsruher aus Angst vor Corona daheim?

Aus Angst vor einer Corona-Ansteckung vermeiden manche schwer erkrankte Menschen offenbar den Weg ins Krankenhaus. Zu dieser Einschätzung gelangen zwei Mediziner vom Klinikum Karlsruhe. Teils seien etwa Menschen mit eindeutigen Symptomen eines Herzinfarktes lieber daheim geblieben - und so gestorben.

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© Jodo-Foto / Joerg Donecker// 2.01.2015 Krankentransport, Foto: Rettungswagen_DRK beim Klinikum /Notaufnahme, -Copyright - Jodo-Foto / Joerg Donecker Sonnenbergstr.4 D-76228 KARLSRUHE TEL: 0049 (0) 721-9473285 FAX: 0049 (0) 721 4903368 Mobil: 0049 (0) 172 7238737 E-Mail: joerg.donecker@t-online.de Sparkasse Karlsruhe BLZ 66050101 KONTO 10039550 Steuernummer 34140/28360 Veroeffentlichung nur gegen Honorar nach MFM zzgl. ges. Mwst. , Belegexemplar und Namensnennung. Es gelten meine AGB. Foto: jodo

Das Coronavirus stellt auch den Kardiologen Professor Claus Schmitt im letzten seiner bald 40 Dienstjahre vor ganz besondere Herausforderungen. Der Direktor der Medizinischen Klinik IV am Städtischen Klinikum in Karlsruhe sagt: „Das ist eine Situation, die ich so noch nicht erlebt habe.“

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Andere lebensbedrohliche Erkrankungen nicht vergessen

Um auf eine hohe Zahl von Covid-19-Patienten vorbereitet zu sein, erhöhten die Kliniken in Deutschland zu Beginn der Krise massiv ihre Kapazitäten an Intensivbetten (mit Beatmungsgeräten). Zustände wie in Italien, Frankreich oder Spanien hat es hier bisher aber nicht gegeben, die Kapazitäten gelangten nie an die Grenze.

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Der Kardiologe Claus Schmitt. Foto: Klinikum Karlsruhe

„Wir hatten mit größerem Patientenaufkommen gerechnet, das ist zum Glück nicht eingetreten. Nun versuchen wir langsam, in den Normalbetrieb zurückzukehren, damit die freigehaltenen Kapazitäten wieder kleiner werden“, erklärt der Professor und lenkt den Blick auf einen Punkt, der derzeit Mediziner in ganz Europa beschäftigt: „Man darf nicht vergessen, dass es weiter Non-Covid-Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen gibt.“

Seit Beginn der Krise beobachtet das Städtische Klinikum in Karlsruhe, dass die Zahl der Menschen, die wegen Herzinfarkt- oder Schlaganfallsymptomen in die Notfallaufnahme gehen, abnimmt.

Ein Drittel weniger Herzinfarkt-Patienten

In den vergangenen acht Wochen wurde rund ein Drittel weniger Menschen in der Notfallaufnahme oder der Brustschmerz-Einheit wegen akuter Herzinfarktsymptome aufgenommen. „Man muss davon ausgehen, dass viele aus Angst, sich mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken, nicht oder zu spät die Klinik aufsuchen“, sagt Schmitt.

Teilweise sind Menschen deshalb an einem Herzinfarkt gestorben

Claus Schmitt, Kardiologe am Klinikum Karlsruhe

Der Kardiologe erzählt, dass er in den letzten Wochen Menschen erlebt habe, die trotz eindeutiger Symptome zu spät in die Klinik gekommen seien. „Teilweise sind Menschen deshalb an einem Herzinfarkt gestorben“, berichtet er.

Schmitt ist es deshalb ein großes Anliegen, die Menschen zu ermutigen, bei Symptomen wie Brustschmerzen, die auf die Arme ausstrahlen, sofort in die Klinik zu gehen: „Den Klinikbesuch aus Angst vor Corona auszusitzen, kann extrem gefährlich werden.“

Mitarbeiter des Klinikums Karlsruhe  in heimischer Isolierung

Die erste Stunde nach Auftreten der Symptome ist beim Herzinfarkt die wichtigste. Werde innerhalb dieser Frist behandelt, könne das Risiko eines Infarkts und das von Folgeschäden minimiert werden. „Lieber einmal umsonst kommen als gar nicht“, rät Schmitt: „Die Ansteckungsgefahr mit dem Virus im Krankenhaus ist gering, es gibt eine strikte Trennung des Klinikbetriebs in ein Covid- und ein Non-Covid-Krankenhaus.“

Im April gab es bei der Infektionsüberwachung im Non-Covid-Bereich keinen positiven Fall, im Covid-Bereich 36 positive Patienten und neun positive Mitarbeiter, die sich teils im privaten und teils im beruflichen Umfeld mit dem Virus infizierten.

Die Mitarbeiter wurden in die heimische Isolierung geschickt. Auch am Coronavirus Erkrankte mit Symptomen eines drohenden Herzinfarkts sollen den Weg in die Klinik suchen, appelliert Schmitt. Die Rettungsdienste würden diese aus der Quarantäne holen.

Ähnliche Entwicklung auch im Bereich der Neurologie

Was der Kardiologe aus seiner Disziplin berichtet, gilt auch für die Neurologie, die von Professor Georg Gahn geleitet wird. Rund 1.500 Menschen mit Schlaganfall werden dort pro Jahr behandelt. Die Zahlen sind seit Jahren stabil.

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Georg Gahn, Neurologe am Klinikum. Foto: Klinikum Karlsruhe

Für das Jahr 2019 zählte die Statistik in den Monaten März und April 300 Menschen mit Schlaganfall, in diesem Jahr sind es nur 200. „Überrascht“ war Gahn davon, dass die Zahl der leichten Schlaganfälle sich im Vergleich zum Vorjahr nur um 20 Prozent reduziert hat – die der mittelschweren aber um 50 Prozent und die der schweren Fälle um 75 Prozent.

„Ich glaube, dass Menschen sterben, weil sie nicht in die Klinik kommen. Von den schweren Fällen stirbt in der Regel trotz Behandlung rund die Hälfte“, erläutert Gahn: „Bei leichten Fällen geht es um Prophylaxe, die Menschen können danach ambulant gut weiter behandelt werden. Aber die mittelschweren Fälle, bei denen wir eine bleibende Behinderung womöglich verhindern können, die kommen viel weniger. Und das ist tragisch, weil es nicht sein müsste.“

Langsam kehrt die Normalität zurück

In den ersten viereinhalb Stunden nach Auftreten der Symptome können Mediziner Schlaganfall-Patienten nachhaltig helfen. Gahn beklagt, dass die Menschen, die in den vergangenen zwei Monaten nicht behandelt wurden, „verloren“ seien: „Die Zahl dieser Menschen mag, auf Karlsruhe bezogen, nicht nach viel klingen, aber auf Deutschland hochgerechnet, ist das eine große Zahl. Diese Menschen sind Pflegefälle mit allen Folgeschäden.“

Gahn hat aber auch eine gute Nachricht: Seit Beginn dieser Woche seien die Betten auf seiner Station wieder voll, was er als ein Indiz dafür sieht, dass nach den ersten Lockerungen der Restriktionen auch in den Klinikbetrieb etwas Normalität zurückkehre.

Dazu passen die jüngsten Beschlüsse der Politik. Die Kliniken sollen nicht mehr so viele Intensivbetten und Kapazitäten für Corona-Patienten freihalten. Die Infektionsentwicklung und eine präzise Übersicht per Register ließen es zu, einen „etwas größeren Teil“ der Kapazitäten wieder für planbare Operationen zu nutzen.

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