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Funklöcher

Mobilfunk-Gegner blockieren Netz-Ausbau in Baden-Württemberg

Funklöcher, schlechter Handyempfang, geringe Datenbandbreiten: Lücken im Mobilfunknetz finden sich überall in der Region. Darunter leidet nicht nur die junge Generation. Doch dem dringend notwendigen Ausbau stehen vielerorts Bürgerproteste entgegen.

Der Ausbau des Mobilfunknetzes stößt auf Widerstand – so wie hier in der Schweiz gegen den neusten technischen Standard 5G.
Der Ausbau des Mobilfunknetzes stößt auf Widerstand – so wie hier in der Schweiz gegen den neusten technischen Standard 5G. Foto: dpa

Funklöcher, schlechter Handyempfang, geringe Datenbandbreiten: Lücken im Mobilfunknetz finden sich überall in der Region. Darunter leidet nicht nur die junge Generation. Die blinden Flecken der Digitalisierung sind längst ein handfestes Standortproblem. Denn das Hightech-Land Baden-Württemberg hinkt beim Ausbau des Mobilfunknetzes hinterher – mit handfesten Auswirkungen für Wirtschaft und Bürger.

Zum Beispiel in Burbach. Der Ortsteil der Gemeinde Marxzell soll an ein neues Nahverkehrs-Konzept angeschlossen werden. Die „MyShuttle“ genannte moderne Form des Ruftaxis funktioniert bereits in Ettlingen. Über eine Handy-App bestellt der Fahrgast eines der Elektroautos und gibt sein Ziel an. Eine Software berechnet die optimale Route für den Fahrer, sodass er unterwegs weitere Fahrgäste aufnehmen kann. Doch in Burbach ist der Mobilfunkempfang dafür zu schlecht.

„Die Informationen kommen nicht ins Auto“, erklärt Ragnar Watteroth. Er ist Finanzdezernent des Landkreises Karlsruhe und gleichzeitig Geschäftsführer deren Breitbandgesellschaft. „Intelligente Systeme des öffentlichen Personennahverkehrs funktionieren nicht ohne flächendeckende Funkversorgung.“

Von Bruchsal bis Bühl: überall weiße Flecken

Das Ausmaß des Problems offenbart eine Karte der Bundesnetzagentur . Sie zeigt Daten, die Handy-Nutzer in ganz Deutschland über die „Funkloch-App“ liefern. Auf den ersten Blick wirkt die Netzabdeckung gut, doch wer näher hineinzoomt, erkennt von Bruchsal bis Bühl überall weiße Flecken. Telefonieren kann man dort teilweise noch, aber für die mobile Datenübertragung reicht es oft nicht mehr. Denn während in Berlin und Brüssel über den neuen, leistungsfähigen Mobilfunkstandard 5G diskutiert wird, sieht es im Schwarzwald vielerorts noch beim jetzigen Standard 4G (auch LTE genannt) sehr dünn aus.

Woran hapert es? Warum kommt der Netzausbau nur so schleppend voran?

In Deutschland sind derzeit drei Netzbetreiber aktiv. Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2). Sie stellen eigene Sendeanlagen auf. Bei einzelnen Standorten kooperieren sie zwar miteinander, doch im Grunde muss jeder der drei das komplette Bundesgebiet abdecken.

„Der private Markt schafft das nicht flächendeckend“, sagt Breitband-Geschäftsführer Watteroth. „Dort, wo der Ausbau technisch schwierig ist, halten sich die Telekommunikationsunternehmen zurück.“ Tatsächlich gibt es bereits Ideen, dass Land oder Bund eine eigene Infrastrukturgesellschaft gründen, die Mobilfunk-Lücken schließen und neue Masten für das 5G-Netz aufstellen würde.

Die öffentliche Hand soll demnach einspringen, wenn der Markt versagt. Sie baut Netzinfrastruktur und verpachtet diese dann an private Betreiber. Das wäre ein ähnliches Modell, wie es beim Ausbau des Glasfasernetzes – für die kabelgebundene Breitbandversorgung – bereits in einigen Kommunen und Kreisen Baden-Württembergs praktiziert wird. Watteroths Breitband-Gesellschaft des Landkreises Karlsruhe ist nur ein Beispiel von vielen.

Der Privatwirtschaft gefällt diese Konkurrenz nicht. Ihr wäre ein anderes Modell lieber: Der Staat zahlt dort Zuschüsse, wo der marktwirtschaftliche Netzausbau an seine Grenzen stößt. Die so entstandene Netzinfrastruktur soll aber weiterhin den Unternehmen gehören. Diesen Weg geht Bayern mit seinem Mobilfunk-Förderprogramm.

Strahlenangst im Südwesten stark ausgeprägt

Netzbetreiber verweisen aber noch auf ein ganz anderes Ausbau-Hindernis: die Strahlenangst mobilfunkkritischer Bürger. Und die ist offenbar gerade in Baden-Württemberg besonders stark ausgeprägt.

Im Süden Deutschlands gebe es „eine vergleichsweise hohe Quote an verzögerten Standorten“, sagt Benedikt Albers, Pressesprecher der Deutschen Funkturm GmbH. Die Telekom-Tochter sucht dringend Bauplätze für neue Funkmasten. Grund für die Verzögerungen: „Entweder können wir keine Fläche mieten oder die Genehmigungsverfahren ziehen sich über viele Monate hin. Häufig spielen Bürgerproteste eine Rolle“, so Albers.

Wohin das führt, zeigt Ölbronn-Dürrn im Enzkreis. Der Mobilfunknetzbetreiber O2 wollte dort vor Jahren eine Handy-Antenne auf ein privates Gebäude bauen. Man wurde sich schnell einig, der Mietvertrag war schon unterschrieben. Dann formierte sich der Protest. „Das halbe Dorf war plötzlich gegen mich“, erinnert sich der Eigentümer des Gebäudes. Aus dem Funkstandort wurde nichts. Und das hat Nachwirkungen bis heute.

Die Telekom würde gerne eine neue Mobilfunk-Anlage in Dürrn aufstellen, um den Empfang zu verbessern. Ein Grundstück haben sie bereits im Blick. Es gehört der Gemeinde. „Das ist ein schwieriges Thema“, sagt Bürgermeister Norbert Holme. „Auf der einen Seite steigen die Ansprüche der Handynutzer, auf der anderen Seite gibt es gesundheitliche Bedenken.“ Holme hat das Thema bisher noch nicht in den Gemeinderat gebracht.

Wirtschaftsministerin plant Kampagne

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) kennt die Probleme vor Ort. Eine große Herausforderung sei die „mangelnde Akzeptanz für den Bau zusätzlicher Mobilfunkanlagen“, heißt es aus ihrem Ministerium. Eine neue „Kommunikationsstrategie“ soll helfen.

Eines ist klar: Für den künftigen Mobilfunkstandard 5G braucht es noch viel mehr Funkstandorte. Der Widerstand könnte daher sogar noch wachsen. In der Schweiz, die beim 5G-Ausbau viel weiter als Deutschland ist, passiert das gerade.

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