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Datenpanne beim Erbverfahren

Nachlassgericht Karlsruhe verschickt Testament an falsche Personen

Das Nachlassgericht Karlsruhe ist zuständig für die juristisch-erbrechtlichen Folgen eines Todesfalles. Nun hat es eine Datenpanne gegeben: Personen haben das Testament eines Verstorbenen bekommen, den sie selbst eigentlich gar nicht kannten.

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Beim Nachlassgericht Karlsruhe in der Kaiserstraße 184 hat es eine Panne gegeben Foto: jodo

Als ihr Ehemann im vergangenen Oktober starb, traf dies Frau H. aus Stutensee tief. Seit 1977 waren die Eheleute verheiratet, eigentlich hatten sie sich auf den gemeinsamen Ruhestand gefreut. Seither sind fünf Monate ins Land gegangen. Die amtliche Bewältigung des Todesfalls, sprich die Regelung des Nachlasses, schien zu laufen.

Beim Nachlassgericht Karlsruhe, zuständig auch für Gemeinden der Hardt, lief das Erbscheinverfahren. Die Witwe hatte den Erbscheinantrag abgegeben, das Testament des sogenannten „Erblassers“ war privat hinterlegt und nun Teil der Unterlagen, eigentlich ein alltägliches Verfahren für das Gericht.

Doch das Erbscheinverfahren sollte eine drastische Wende nehmen. Denn die Witwe bekam Ende Januar völlig überraschend einen Anruf einer ihr unbekannten Frau. Diese Frau fragte, ob sie die Witwe des Verstorbenen H. sei. Sie und ihre Geschwister seien zum Erbscheinantrag gehört worden, zudem hätten sie und ihre Geschwister das komplette Testament als Anlage bekommen, berichtete die Frau den BNN von diesem Gespräch (sämtliche Namen sind den BNN bekannt, der entsprechende Schriftwechsel liegt unserer Zeitung vor).

Nachlassgericht verwechselt Namen

Doch dies war alles ein gravierender Fehler, den das Gericht sowohl ihr gegenüber wie auf BNN-Anfrage bestätigt. Denn die anrufende Frau und ihre Geschwister (insgesamt fünf lebende Personen) haben gar nichts mit dem Verstorbenen oder seiner Witwe zu tun, haben jetzt aber das Testament in der Hand.

Frau H. aus Stutensee war entsetzt. „Diese Information sowie das Gespräch mit Frau F. über meinen erst kürzlich verstorbenen Mann und die Veröffentlichung und Bekanntgabe meiner persönlicher Daten an Dritte, haben mich sehr schwer getroffen,“ schrieb Frau H. an das Nachlassgericht, das ein Teil des Amtsgerichts Karlsruhe ist. Persönliche Daten von ihr seien nun in der Hand von wildfremden Menschen.

Sie meldete sich sofort beim Nachlassgericht und beschwerte sich. Ein Rechtspfleger räumte nach einer Prüfung ihr gegenüber den Fehler ein. Erst führte man es auf eine Verwechslung des Verstorbenen zurück, dadurch wurden die falschen Personen angeschrieben. Was wiederum Frau H. nicht nachvollziehen kann, denn es existiere eine Niederschrift nach der Testamentseröffnung vom 11. November 2019, dass der Verstorbene drei Geschwister hatte, von denen zwei verstorben sind. Wie komme es dann, dass „fünf lebende Personen angeschrieben werden“?

Gerichtspräsident bedauert Fehler

Amtsgerichtspräsident Thomas Ohlinger hat diesen Fehler gegenüber den BNN ausdrücklich bedauert. Entstanden sei er durch einen Fehler in der Registratur, zum ebenfalls verstorbenen Bruder des Erblassers habe es eine Akte mit einer namensgleichen, aber fremden Person gegeben. „Bei einer sorgfältigen Prüfung der Akte wäre dies aufgefallen,“ so der Gerichtspräsident.

Doch solche Fehler passierten, gerade auch angesichts der Überlastung des Nachlassgerichts. Ein derartiger Fehler sei bisher aber einmalig. „Ich breche aber nicht den Stab über die Mitarbeiter,“ so Ohlinger. Man habe Abläufe neu besprochen und die Mitarbeiter sensibilisiert. Die Personen, die fälschlicherweise das Testament erhalten hatten, wurden angeschrieben, das Testament zu vernichten oder zurückzugeben, die meisten haben bereits reagiert und das Testament zurückgegeben.

Mit der Witwe will er einen Gesprächstermin vereinbaren. Inzwischen wurde über die Datenschutzbeauftragte des Gerichts auch der Landesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet. Dies sieht das Gesetz bei einschlägigen Vorfällen vor. Jener hat sich bereits beim Gericht über den Fall informiert.

Erst im Januar hatten die BNN darüber berichtet, dass es an einem der größten Nachlassgerichte im Land alles andere als rund läuft. Amtsgerichtspräsident Ohlinger reagierte auf Kritik von Bürgern an langen Wartezeiten und langen Bearbeitungszeiten. Gegenüber den BNN sagte er damals offen: „Es läuft noch nicht so rund, dass wir mit dem Zustand zufrieden sein können.“ Man schiebe praktisch eine Bugwelle an Fällen vor sich her.

Das Nachlassgericht gibt es in der jetzigen Form erst seit zwei Jahren. Die Einführung eigenständiger Nachlassgerichte unter dem Dach der Amtsgerichte war Teil der Notariatsreform zum 1. Januar 2018. Die Amtsgerichte, die bisher schon die Zuständigkeiten als Familiengericht hatten, übernahmen die Aufgaben des Nachlassgerichts vom Notariat. Das Problem war aber, dass zunächst ein Großteil der Unterlagen neu registriert werden musste.

Hinzu kam die Einführung einer neuen EDV sowie zwei Umzüge nach der Reform zum Jahreswechsel 2017/18. Im Jahr 2019 kamen laut Gericht exakt 2.367 „erstmals registrierte Erblasser“ hinzu – was natürlich die Bugwelle entsprechend vergrößerte.

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