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Abi mit Corona-Makel?

Für Schüler ist die Vorfreude auf die Zeit nach dem Abitur gedämpft

Sie hatten sich auf den Sommer ihres Lebens gefreut, doch das Coronavirus durchkreuzt die Pläne vieler Abiturienten. Auch Auslandsjahre, Au-Pair-Aufenthalte und Bildungsreisen nach dem Abitur fallen vermutlich aus. Immerhin lässt die Krise Raum für kreative Abi-Mottos.

Ein Schüler trägt wegen des Coronavirus eine Schutzmaske mit der Aufschrift "Abi 2020".
Das Abitur 2020 wird für Schüler wegen des Coronavirus aus vielen Gründen ein besonderes. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Emmi Miksch geht eigentlich gerne in die Schule. Auch an diesem Montag freue sie sich darauf, weil sie nach sieben Wochen endlich wieder unter Menschen sein werde , sagt sie.

Andererseits aber hat Emmi auch Ängste. Vor allem fürchtet sie sich vor den Konsequenzen, wenn sie oder ein Mitschüler mit dem Coronavirus infiziert wird. „Dann“, so die Abiturientin vom Karlsruher Fichte-Gymnasium, „müssten nämlich alle in Quarantäne und in Nachprüfungen – und das will niemand.“

Es ist schon eine Zumutung, was das Virus diesem Abiturjahrgang abverlangt. Eigentlich fänden die schriftlichen Abiturprüfungen gerade statt, im Februar begannen viele Schüler schon mit dem Lernen – dann kam die Absage und damit ein Spannungsabfall.

Schülerin Emmi Miksch hatte sich auf die Zeit nach dem Abitur gefreut. Dann kam das Coronavirus.
Schülerin Emmi Miksch hatte sich auf die Zeit nach dem Abitur gefreut. Dann kam das Coronavirus. Foto: privat

Countdown für die Abschlussprüfungen läuft nach der Corona-Pause wieder

Nun tun sich viele schwer, wieder in den Lernmodus für die schriftlichen Prüfungen zu kommen. Auch Emmi, die aber wenigstens schon ihre Kommunikationsprüfung absolviert hat, bevor alles anders wurde und auch die Schule in eine bleierne Zeit mit Homeoffice und Homelearning beförderte.

Nun läuft der Countdown für die Abi-Prüfungen wieder. Aber es herrscht eine Ausnahmesituation, in Baden-Württemberg auch deswegen, weil die letzten Halbjahresnoten noch fehlen. Diese sollen nach den Abiturprüfungen ermittelt werden. Emmi Miksch muss dann acht Klausuren schreiben. Es ist viel, was diesem Jahrgang gerade im Weg steht – nicht nur an Hürden auf dem Weg zum Abitur.

„Es war das Jahr, auf das ich mich mehr gefreut habe als auf andere“

Die Zeit nach dem Abitur ist die Zeit des Aufbruchs. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, mit der Aussicht für die Jugendlichen, dass ihnen die Welt offen steht. Das Virus aber versetzt die Träume des Abi-Jahrgangs 2020 in den Wartesaal.

„Es war das Jahr, auf das ich mich mehr gefreut habe als auf andere“, sagt Emmi Miksch. Doch statt Vorfreude herrschen Unsicherheit und Zukunftsangst. Ihre Gemütslage schwanke oft, erzählt Emmi. Letzten Monat feierte sie ihren 18. Geburtstag, es war keine große Party. Ihre Freundinnen kamen auf Einladung ihrer Mutter in zeitlichen Abständen im Vorgarten vorbei. Tröstlich war das und eine schöne Geste.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Genervt aber war sie, als ihre praktische Führerscheinprüfung ausfallen musste. Besonders groß war die Enttäuschung, als letzten Mittwoch ihr geplanter Auslandsaufenthalt abgesagt wurde. Im kommenden Januar wollte Emmi für sechs Monate nach Jerusalem gehen, um in einem Pflegeheim für muslimische Frauen zu arbeiten.

Dieser Verzicht schmerzt – auch, wenn sie mit diesem nicht alleine ist. Vieles ist im Ungewissen, einige Abiturienten haben schon Absagen für ihre geplanten Auslandsaufenthalte bekommen, manche hoffen noch, dass wenigstens die gemeinsame Reise Anfang des Sommers sattfinden kann – wenn schon die Abi-Feiern ausgebremst werden. „Der Abi-Ball fällt aus, alles, auf was man sich gefreut hat“, hadert Emmi.

Hinweise: Die Schüler werden wie hier im Schulhaus am Beruflichen Bildungszentrum Ettlingen für die Regeln in der Corona-Krise sensibilisiert.
Hinweise: Die Schüler werden wie hier im Schulhaus am Beruflichen Bildungszentrum Ettlingen für die Regeln in der Corona-Krise sensibilisiert. Foto: Hora

Bei Schülern können Ausnahmesituationen zu Ängsten führen

Am Ende der Schulzeit schließt man oft nochmal neue Freundschaften, umarmt und herzt sich öfter als sonst, flirtet und feiert mehr. Auf all das müssen die Abiturienten in diesem Jahr verzichten. Emmi Miksch bedauert das sehr, aber sie ist auch trotzig: „Ich will Hoffnung haben“, sagt sie, und: „Ich will im Rückblick stolz auf mich sein, wie ich durch diese Zeit gekommen bin.“

Diesen Satz findet Nina Großmann „toll“, weil er der Schüssel zum Erfolg für viele Schüler sein könne, erläutert die Vorsitzende des Landesverbandes der Schulpsychologie in Baden-Württemberg. Großmann weiß: „Ausnahmesituationen laden zu Ängsten ein.“ Das System komme langsam erst aus seiner Schockstarre, sagt Großmann. Für alle Beteiligten sei die Situation neu. Auch für die Lehrer.

Petra Rüdebusch war die letzten Tage damit beschäftigt, die Rahmenbedingungen für den Neustart in ihrer Schule zu gewährleisten. Die Stellvertretende Schulleiterin des Karlsruher Otto-Hahn-Gymnasiums weiß um die „schwierige Situation“ der Abiturienten. Das Kollegium habe sich vorgenommen, „ein bisschen Normalität reinzubringen“, sagt Rüdebusch.

So viel Normalität eben möglich ist bei Einbahnstraßen in der Schule, Abstands- und Hygienevorschriften.

Ich glaube nicht, dass diesem Jahrgang das Abitur nachgeworfen wird
Petra Rüdebusch, stellv. Schulleiterin Otto-Hahn-Gymnasium Karlsruhe

Das Abitur 2020 sollte nicht von einem Corona-Makel behaftet sein

„Die Schüler sollten zu einem Abitur kommen, das nicht mit einem Makel behaftet ist“, fordert Psychologin Großmann. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass diesem Jahrgang das Abi nachgeworfen werde. Das wollen die Schüler nicht und auch nicht die Lehrer – die aber in diesem Jahr aus Angst vor Klagen von Eltern vielleicht weniger streng als sonst benoten?

„Ich glaube nicht, dass diesem Jahrgang das Abitur nachgeworfen wird“, sagt Petra Rüdebusch, die die Abiturienten vor allem zunächst „ankommen lassen, stabilisieren und motivieren will“. Und sie will ihnen einen angemessenen Abschied ermöglichen im Sommer – nur wie, weiß sie noch nicht. Eine Arbeitsgruppe versucht eine Lösung zu finden. Psychologin Großmann glaubt, dass dieser Jahrgang an der Situation wachsen könne: „Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und sich gegen Widerstände durchzubeißen lernen diese Abiturienten gerade.“

Emmi Miksch plant, nun früher mit dem Studium zu beginnen und das Jahr der Freiheit später nachzuholen. Journalismus interessiert sie. Aber erst müsse sie sich nun neu sortieren und auf die Prüfungen in Englisch, Deutsch, Mathe und Bildender Kunst konzentrieren.

Die Abiturienten des Fichte-Gymnasiums haben übrigens ihr Abi-Motto geändert, es lautet nun: „Abi 2020 – mit Abstand die Besten!“ Wer früh anfängt, Krisen mit einem Schuss Humor und Selbstironie zu meistern, hat fürs Leben schon viel gelernt.

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