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Auf dem Balkon oder im Garten

Seit dem Corona-Lockdown bauen mehr Menschen Gemüse an

Selbst angebaute Tomaten und Paprika sind beliebt - spätestens seit diesem Jahr. Denn während des Lockdowns im Frühling hatten viele Leute mehr Zeit, die sie in den Garten oder Balkon steckten. Für manch einen war das eine gute Ablenkung von Existenzängsten.

Katharina Schneider pflückt eine Paprika.
Ernte im eigenen Garten: Katharina Schneider bevorzugt die Paprika aus dem eigenen Anbau. Foto: Lara Teschers

Saftige Gurken, pralle Tomaten und knackiger Rucola vom eigenen Balkon: Seit dem Corona-Lockdown ist selbst angebautes Gemüse zum Trend geworden. Die Kombination von mehr Freizeit, geschlossenen Geschäften und geöffneten Baumärkten ließ viele kreativ werden.

So auch Nele Untereiner und ihren Partner. Sie legten auf ihrem Balkon in der Karlsruher Südstadt ein Hochbeet an. Dank Corona hatte das junge Paar mehr Zeit. Nach wenigen Tagen waren die ersten Samen im April gesät.

Nachfrage nach Gartengrundstücken stark angestiegen

Damit waren sie nicht die einzigen. Während der Corona-Krise in der ersten Jahreshälfte wurde das Gärtnern zum Trend - ob auf dem Balkon oder im Garten.

„Die Anfrage nach städtischen Gartengrundstücken ist stark angestiegen. Und auch die Dringlichkeit hinter den Anfragen war in diesem Jahr sehr viel stärker zu spüren als sonst“, bestätigt Nele Kemper, Fachberaterin für Landwirtschaft, (Streu-)Obst- und Gartenbau beim Liegenschaftsamt Karlsruhe. Um 40 Prozent ist die Nachfrage nach Gärten beim Bezirksverband der Gartenfreunde Karlsruhe gestiegen: „Eigene Erzeugnisse liegen stark im Trend“, beobachtet der stellvertretende Geschäftsführer Pasquale Lino Lüthin.

Davon profitierten die Anbieter. Wie Jochen Reiss vom Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen mitteilt, hielten sich die Kunden länger in den Geschäften auf. Dennis Hüll den ZG Raiffeisen Märkten sagt: „Der Trend zu Nachhaltigkeit und selbsterzeugtem Gemüse ist sicherlich auch durch die Berichterstattung über die Lebensmittelskandale in der Fleischindustrie verstärkt worden. Die Verbraucher möchten einfach wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen, und pflanzen daher auch vermehrt selbst an.“

Die Gartenarbeit hat mich von meinen Existenzängsten abgelenkt.
Katharina Schneider, Kosmetikerin

„Das selbst geerntete Gemüse ersetzt bei uns keinen Wocheneinkauf. Dafür ist das Beet zu klein“, erklärt Nele Untereiner. Anders sieht es dagegen bei Katharina Schneider aus. Die 38-Jährige und ihr Partner haben vergangenes Jahr eine Parzelle beim Kleingartenverein Albsiedlung in Karlsruhe übernommen.

Schneider konnte als selbstständige Kosmetikerin ihren Beruf wegen Corona wochenlang nicht ausüben, ihr Partner verlor seinen Job als Kindergartenkoch. So hatte das Paar viel Zeit, die es in den Garten steckte. „Wir hatten eine Liste mit Dingen, die wir im Garten erledigen wollten. Im April hatten wir sie schon abgearbeitet“, erzählt Schneider. „Die Gartenarbeit hat mich gut von meinen Existenzängsten in der Corona-Krise abgelenkt. Ich hatte wieder eine Aufgabe.“

Eigenes Gemüse aus dem Garten ersetzt den Einkauf

Von den 350 Quadratmetern nutzen die beiden seit diesem Jahr ein Viertel als Anbaufläche für Gemüse, ein weiteres Viertel ist voll mit Obstbäumen und Beerensträuchern. „Wir haben im Sommer die ganze Familie mit Obst und Gemüse versorgt“, erzählt Schneider. Tomaten hat sie eingekocht und eingefroren. Das reicht für den Rest des Jahres. Bei den Gurken ist die Saison jetzt zu Ende, die kauft sie nun dazu. Dafür ist ihr Garten jetzt zum Herbst hin noch voll mit Paprika, Zucchini, Bohnen, Aubergine und diversen Salat- und Kohlsorten.

„Am Anfang, als Toilettenpapier und Nudeln ausverkauft waren, wusste ja niemand, in welche Richtung es geht. Mir war klar, dass keiner verhungert, aber ich habe damit gerechnet, dass Gemüse teurer wird.“ Deswegen war der eigene Gemüseanbau für sie auch eine Chance, Geld zu sparen: „Von einer kleinen Gurkenpflanze für 4,99 Euro habe ich 26 Gurken geerntet.“

Gurken gehören laut Reiss vom Gartenbauverband zu den Dauerbrennern bei Hobbygärtnern, ebenso Salatpflanzen, Tomaten und Paprika. Doch auch Besonderheiten seien dieses Jahr gefragt gewesen: „Chili, Auberginen, besondere Tomatensorten, Süßkartoffeln, Zucchini seien beispielhaft genannt. Auch Kräuterpflanzen zum Weiterkultivieren, aber auch zur direkten Verwendung in der Küche sind weiterhin stark nachgefragt.“ Raiffeisen-Experte Hüll ergänzt: „Wir spüren eine verstärkte Nachfrage im Bereich Gemüsesetzlinge, Pflanzkartoffeln und Pflanzzwiebeln.“

Ansicht eines Hochbeets, das auf einem Balkon steht. Darin sind verschiedene Gemüsesorten gepflanzt.
Hochbeet auf dem Balkon: Auf kleinstem Raum wachsen Tomaten, Rucola und anderes Gemüse. Foto: Lara Teschers

Gerade in den Städten habe der Trend zum „Urban Gardening“ zugenommen, beobachtete Hüll, zu dessen Vertriebsgebiet auch Karlsruhe zählt: „Das sehen wir daran, dass auch Zubehör für kleinste Flächen wie beispielsweise Balkontomaten gekauft wird.“ Der Handel kommt den Gärtnern ohne Garten auch beim Obst entgegen: Laut Reiss gibt es beispielsweise Zwetschgen auch als Containergehölze zum Einsatz auf dem Balkon. Nele Untereiner baut auf ihrem hauptsächlich Gemüse und Kräuter an, aber auch Erdbeeren wachsen dort im September noch.

Junge Menschen entdecken das Gärtnern für sich

Besonders bei jungen Leuten ist „Urban Gardening“, also das Gärtnern in der Stadt, beliebt: „Es ist wieder eine jüngere Klientel in den Gartencentern anzutreffen, die dort bisher nicht unbedingt zu den Stammkunden gezählt haben“, sagt Jochen Reiss vom Gartenbauverband. Ähnliches beobachtet Pasquale Lino Lüthin von den Gartenfreunden: „Wir haben mitbekommen, dass auch junge Pächter vermehrt die Erfahrungen der älteren Generationen in Anspruch nehmen. Dies begrüßen wir sehr und freuen uns über diese Entwicklung.“

Es macht Spaß, mit dem eigenen Gemüse zu kochen.
Nele Untereiner, Hobbygärtnerin

Nele Untereiner und Katharina Schneider sind sich einig: Gemüse selbst anzubauen, ist Arbeit. „Das Anpflanzen selbst ist nicht so ein Aufwand“, räumt Schneider ein. Doch die Pflanzen müssen jeden Tag gegossen werden, an besonders heißen Tagen auch zweimal am Tag. Sie verbindet das mit einer Gassirunde für den Hund. Auch das Abpflücken neuer Triebe gehöre dazu sowie das Anbinden der Tomaten, berichtet Untereiner.

Beide hatten in ihrer ersten Saison mit eigenem Gemüse keine großen Pannen zu verzeichnen und sind zufrieden mit dem Ertrag. „Es ist einfach cool und macht Spaß, den eigenen Pflanzen beim Wachsen zuzuschauen und mit dem Gemüse dann zu kochen“, sagt Untereiner.

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