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Drei Pflegerinnen berichten

So läuft der Alltag auf der Corona-Intensivstation in Karlsruhe

In Dreierteams betreuen Krankenpfleger Corona-Patienten auf einer Intensivstation im Städtischen Klinikum Karlsruhe. Der Alltag ist für die zum Teil fachfremden Pflegekräfte eine Herausforderung, hat das Personal aber auch zusammengeschweißt.

Intensivstation
Eine Dummy-Puppe an einem Beatmungsgerät in der neu eröffneten Intensivstation im Vivantes Humboldt-Klinikum im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Foto: Kay Nietfeld/dpa

In Dreierteams betreuen Krankenpfleger Corona-Patienten auf einer Intensivstation im Städtischen Klinikum Karlsruhe (SKK). Drei Pflegekräfte erzählen von ihrem herausfordernden Alltag.

"Wir werden zu wenig von allem haben": Das war das Fazit aus dem vertraulichen Gespräch der BNN mit einer Pflegerin aus einem baden-württembergischen Krankenhaus . Zu ihrem eigenen Schutz blieb die Gesprächspartnerin anonym und konnte so vor nunmehr zwei Wochen von den Vorbereitungen ihrer Klinik auf die steigende Zahl von Corona-Patienten berichten.

Anonymer Bericht von schwierigen Zuständen in einer baden-württembergischen Klinik

Ihr Urteil war erschreckend: Kollegen erhielten keine Unterstützung bei der Kinderbetreuung, es mangele an Ausrüstung und sogar Klinikpersonal, der Kontakt zu Infizierten hatte, müsse ohne Corona-Test weiterarbeiten.

Schnell meldeten sich mehrere Leser, darunter auch Krankenpflegerinnen aus Karlsruhe. Viele nahmen an, es hätte sich um eine Kollegin aus ihren eigenen Reihen gehandelt. Dabei hatten die BNN vor der Veröffentlichung sogar versucht, Ansprechpartner von den Karlsruher Kliniken zu gewinnen – bis dahin ohne Erfolg.

Nun haben sich drei Pflegekräfte von der Neurologischen Intensivstation des Städtischen Klinikums Karlsruhe (SKK) zu einem Gespräch bereiterklärt. Am Telefon schildern sie ganz andere Zustände.

Im Städtischen Klinikum Karlsruhe gibt es mehrere Corona-Stationen

Anne Scherer, Lisa Blank und Natalie Jalowy betreuen normalerweise neurologische Intensivpatienten. Zehn Beatmungsplätze stehen dafür auf der Station D12 zur Verfügung. Seit dem Wochenende liegen dort jedoch keine Menschen mit Hirnblutungen oder epileptischen Anfällen mehr: Stattdessen werden die räumliche Austattung und die Fachkenntnisse des Personals genutzt, um hier Covid-19-Patienten zu beatmen.

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"Das ist eine ganz andere, anspruchsvollere Beatmungstherapie", erklärt Intensivpflegerin Jalowy. Das durch das Coronavirus ausgelöste Krankheitsbild sei völlig neu und habe ganz neue Arbeitsbedingungen mit sich gebracht. "Gerade der Mehraufwand durch das Ein- und Ausschleusen und das Umziehen der Schutzkleidung nimmt viel Zeit in Anspruch", erklärt Jalowy.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

28 Covid-19-Patienten befinden sich zurzeit im Städtischen Klinikum Karlsruhe (Stand: 6. April), davon müssen fünf beatmet werden. Zwischen Spät- und Nachtdienst gibt es eine neue Televisite mit dem diensthabenden Oberarzt, bei der die Beatmung und der Kreislauf jedes Covid-19-Patienten besprochen werden.

Neurologische Patienten, für die Jalowy und ihre Kollegen normalerweise zuständig sind, haben im Regelfall keine Lungenerkrankungen. Bei den Corona-Patienten sei die Lunge aber oft so stark betroffen, dass eine besonders intensive Beatmung nötig ist.

Nicht zu viel Zeit im Patientenzimmer verbringen – und nicht zu wenig

"Die Patienten werden andauernd überwacht", erklärt Natalie Jalowy, die seit 2012 auf der neurologischen Intensivstation arbeitet. Dennoch sei es wichtig, nur so lange wie nötig im direkten Kontakt mit den Infizierten zu sein. Zu kurz darf es aber auch nicht sein: Denn wer ein Zimmer mit Covid-19-Patienten betritt, muss sich zuvor aufwendig vorbereiten.

Beim Umziehen halten sich Ärzte und Pfleger an eine strikte Reihenfolge. Sie gehen von oben nach unten vor, erklärt Jalowy: "Das fängt an mit einer Haube, Mundschutz, Schutzbrille oder Schutzvisier. Man zieht sich einen Kittel an und Handschuhe." Das Ausziehen funktioniert andersherum, auch zwischendurch müssen aber immer wieder die Hände desinfiziert und dabei die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels abgewartet werden.

Infobox: Covid-19-Patienten im Städtischen Klinikum Karlsruhe (Stand 7. April, 7 Uhr):- 14 Covid-19-Patienten (Normalstation)- 7 Covid-19-Patienten (auf Intensivstation beatmet)- 4 Todesfälle...

Wer so ausgestattet einen Raum mit Infizierten betritt, sollte seine Zeit möglichst gut nutzen. "Wenn man sich einmal eingekleidet hat, versucht man, nicht mehr so schnell aus dem Patientenzimmer zu gehen und die Arbeit am Stück zu erledigen", schildert Jalowy.

Corona-Schutzausrüstung wird im Karlsruher Klinikum knapper

Das ist nicht nur wegen des zeitlichen Aufwands beim Ein- und Ausschleusen geboten: Auch die Vorräte an Schutzausrüstung im Städtischen Klinikum werden laut einer Pressemitteilung immer knapper und müssen daher sparsam verwendet werden.

Nach Angaben des kaufmännischen Geschäftsführers Markus Heming ist die vom Bundesgesundheitsministerium versprochene Unterstützung bislang ausgeblieben. „Wir sind zwischenzeitlich gezwungen, die Waren zu völlig überteuerten Preisen einzukaufen“, so Heming.

Das Klinikum schule die Mitarbeiter daher im schonenden Umgang mit den Ressourcen. Und manche Pflegekraft lernt momentan noch ganz andere Dinge: Weil Personal umgeschichtet wird, arbeiten nun auch ehemalige Intensivkräfte sowie Anästhesiefachkräfte und Pfleger von der Normalstation auf der Corona-Intensivstation.

Personal von anderen Stationen hilft bei Corona-Patienten aus

"Wir bilden Dreierteams", erklärt Natalie Jalowy: "Eine Pflegekraft aus der Stammbesetzung, eine aus dem Anästhesiebereich und eine aus der Normalstation." Eine solche Dreiergruppe betreut drei Covid-19-Patienten. "Es ist eine Herausforderung, sich im Team zu finden und die Aufgaben so zu verteilen, dass jeder eine adäquate Betreuung leisten kann."

Anne Scherer kann gut einschätzen, wie komplex eine Einarbeitung auf einer Intensivstation sein kann: Die 25-Jährige hat selbst erst im vergangenen Jahr ihr Pflege-Examen abgelegt und arbeitet seitdem auf der neurologischen Intensivstation, noch ohne fachliche Weiterbildung.

Das kann man nicht mal jemandem in zwei Wochen erklären.
Anna Scherer, Intensiv-Krankenpflegerin am Städtischen Klinikum Karlsruhe

"Meine Einarbeitung ging ein bis zwei Monate. Am Anfang beschäftigt man sich nur mit Wachpatienten und geht erst nach vier Wochen zu den beatmeten", erzählt Scherer. "Das ist schon eine Herausforderung, das kann man nicht mal jemandem in zwei Wochen erklären."

An den Beatmungsmaschinen gebe es viele verschiedene Programme, das Thema sei komplex. Auch deswegen sind die Krankenpflegeschüler, die die Station normalerweise unterstützen, momentan im Homeoffice. Sie stünden aber auf Abruf, um im Notfall zum Beispiel für Botengänge oder Assistenzdienste einzuspringen.

Genügend Klinikpersonal in Karlsruhe und weniger Corona-Patienten als erwartet

Insgesamt sei die Personalsituation im Städtischen Klinikum noch gut, sagt Intensivpflegerin Natalie Jalowy. Die Dienstpläne seien wie vor der Corona-Pandemie, es gebe keine Urlaubssperre und der klinikeigene Kindergarten sei noch für diejenigen Kinder geöffnet, deren Elternteile beide in systemrelevanten Berufen arbeiten. Den Ärzten und Pflegern stünden rund um die Uhr Psychologen und Seelsorger zur Seite.

"Wir haben weniger Covid-positive Patienten als erwartet", hatte Klinikums-Geschäftsführer Uwe Spetzger am Freitag gesagt. Er bezeichnete die Umstellung von Maximal- auf Grundversorgung aber auch als eine "steigende Eskalationsstufe". Seit einer Woche koordiniert die SKK-Einsatzleitung die Maßnahmen.

Noch sind wir nicht im richtigen Katastrophenmodus.
Uwe Spetzger, Medizinischer Geschäftsführer

"Noch sind wir nicht im richtigen Katastrophenmodus, und ich hoffe insgeheim, dass wir nicht dorthin kommen", so Spetzger. "Aber unsere ganzen Aktivitäten sind abgestimmt darauf."

Muss Klinikpersonal im Krankenhaus übernachten?

Den BNN lag am Montag eine interne Mail aus der Psychiatrischen Klinik vor, derzufolge zumindest zeitweise geplant war, Klinikpersonal wochenweise im Krankenhaus unterzubringen. Bis Redaktionsschluss am Montagabend hat das Städtische Klinikum hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

Einen Katastrophenfall mit Zuständen wie in Italien oder Spanien erwarten die Pfleger auf der Corona-Intensivstation momentan ohnehin nicht. "Aber wir können natürlich nicht sicher sagen, dass es uns nicht trifft", so Natalie Jalowy. Einen Vorteil habe man im Vergleich zu anderen Ländern gehabt: Viel Zeit, um sich vorzubereiten.

Entscheidung über Leben und Tod soll dem Einzelnen nicht zugemutet werden

Das Team hofft auf eine Handlungsempfehlung, wie in einem solchen Fall die begrenzten Beatmungsplätze zugeteilt werden sollen. "Wenn ein Einzelner über Leben und Tod entscheiden müsste, würden wir das als absolute Kompetenzüberschreitung sehen und als ethisch sehr fragwürdig", so Pflegerin Jalowy.

Wir würden uns da nicht in der Lage sehen.
Natalie Jalowy, Intensivpflegerin, über eine Entscheidung, wer beatmet wird

Wenn überhaupt, so müsse eine solche Entscheidung im ganzen Team und in Absprache mit den Ärzten getroffen werden. "Wir würden uns da nicht in der Lage sehen", sagt Natalie Jalowy. "Müssen wir ja auch nicht."

Angst um die eigene Gesundheit müssen sie nach eigenen Angaben wegen der umfangreichen Schutzmaßnahmen auch nicht haben. "Aber es wäre gelogen, zu sagen, dass sich Familie und Freunde keine Sorgen machen", sagt Jalowy. Im Karlsruher Klinikum hätte die Corona-Pandemie das Personal noch weiter zusammengeschweißt.

Die Pflegerinnen auf der neurologischen Intensivstation sind "ein Stück weit stolz", dass sie aktiv helfen können und ihr Berufsstand nun mehr Aufmerksamkeit bekommt. "Aber es ist traurig, dass das erst jetzt passiert", sagt Jalowy. "Wir waren schon vor Corona da und werden auch danach noch da sein."

Im Kollegenkreis wünsche man sich nicht nur eine bessere Bezahlung, sondern beispielsweise auch eine bessere Ausbildung durch Akademisierung oder mehr Angebote zur Gesundheitsprävention. Der Beruf müsse attraktiver werden, auch für die Zeit nach Corona: "Denn natürlich ist jetzt die Angst da, dass es nach der Krise eine hohe Fluktuation gibt und dann personelle Engpässe entstehen."

Covid-19-Patienten im Städtischen Klinikum Karlsruhe (Stand 7. April, 7 Uhr): - 14 Covid-19-Patienten (Normalstation)

- 7 Covid-19-Patienten (auf Intensivstation beatmet)

- 4 Todesfälle

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