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Nächtliches Schauspiel

So verändern Starlink-Satelliten von SpaceX den Blick ins All - wann sind sie über Karlsruhe zu sehen?

Wer in den Nachthimmel schaut, sieht Lichterketten, die über uns hinweg rasen. Das sind die Starlink-Satelliten der US-Firma SpaceX. Damit will das Unternehmen von Elon Musk ein Netzwerk für besseres Internet aufbauen. Wie das geht und was die Konsequenzen sind erklären Forscher aus Karlsruhe und Heidelberg: Die Satelliten stoßen nicht überall auf Gegenliebe:

«Starlink»-Satelliten
Ein Fotograf steht vor einem Nachthimmel, an dem die Bewegung von Starlink-Satelliten als leuchtende Spur (Bildmitte) sichtbar wird. Foto: Peter Komka/MTI/AP/dpa

Wer am späten Abend in den Himmel schaut, sieht seit Wochen ein ungewöhnliches Spektakel. Mysteriöse Lichterketten rasen über uns hinweg. Das sind Starlink-Satelliten der US-Firma SpaceX. Damit will das Unternehmen von Tesla-Gründer Elon Musk ein Netzwerk für besseres Internet aufbauen. Wie das geht und was die möglichen Konsequenzen sind erklären Forscher aus Karlsruhe und Heidelberg. Die neuen Satelliten stoßen nicht nur überall auf Gegenliebe.

"Hilfe, Ufos", das mag so manch ein Sternenbeobachter in den vergangenen Wochen gedacht haben, wenn am späten Abend die Space-X-Satelliten über den Himmel rauschen. Zugegeben, die Lichterketten können an Science-Fiction-Filme erinnern. "Es gab schon einige Meldungen bei Sternwarten oder anderen Einrichtungen", erinnert sich Carolin Liefke, Astronomin am Heidelberger Haus der Astronomie.

Auch wer aus Karlsruhe, Pforzheim oder woanders im Südwesten gen Himmel schaut, sieht in sternenklaren Nächten die Ketten - meist zwischen 21 und 23 Uhr oder in den frühen Morgenstunden. Dann rauschen dutzende Satelliten über uns hinweg. Mal dicht aneinander gereiht, mal mit größeren Abstand - wie auf einer Schnur gezogen. Die Flugbahnen der Satelliten verändern sich mit der Zeit. Experten aus Karlsruhe und Heidelberg erklären, was die Aufgabe der Satelliten ist und, warum sie zu einem Problem werden könnten.

Lichterkette am Nachthimmel
Zwei «Starlink»-Satelliten sind als Lichtstreifen am Nachthimmel zu sehen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Was hat es mit den Satelliten auf sich?

Mit den Satelliten will das Privatunternehmen ein weltumspannendes Netzwerk für besseres Internet aufbauen. "Schnell, umfassend und auch abgelegene Gebiete sollen so erreicht werden", erklärt Thomas Reddmann, Astrophysiker am KIT. SpaceX wolle zunächst nur die USA versorgen, später global operieren. Die Satelliten kommunizieren untereinander.

Wie viele Satelliten sind schon im All?

Die Satelliten werden mit der Space-X-Rakete Falcon 9 ins All geschossen. Bei jedem Start seien den Experten zufolge 60 Exemplare an Bord. Liefke erläutert: "Einige dieser Starlink-Trains, also die Ketten, kann man derzeit jeden Abend am Himmel sehen." Zwischen 350 und 400 Satelliten sind bereits in Betrieb. Bis Jahresende sollen es 1.584 Satelliten sein. Insgesamt plant das US-Unternehmen mit bis zu 12.000 Stück. "Im Endausbau könnte es bis zu 40.0000 sein", prognostiziert der Astrophsyiker Reddmann.

Wann werden die Satelliten immer ins All geschossen?

Die ersten wurden von SpaceX bereits vor zwei Jahren ins All geschossen. Seit 2020 beschleunigt das Unternehmen das Vorhaben. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag (23. April) schoss SpaceX eine weitere Rakete vom amerikanischen Weltraumbahnhof Cape Canaveral aus ins All - die insgesamt sechste Fuhre. Diese war als kleiner heller Punkt auch bei uns am Himmel zu sehen. "Ähnlich wie beim Vorbeiflug der ISS", erklärt Liefke. Noch in der Nacht verkündete SpaceX die geglückte "Auslieferung" der 60 Satelliten - inklusive Video aus mehr als 200 Kilometern Höhe.

Successful deployment of 60 Starlink satellites confirmed pic.twitter.com/h3e6QmKRue

— SpaceX (@SpaceX) April 22, 2020

Wann sieht man die Satelliten?

Derzeit sehen wir an unserem Nachthimmel die Satelliten der beiden letzten Fuhren. Bei der aus dem März sind bereits Abstände erkennbar. Die Ladung aus dem April ist hingegen noch eng beisammen. Aktuell sind die Ketten für etwa 20 Minuten zu sehen. Einen Überblick über die Satelliten, die über der Region von Karlsruhe zu sehen sind, gibt es auf der Homepage von "Heavens Above". Wer seinen Standort angibt, kann dort unter der Kategorie "Starlink Passes" die Zeiten für den Überflug sehen. Die Zeitangabe erklärt, wie lange die Satelliten brauchen, um einmal über den vom Standort sichtbaren Nachthimmel zu rasen - und den höchsten Punkt des Durchflugs. Daran orientieren sich die aufgeführten Zeiten in der Tabelle:

Das sind die Zeiten für den Überflug der Starlink-Satelliten für die kommenden Tagen für Karlsruhe: 24. April:

22:01 Uhr bis 22:03 Uhr (Überflug von Starlink 6 von West nach Süd-West)

und 22:14 Uhr bis 22:32 Uhr (großer Starlink-5-Kette von West nach Nord)

25. April:

22:05 Uhr bis 22:10 Uhr (Überflug von Starlink 6 von West nach Süd-West)

21:14 Uhr bis 21.32 (Überflug großer Starlink-5-Kette von West nach Nord)

26. April:

21:47 Uhr bis 22:02 Uhr (Überflug großer Starlink-5-Kette von West nach Nord)

27. April: 22:26 bis 22:46 Uhr (Überflug großer Starlink-5-Kette von West nach Nord-Ost)

Wieso sind die Starlink-Satelliten wie auf einer Perlenschnur aufgereiht?

"Die Kleinsatelliten werden als Paket in den Orbit gebracht und dann hintereinander 'freigelassen'. Deshalb driften sie zunächst wie eine Art Perlenschnur am Himmel", erklärt Reddmann. Die Abstände vergrößern sich dann mit der Zeit. So sollen sie auf der ganzen Umlaufbahn verteilt werden.

Sind immer alle Satelliten sichtbar?

Das hängt von der Einstrahlung des Sonnenlichts ab. Die Satelliten haben unterschiedliche Flugbahnen und können ausgerichtet werden. "Wenn ein Satellit etwas gekippt ist, reflektiert er möglicherweise weniger Sonnenlicht", erklärt Liefke.  Außerdem: Die Starlink-Ketten wandern auf ihren Umlaufbahnen. "Ab Mai sehen wir die aktuellen nicht mehr", prognostiziert Liefke. Und die Satelliten sind noch nicht an ihrem Ziel angekommen: "Sie vergrößern ihre Höhe von anfangs 290 Kilometern auf 340 bis 550 Kilometer. Sie werden dabei dunkler", erläutert Reddmann.

Was ist so schlimm daran, dass so viele Satelliten ins All geschossen werden?

Wo sich Hobby-Astronomen gestört fühlen, sehen Wissenschaftler ein echtes Problem. "Für die hochempfindlichen Sensoren der astronomischen Kameras ist das katastrophal, wenn ein Satellitenpulk durch das Bildfeld rast. Diese Aufnahmen kann man wegwerfen", kritisiert Reddmann. Zwar sollen SpaceX bereits mit Farbe versucht haben, die Anlagen zu verdunkeln. Der Erfolg ist aber überschaubar. Und: "Dunkle Farbe erhitzt sich durch die Strahlung der Sonne deutlich schneller - wie ein schwarzes Auto", erklärt Liefke. So könne sich der ganze Satellit aufheizen und das habe Auswirkungen auf den Betrieb.

Gab es schon Probleme durch die Starlink-Satelliten?

Ja, sogar ein ziemlich großes für die europäische Raumfahrt. "Die ESA, die europäische Raumfahrtagentur, musste einen ihrer aufwendigen Aeolus-Satelliten aus der 'Schussbahn' lotsen. Ein halber Erdumlauf später hätte wohl schon nicht mehr gereicht, um einen Zusammenstoß zu vermeiden", dokumentiert Reddmann. So weit, so heikel: SpaceX griff nicht ein. Ob mit Absicht oder wegen fehlender Möglichkeiten ist nicht sicher. Aber: "Natürlich erhöht sich bei dieser großen Zahl von Satelliten die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit Weltraummüll erheblich", so der Karlsruher Forscher weiter. Ein möglicher Zusammenstoß könnte extreme Folgen haben:  "Der erdnahe Weltraum wäre für einige Zeit nicht mehr nutzbar - mit Folgen für beispielsweise die Wettervorhersage und Klimaforschung", erläutert Reddmann. Und der KIT-Physiker sieht ein weiteres Problem: "Die Kommunikationsfrequenzen, die StarLink benutzt, stören die Beobachtung schwächster Radiosignale aus dem Universum."

Wieso darf SpaceX eigentlich einfach so Satelliten ins All schießen?

Es gibt einen Weltraumvertrag, den mehr als 100 Länder unterschrieben haben. Der ist von 1967 und sollte immer wieder aktualisiert werden. Früher waren vorwiegend staatliche Institutionen im All aktiv. Nun kommen mit SpaceX auch private Unternehmen dazu. "Welche Gesetze sollen regeln, was im Weltall passiert? Daran ist man auch früher schon gescheitert", erklärt Liefke. SpaceX habe die Möglichkeiten, verbieten könne man das Vorhaben nicht.

Wie lange bleiben die Satelliten im All und was passiert mit Ihnen?

Wissenschaftler beklagen seit Jahren die Zunahme von Weltraum-Schrott. Zwischen 6.500 und 8.000 Tonnen intergalaktischer Müll sollen im All unterwegs sein. Mehrere Tausend Starlink-Satelliten könnten für weiteres Chaos auf Umlaufbahnen um die Erde sorgen. "Diese Satelliten haben eine Lebensdauer von fünf Jahren. Danach sollen sie beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen", erklärt Liefke. Das gelinge aber nur bei Satelliten, die man steuern kann. "Die Frage ist, was passiert mit denen, die während des Betriebs ausfallen", so Liefke. Das Space-X-Projekt birgt also Potential für eine größere Verschmutzung des Alls.

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