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Eklat im Jahr 1964

Als die BNN den Bambi aus Karlsruhe vertrieben - und wie es wirklich war

Für Karlsruhe waren die Bambi-Verleihungen in den 50er und 60er-Jahren ein jährlich wiederkehrendes Großereignis - das 1964 ein jähes Ende fand. Die Organisatoren kündigten an, der Stadt den Rücken zu kehren - angeblich wegen einer harschen BNN-Kritk. Was war da los? Eine Spurensuche.

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Das war`s: Verleger Franz Burda entzog Karlsruhe im Jahr 1964 den Bambi. Foto: Archiv/BNN

Weltstars auf dem Rathaus-Balkon, tausende Menschen auf den Straßen: Für Karlsruhe waren die Bambi-Verleihungen in den 50er und 60er-Jahren ein jährlich wiederkehrendes Großereignis das 1964 ein jähes Ende fand. Die Organisatoren kündigten an, der Stadt den Rücken zu kehren angeblich wegen einer harschen BNN-Kritik. Was war da los? Eine Spurensuche.

Für fast ein Jahrzehnt rückte der Frühling Karlsruhe ein paar Tage in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Ab 1955 wurde in der Stadt der Filmpreis „Bambi“ verliehen – zunächst im Konzerthaus, ab 1956 dann in der Schwarzwaldhalle.

Der Wechsel der Lokalität war nicht zuletzt dem großen öffentlichen Interesse geschuldet: Der Bambi brachte Weltstars nach Karlsruhe, Glanz, Glamour und den Duft der großen, weiten Welt der Stars.

Die Organisatoren zeigten sich von der Erfolgsgeschichte, die sie mit dem Bambi geschaffen hatten, selbst überrascht. Die Trophäe war im Umfeld der zunächst in Baden-Baden, dann in Karlsruhe verlegten Zeitschrift Film-Revue ausgelobt worden – ursprünglich eigentlich als Aktion, um Leser an das Blatt zu binden, erklärt Gudrun Gloth, die damals mit ihrem Mann die Chefredaktion bildete.

Die Anfangstage: Kein Geld für Glamour

Gloth, gebürtige Karlsruherin, ist heute 88 und lebt in Berlin-Grunewald. Die Jahre bei der Film-Revue und die Bambi-Verleihungen sind ihr noch gut in Erinnerung. Wir hatten damals in der Redaktion der ,Film-Revue eigentlich überhaupt kein Geld, um irgendeine Art von glanzvoller Gala auf die Beine zu stellen, um die Favoriten unserer Leser zu küren , sagt Gloth.

In den Anfangsjahren wurden die Preise den Gewinnern per Post zugeschickt oder im kleinen Kreis überreicht. 1953 gab es dann erstmals in Hamburg eine  kleine Zeremonie. 1954 lud die Film-Revue dann

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Die ehemalige "Film-Revue"-Chefrefakteurin Gudrun Gloth. Foto: PR/privat

nach Karlsruhe – dank großzügiger Zuwendungen aus der Privatschatulle des Verlegers. Wir haben dann nach der Verleihung noch einen Empfang im Schlosshotel gegeben und irgendwann wollten die Leute tanzen. Wir hatten aber kein Orchester organisiert. Irgendwann trug irgendwer einen Plattenspieler in den Saal“, beschreibt Gloth den Geist der frühen Bambi-Tage die in der Stadt durchaus für Furore sorgten.

Für einen Blick auf Promis wie Maria Schell, Ella Fitzgerald, Heinz Rühmann oder Rock Hudson gingen tausende Menschen auf die Straße. Karlsruhe, die Hauptstadt des einstigen Großherzogtums Baden, hatte in jenen Jahren keine 200.000 Einwohner. In der jungen Bundesrepublik war Karlsruhe kaum noch mehr als eine Provinzstadt. Entsprechend dankbar waren viele Bewohner für den großen Rummel.

Wilde Weinproben in Daxlanden

Und offenbar konnten viele Stars dem etwas rustikaleren Charme durchaus etwas abgewinnen: Fester Bestandteil des Rahmenprogramms um die Preisverleihung war etwa eine Weinprobe in der Daxlandener Künstlerkneipe.

In dessen urigem, gemütlichem, aber wenig mondänem Ambiente muss es zu vorgerückter Stunde hoch hergegangen sein.

Im Redaktionsarchiv der BNN sind Aufzeichnungen von Gudrun Gloth erhalten:

„Schon am Vorabend hatte Verleger Karl Fritz die bereits eingetroffenen Stars zu einer intimen Weinprobe in die Künstlerkneipe in Daxlanden eingeladen, wo sie b ei stündlich steigender Laune eine Auslese von 30 der besten badischen Weine genossen. Auch Sophie Loren blieb da nicht abstinent. Die Sesshaftesten erlebten zu später Stunde, daß Fred Bertelmann beim Kerzenschein alte Trinklieder sang und Gert Fröbe einen spontan erfundenen BAMBI-Marsch uraufführte.

Der junge Bambi sei eine ganz und gar unkommerzielle Leseraktion gewesen, so beschreibt es Gudrun Gloth noch heute. Die Stars hätten den Charme der Provinz geliebt, die Karlsruher hätten den Filmgrößen frenetische Empfänge bereitet – eigentlich habe alles gepasst.

Dann kam das Jahr 1964.

Vertrieb ein grantelnder Journalist den Bambi?

Wer im Karlsruher Stadtlexikon zur Historie des Bambi forscht, stößt früher oder später auf folgende Passage:

„Auf die darauf folgenden kritischen Berichte der Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) über das selbstherrliche Auftreten des Veranstalters und dessen provokativer Rede über den deutschen Film bei der Bambiverleihung 1964 reagierte Burda gekränkt und verlegte die Veranstaltung 1965 nach München, wo sie in der Folge auch blieb.

Sie ist nicht viel mehr als eine Fußnote, eher beiläufig ans Ende des Eintrages geschrieben und lässt offen, was denn da 1964 genau geschehen ist. Allerdings wirft die Passage die Frage auf:

Vertrieb ein grantelnder Journalist die glamouröse Veranstaltung aus Karlsruhe?

Tatsächlich ist die Bambi-Berichterstattung der BNN aus dem Jahr 1964 in manchen Punkten bemerkenswert. Zwar schildert unser Reporter in einer großen Geschichte vom 20. April 1964 wie gehabt die großen Menschenaufläufe, die Autogrammjäger und die Auftritte der großen Filmstars.

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ARCHIV - 19.04.1964, Karlsruhe: Sophia Loren (l-r), Heinz Rühmann und Liselotte Pulver während der Bambi Verleihung. Am 11. Oktober 2019 wird Pulver 90 Jahre alt. (zu dpa "Liselotte Pulver und ihr Sexbomben-Traum - Lilo wird 90") Foto: Heinz-Jürgen Göttert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ - Verwendung weltweit Foto: dpa

Dazwischen allerdings finden sich auch subjektive Einlassungen des Autoren, der verschiedene Neuerungen im Programm der Bambi-Verleihung beklagt.

In manchen Punkten fügt der Reporter Wertungen in seinen Bericht ein, bezeichnet die große Festrede des damaligen Bambi-Chefs als „sehr subjektiv und teils recht trist“ und den Redner als „freimütig und wohl auch etwas undiplomatisch.“

So richtig dramatisch ist das allerdings nicht, zumal sich durchaus auch lobende Worte in dem Text finden. Einen Tag später veröffentlicht der gleiche BNN-Autor dann allerdings noch einen Kommentar, der es durchaus in sich hat. Aber der Reihe nach.

Wie eine Karlsruher Zeitschrift in Offenburg verschwand

Für die weitere Entwicklung um den Bambi ist es wichtig, einige Hintergründe zu kennen. Die „Neue Verlagsgesellschaft , in der die  „Film-Revue erschien, wurden im Jahr 1963 vom Offenburger Burda-Verlag aufgekauft – und damit auch der Bambi.

Verleger Franz Burda legte umgehend die durchaus erfolgreichere Film-Revue -also eine reine Filmzeitschrift- dann mit der „Freundin , einer reinen Frauenzeitschrift, zusammen.

Gudrun Gloth, die damalige Chefredakteurin, beschreibt die Zusammenlegung in ihren Aufzeichnungen mit folgenden Worten: „Burda hatte einer großen, beliebten Zeitschrift die Luft abgedreht“ und mit ihrer Leserschaft der „damals etwas schwachbrüstigen ‚Freundin “ auf die Beine helfen wollen.

Am Telefon wird sie noch etwas direkter: Gloth besteht darauf, den alten Burda einen Diktator zu nennen, der seine Angestellten beherrschen wollte. „Wer das nicht zuließ, wie mein Mann und ich, wurde entlassen.“

Franz Burda war kein Fan von Karlsruhe

Burda, beklagt sie, habe nicht nur die Musik-Revue abserviert, sondern auch dem Bambi seinen ursprünglichen Charakter und seinen Charme genommen. Mit dem Glanz der Trophäe habe er vor allem seine Produkte, seinen Verlag aufwerten wollen.

Natürlich, Grothe hat gute Gründe, dem damaligen und längst verstorbenen Burda-Chef nicht besonders gewogen zu sein. Er stampfte ihre Zeitschrift ein, setzte sie vor die Tür und war fortan auch noch uneingeschränkter Herrscher über den Bambi.

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Der Kommentar, der das Fass zum Überlaufen brachte. Foto: BNN-Archiv

Tatsächlich allerdings sorgt Burda dafür, dass sich beim Bambi einiges ändert. Es gibt Hinweise darauf, dass der mächtige Verleger ohnehin kein großer Freund des Standortes Karlsruhe war. Auf der von Burda verantworteten Seite bambi.de findet sich eine Geschichte der Preisverleihungen. Zum Jahr 1964 steht dort:

„Weil sich Karlsruhe als Austragungsort der BAMBI-Verleihung etabliert hatte, wollte Franz Burda dies nicht ändern, obwohl er Karlsruhe kritisch gegenüberstand.

Denkbar ist also immerhin, dass Burda auf längere Sicht plante, den Bambi aus Karlsruhe in eine andere Stadt zu verlegen.

1964 jedenfalls fand die Verleihung noch einmal in Karlsruhe statt, erstmals in Regie des Offenburger Verlages. Und der bricht direkt mit einigen Traditionen aus den frühen Bambi-Jahren – was zum Eklat führt.

Süffiger Wein in drangvoller Enge

Zunächst mal war die Weinprobe in Daxlanden durch einen Bus-Trip nach Offenburg zum Sitz des Burda-Verlages ersetzt worden. Wein gab es freilich auch dort, allerdings sei „ mancher Gast von der langen Anreise ermattet und mancher Star über die ‚Bus-Zumutung‘ leicht pikiert“ gewesen“, wie der BNN-Reporter schreibt. Weiter berichtet er süffisant:

„Der Wein war süffig, die Stimmung stieg, die Trachtenkapelle schmetterte ihr Blech in die drangvolle Enge der Burdaschen Empfangshalle, daß man meinte, man sei auf dem Canstatter Wasen.“

Anders als in den Vorjahren gab es 1964 auch keinen Empfang im Karlsruher Rathaus, wo einige hundert Fans daher vergeblich warteten. Zum größten Stein des Anstoßes geriet in den Augen des Reporters allerdings die Rede von Verleger Franz Burda, der nun als Gastgeber der Verleihung fungierte.

Was genau Franz Burda damals sagte, lässt sich nur in Ansätzen rekonstruieren. Ein Manuskript der Rede oder zumindest eine Mitschrift befände sich höchstwahrscheinlich im Verlag des Archives in Offenburg, teilt eine Burda-Sprecherin mit. Die Unterlagen seien aber bislang nicht digitalisiert und könnten daher nicht kurzfristig zur Verfügung gestellt werden.

Die unsachliche Kritik der Karlsruher Presse

Die einzigen Indizien über die Inhalte liefert daher der Kommentar, den diese Zeitung am 21. April 1964 druckte. Unter der Überschrift „ Bambi in der Sackgasse“ holte der BNN-Reporter zunächst mal zum Rundumschlag aus, warf der Veranstaltung „mangelhafte Organisation“, „blamable Begleiterscheinungen“ vor und diagnostizierte einen eklatanten Stilbruch.

Besonders interessant ist allerdings folgende Passage:

Er [Franz Burda, Anm. d. Red.] wollte für den deutschen Film zu Recht eine Lanze brechen. Dabei vergaloppierte er sich aber so gründlich, daß er dem Film – und damit auch der Bambi-Feier - letztlich nur schadete. Man kann nicht pausenlos mit Ungereimtheiten Maulschellen verteilen, man kann nicht die Amerikaner vor den Kopf stoßen, wenn auf der Bühne ein US-Orchester sitzt, man kann nicht Filmorganisationen angreifen, wenn man selbst eine Filmzeitschrift herausgibt und einen Filmpreis verleiht, man kann sich nicht mit den Kirchen, dem Staat, dem Fernsehen, den Entwicklungshilfe-Staaten anlegen und wie ein Elefant im Porzellanladen mehr kaputtmachen, als je wieder gutzumachen ist. Undiplomatischer geht's nimmer.

Da die Rede Burdas nicht vorliegt, kann nachträglich auch nicht mehr geklärt werden, ob die Kritik unseres Reporters berechtigt war. In gewisser Hinsicht aufschlussreich ist immerhin die Reaktion Burdas auf den BNN-Kommentar. Über seine Zeitschrift „Bild und Funk“ erklärte er seinen Lesern im Mai 1964, der Bambi würde ab sofort nicht mehr in Karlsruhe verliehen. Er begründet das mit der „völlig unsachlichen Kritik der Karlsruher Presse, insbesondere der Badischen Neuesten Nachrichten “.

Zudem schreibt er:

„Es ist viel leichter und billiger, eine solche Veranstaltung in München aufzuziehen als in einer Stadt ohne Flugplatz und ausreichende Hotels. Denn außer der Schwarzwaldhalle und dem tüchtigen Oberbürgermeister gibt es gar nichts, was ein solches Filmfestival in Karlsruhe rechtfertigt.“

Das ist nun durchaus nicht nur ein Schlag ins Gesicht der BNN, sondern einer in das zahlreicher Karlsruher, die den Stars zujubelten oder halfen, die Veranstaltung über die Bühne zu bringen.

Gudrun Gloth, die ehemalige Chefredakteurin der Musik-Revue, war 1964 bei der letzten Verleihung in Karlsruhe nicht mehr vor Ort. Ihre Einschätzung, mit dem Bambi habe sich Burda vor allem ein mächtiges Werbeinstrument sichern wollen, trifft damals auch der Redakteur der BNN. Er schreibt:

„Die Veranstalter der zurückliegenden Bambi-Feiern traten bescheiden hinter der Sache zurück; sie gaben den Filmschaffenden ein Fest, nicht sich selbst. Es scheint aufschlußreich, dass vierzehn Festein der Schwarzwaldhallein voller Harmonie abliefen und daß schon das erste unter der neuen Burda-Ära zu einer allseits peinlich empfundenen Disharmonie führte [..]“

und weiter:

„Herr Burda hat eine schöne und für den deutschen Film gewiß fördernde Sache übernommen, die andere aufgebaut haben. Wie er sie weiterführt und wohin, ist seine Sache [...]. Herr Burda hat verfügt: Das Reh wird nicht mehr nach Karlsruhe zurückkommen! Nun, die Karlsruher werden es verschmerzen können. Ohnehin war abzusehen, wann aus der ‚Bambi-Feier eine ‚Burda-Feier werden würde. Und diese hätte allerdings in Karlsruhe kaum den rechten Nährboden der Bewunderung gehabt.“

Da der BNN-Reporter ebenso wie die meisten anderen Zeitzeugen nicht mehr befragt werden können, bleiben viele Motive im Dunklen. Vielleicht war seine Kritik  der Tatsache geschuldet, dass viele Bambi-Anhänger der ersten Stunde schlicht den alten Zeiten nachtrauerten, das ist möglich.

Die guten, alten Karlsruher Feste

Vielleicht war der Karlsruher Kulturbetrieb jener Zeit auch schlicht innovationsfeindlich, Burdas neuer Kurs indes durchaus visionär und gerechtfertigt. Im Jahr 1965 jedenfalls zog der Bambi nach München, eine Millionenstadt mit Flughafen und ausreichend Hotels. Einen Teil seines Charmes hat er damit wohl unwiederbringlich abgelegt. In Gudrun Grothes Mitschriften jener Zeit steht:

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grothe Foto: None

Die Wogen hatten sich da längst geglättet. Die Stadt Karlsruhe lässt heute auch ohne Bambi in der Welt der Kultur immer wieder mal von sich hören. Sei es als Wohn- und Wirkungsort von Markus Lüpertz, sei es als Standort des ZKM.

Und der Bambi? Hat einige gute Jahrzehnte hinter sich – insofern hat ihm der Weggang aus Karlsruhe wohl nicht geschadet. Nun macht er Halt in Baden-Baden – also fast in Sichtweite seines Geburtsortes.

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