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Anschluss an Landesinitiative

Neun Jahre bis zum Abi: Brettener Elternvertreter fordern Rückkehr zu G9

Zeit für Hobbys und weniger Stress: Eltern in Bretten sehen viele Vorteile in der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Alle Probleme löse G9 aber nicht.

Das Brettener Melanchthon-Gymnasium
Das Brettener Melanchthongymnasium: Auch hier formiert sich in der Elternschaft Widerstand gegen das achtjährige Gymnasium. Foto: Julia Trauden

Seit fast 20 Jahren gibt es an allgemeinbildenden Gymnasien in Baden-Württemberg den achtjährigen Weg zum Abitur. Doch mittlerweile werden die Rufe, die eine Rückkehr zu G9 fordern, immer lauter.

Eine Elterninitiative sammelte über 100.000 Unterschriften für einen Volksantrag zur Abkehr vom achtjährigen Gymnasium. Zuletzt teilte auch die Landesregierung mit, dass sie „offen für ein neues G9“ sei.

Elternvertreterin: Schon in der Unterstufe „übervolle Unterrichtspläne“

Aus Sicht Brettener Elternvertreter ist dieser Schritt überfällig. „Ich sehe eigentlich nur Vorteile in einer Rückkehr zu G9“, sagt Constanze Gerber, Elternbeiratsvorsitzende am Melanchthon-Gymnasium Bretten (MGB).

Schülerinnen und Schüler würden derzeit schon in der Unterstufe mit übervollen Unterrichtsplänen konfrontiert. Beim neunjährigen Modell könnte an dieser Stelle entlastet werden. „Dann bleibt auch wieder mehr Zeit für Hobbys und Freizeitaktivitäten“, so Gerber.

Die 51-Jährige ist Mutter dreier Kinder. Die zwei ältesten haben bereits das Abitur in G8 hinter sich gebracht. Das jüngste ist in der zehnten Klasse.

Mutter erinnert sich an ihre eigene Schulzeit mit Samstagsunterricht

Constanze Gerber hat ihr Abitur noch zu den alten G9-Zeiten gemacht. So kann sie ihre Erfahrungen mit denen ihrer Kinder vergleichen.

„Der Stundenplan war damals noch nicht so mit Nachmittagsunterricht gefüllt wie heute“, meint Gerber. Alle zwei Wochen habe es außerdem Samstagsunterricht gegeben.

Ich sehe eigentlich nur Vorteile in einer Rückkehr zu G9.
Constanze Gerber
Vorsitzende des Elternbeirats am Melanchthon-Gymnasium Bretten

„Meine Schulzeit habe ich noch als deutlich weniger stressig empfunden“, sagt auch Jan Trense, Vorsitzender des Elternbeirats am Edith-Stein-Gymnasium (ESG). Seine elfjährige Tochter besucht derzeit die sechste, der ältere Sohn die achte Klasse.

„Eine Rückkehr würde ich mir definitiv schon wegen der höheren Lebensqualität wünschen, wenn die Kinder und Eltern weniger Schulstress widerstehen müssten“, sagt Trense.

Meine Schulzeit habe ich noch als deutlich weniger stressig empfunden.
Jan Trense
Vorsitzender des Elternbeirats am Edith-Stein-Gymnasium

Bei einer Umstellung von G8 auf G9 sehe er aber auch temporäre Problemstellen. „Sicherlich ist der Bedarf an Lehrkräften größer – aber wir investieren in die Bildung unserer Kinder und damit in unsere eigene Zukunft und in die Zukunft unserer Gesellschaft“, so der 54-Jährige. „Für die Kinder und die Lehrkräfte sehe ich nur Vorteile.“

G9 sei schon allein wegen der Entschleunigung und des Freiraums, Themen tiefer behandeln oder Neigungen nachgehen zu können, das bessere Modell. „In Erwartung einer längeren Lebensarbeitszeit für unsere Kinder halte ich das Jahr mehr an Reife bei der Beendigung der Schullaufbahn ebenfalls für vorteilhaft“, sagt Trense.

Elternbeiräte in Bretten unterstützen Initiative zur Rückkehr zu G9

Sowohl der Elternbeirat des MGB, als auch der des ESG haben die Initiative zur Rückkehr zu G9 unterstützt. „Informationen und Formulare wurden an alle Eltern verschickt. Zusätzlich hat ein Elternteil persönlich an den Elternabenden über die Initiative und ihre Ziele informiert“, berichtet Constanze Gerber.

Die beiden Brettener Gymnasien wollen sich zur Debatte sowie zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Zeitmodelle nicht äußern. „Die Sache ist im Prozess und die Schulleitung des ESG wird sich in diesen nicht öffentlich einmischen“, erklärt Schulleiter Daniel Krüger.

Susanne Christ, stellvertretende Schulleiterin des MGB, teilt mit: „Die politische Absicht, in weiten Teilen zu G9 zurückzukehren, wurde bekundet. Der Prozess, diese Absicht umzusetzen, ist im Gange. Wir als ausführende Organe nehmen das zur Kenntnis und werden umsetzen, was am Ende des Prozesses vorgegeben wird.“

Lehrkraft: „G9 würde die Arbeit leichter machen“

Eine Lehrkraft, die an einem der beiden Gymnasien unterrichtet, erklärt: „G9 würde mir und meinen Kollegen die Arbeit natürlich einfacher machen.“ Viele Schüler hätten durch die Pandemie-Zeit noch Lernrückstände. Gerade in den unteren Stufen machen sich diese bemerkbar.

„Mit einer zeitnahen Umstellung auf G9 in den nächsten zwei bis drei Jahren könnten wir diesen Kindern effektiv helfen“, so der Pädagoge, der lieber anonym bleiben möchte. Etliche weitere Vorteile seien von verschiedenen Studien belegt. Nicht umsonst seien die wenigen G9-Modellschulen im Land so beliebt.

Alle Probleme des Bildungssystems könne G9 aber nicht lösen. Das sieht auch Elternvertreter Trense so: „Die drängendsten Probleme sind der Lehrermangel, fehlende Mittel bei den Schulen in kommunaler Trägerschaft und ein gewaltiger Nachholbedarf bei der Digitalisierung.“

Hier helfe G9 wenig. Es bleibe aber mehr Zeit, um Themen wie KI und digitales Klassenzimmer anzugehen und umzusetzen.

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