Mode ist was fürs Auge. Und doch gibt es Mode, die man mit allen Sinnen erleben kann – zumindest an der Modeschule Bruchsal der Balthasar-Neumann-Schule. Lynn Krech und Giora Efinger gehören zur Abschlussklasse des Berufskollegs Mode und Design, die gerade an dieser sinnesbetörenden Haute Couture arbeitet.
Hören zum Beispiel: Da tauchen Elemente einer typischen Elvis-Presley-Hose oder der weiße Handschuh Michael Jacksons auf. Und sofort fegt deren Musik durch den Kopf. Oder der Geschmackssinn: Sauer soll das Kleid sein, ausgedrückt in giftigem Grün und spitzen Schultern. „Jeder Geschmack löst ein anderes inneres Gefühl aus“, sagt die 26-jährige Krech. „Das stellen wir in Formen und Farben dar.“
Mode begeistert sie seit ihrer Kindheit, hat ihre Mutter doch die Kleider der Barbie-Puppen immer selbst genäht. „Sie hat da viel Liebe reingesteckt und meine Vorstellungen verwirklicht.“
Früh entdeckte Krech die Gothic-Szene für sich, die ihre Gefühle und Lebenseinstellung nicht zuletzt durch dunkle, romantisch-opulente Kleidung nach außen trägt, „die das Schöne dort sieht, wo es andere nicht sehen“. Und genau das ist es, was Krech an Mode fasziniert: Damit seine Persönlichkeit, sein Inneres zu zeigen – abseits von Fast Fashion und festgelegten Trends.
Über die Gothic-Szene entdeckt die Bruchsaler Studentin versteckte Schönheit
„Ich muss durch viele Läden gehen, bis ich ein Kleidungsstück finde, das mir gefällt“, sagt der 22 Jahre alte Giora Efinger, dem die Ausbildung an der Modeschule zufällig vor die Füße gefallen ist.
Dabei saß er schon als Kind mit seiner Mutter an der Nähmaschine und nähte Star-Wars-Kostüme. Genau diese Fantasiewelten haben ihn inspiriert. Weil jeder Charakter anders aussieht, sein Wesen, seine Individualität in der Kleidung ganz bewusst zeigt.
„Jeder sollte sein eigener Hauptdarsteller sein und sich kleiden wie kein anderer“, sagt Efinger. Solche Mode möchte er kreieren. Weg von Trends, die allein auf Farben, Stoffe und Kulturen bezogen sind. Weg vom Zwang, im Trend sein zu müssen, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Weg von der „Synchronismusbewegung“, durch die auf der Straße alle gleich aussehen. Hin zu Mode, die das Ich zeigt, die authentisch ist.
Stücke der Bruchsaler Kollektion bestehen aus upcycelten Bio-Stoffen und Second-Hand-Ware
Freilich müsse man sich dafür erst einmal bewusst werden, wer man ist, was einem wichtig ist im Leben. Dann aber habe jeder Mensch seine individuelle Ausstrahlung, die man durch seine Kleidung ausdrücken kann. Er will offenlegen, was im Körper vorgeht, das Innere nach außen bringen. Damit jeder Mensch so akzeptiert wird, wie er ist und sich nicht verkleiden muss. „Damit ist man viel befreiter“, sagt der junge Designer.
Außerdem ist solche Mode nachhaltig, weil man nicht für jeden Sommer-Winter-Trend seinen Kleiderschrank neu bestücken muss. Ein wichtiger Aspekt übrigens auch bei der sinnesbetörenden Kollektion, die im Juni präsentiert werden soll: Die meisten Kleidungsstücke sind zu neuem Leben erweckte up- oder recycelte Bio- und Restposten-Stoffe und Second-Hand-Artikel.