Skip to main content

Finanzplan 2023

Durchwachsene Aussichten für Bruchsaler Haushalt: „Mehr Pullover wagen“

Krisenfest will die Bruchsaler Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick die Stadt machen. Finanziell bieten sich da trotz diverser Krise noch Spielräume. Von Pessimismus war bei der Haushaltseinbringung nicht viel zu spüren.

Gemeinderat Haushaltsrede
Die Stunde der Oberbürgermeisterin: Das ist traditionell die Einbringung ihres Haushaltsplan-Entwurfs vor dem Gemeinderat. Am Dienstagabend stellte Cornelia Petzold-Schick ihr politisches Programm für 2023 vor. Foto: Martin Heintzen

„Trotz Krise will Bruchsal kräftig investieren.“ So lautete die Überschrift der Bruchsaler Rundschau vor genau einem Jahr, als Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos) ihren Haushaltsentwurf vorstellte.

Man könnten diesen Titel einfach recyceln. Und das, obwohl ein Jahr später noch zwei bis drei neue Krisen dazu gekommen sind. Corona, Klimawandel, Fachkräftemangel, Energiekrise, Ukraine-Krieg, neue Flüchtlinge, Inflation – für Bürgermeister Andreas Glaser (parteilos) und den Kämmerer Steffen Golka, die die politischen Ziele in ein finanzielles Korsett pressen müssen, gleicht die Erstellung Jahr für Jahr mehr dem Blick in die Glaskugel.

Grund zu Pessismus sehen die drei aber nicht. OB Petzold-Schick, selten um eine Metapher verlegen, sah nicht den Tornado am Horizont, sondern eher viele Nebelschwaden, die den Blick voraus schwierig machten.

Es geht darum, die Verwaltung und die Gesellschaft resilienter zu machen.
Cornelia Petzold-Schick, Oberbürgermeisterin

Trotz „epochaler Herausforderungen“, wie Petzold-Schick sie am Dienstagabend in der Gemeinderatssitzung an die Wand warf, wollte sie keine Katastrophen-Szenarien beschreiben. Sie sah eher „durchwachsene Aussichten“, für die man sich rüsten wolle. „Es geht darum, die Verwaltung und die Gesellschaft resilienter zu machen.“ Widerstandsfähiger also.

Es sind vor allem die anhaltend sprudelnden und überdurchschnittlich hohen Gewerbesteuer-Einnahmen, die Bruchsal Spielraum verschaffen. „Wir investieren auf hohem Niveau“, stellte Glaser fest. Aber: „Das kann morgen auch anders sein“, sagte er, gefragt nach einer möglichen Rezession.

Noch sehe man dafür aber in Bruchsal keine Anzeichen. Und Petzold-Schick wolle nicht die sich selbst erfüllende Prophezeiung heraufbeschwören.

Fälle von Wohngeldanträgen könnten sich verdreifachen

Statt geplanten 47 Millionen Euro erwartet Bruchsal noch in diesem Krisenjahr 2022 sogar 60 Millionen Euro an Gewerbesteuer-Einnahmen. Und die für 2023 angenommenen 50 Millionen Euro, konservativ geschätzt, ermöglichen ein neues Rekord-Volumen des Haushaltes von insgesamt 156,13 Millionen Euro. Damit lässt sich arbeiten, so der Tenor.

Jetzt den Newsletter für Bruchsal, Bretten und den Kraichgau abonnieren

Wann fliegt die erste bemannte Drohne des Bruchsaler Unternehmens Volocopter? Was passiert mit dem radioaktiven Müll, der beim abgeschalteten Atomkraftwerk in Philippsburg lagert? Wo sollen Geothermie-Anlagen oder Windräder gebaut werden? Und kommt das BR-Autokennzeichen für die Bruchsaler vielleicht doch noch irgendwann?

Die wichtigsten Infos für Bruchsal, Bretten und den Kraichgau sowie exklusive Hintergrundberichte: Das liefert der kostenlose BNN-Newsletter jeden Abend direkt in Ihr Postfach. Jetzt anmelden.

Auch wenn von vornherein große Batzen etwa in Transferleistungen fließen, in das stets wachsende Rathaus-Personal und ihre Tarifsteigerungen sowie in steigende Energiekosten. Kommunen müssten jedes Jahr mehr Aufgaben schultern.

Ein Beispiel: In der Wohngeldstelle etwa werden derzeit 1.000 Fälle jährlich bearbeitet. Das Regierungspräsidium rät den Kommunen aufgrund von Gesetzesänderungen und der Krisenlage, künftig mit dreimal so vielen Anspruchsberechtigten zu kalkulieren, berichtet Petzold-Schick.

Keine Schließung des Rathauses in Bruchsal geplant

20 Prozent Energie-Einsparung bei den Kommunen? „Rechnerisch ist das drin“, prophezeit Glaser. Die Motivation der Mitarbeiter sei groß, ergänzt Golka. Eine Rathaus-Schließung für eine Woche, wie es Karlsruhe plant, das käme nicht in Frage, so Glaser. „Mehr Pullover wagen“, so der Tenor der OB.

Was also wird am Ende sichtbar werden, von dem Geld, das nächstes Jahr ausgegeben wird? Immerhin stehen Investitionen von 28,3 Millionen Euro an. 12,2 Millionen Euro sollen in die Infrastruktur fließen. Das sind Straßen und Hochwasserschutz, Breitband und der Umbau des Busbahnhofs, der Mitte nächsten Jahres beginnt. 6,5 Millionen Euro investiert die Stadt in „Soziales“, etwa den Ausbau der Kinderbetreuung in Untergrombach, Heidelsheim und Büchenau. 100 neue, dringend benötigte Plätze entstehen.

Die aktuellen Pläne des Landes, die Standards abzusenken – sprich: mehr Kinder pro Erzieher zuzulassen – begrüßte die OB ausdrücklich. Kämmerer Golka rechnete mal eben im Kopf aus, wieviel allein an geringeren Investitionskosten eine solche Entscheidung bringen könne. Vorweg: Es geht in die Millionen.

Investitionen in den Katastrophenschutz

Neue Geräte für den Bauhof und Investitionen in den Katastrophenschutz müssen finanziert werden. So hält etwa die Feuerwehr sogenannte Leuchttürme vor. Das sind Anlaufstellen in Form von Zelten, ausgestattet mit Notstromaggregaten im Fall eines Stromausfalls.

Petzold-Schick sieht die Kommunen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Aber sie sehe nicht schwarz. So erlebe sie etwa bei der Aufnahme der 600 Kriegsflüchtlinge eine „überwältigende Hilfsbereitschaft“. Dennoch: „Alles, was wir seit Beginn des Krieges erleben, ist rein zahlenmäßig eine vielfach höhere Herausforderung als das, was wir 2015/16 als Flüchtlingskrise benannt haben.“

Die Energieerzeugung muss dezentraler, regenerativer und vom Ausland unabhängiger werden.
Cornelia Petzold-Schick, Oberbürgermeisterin

„Rüstet euch“, appelierte die OB an die Bürger zu mehr Eigenverantwortung. Derweil kümmere man sich darum, die Verwaltung „wetterfest“ zu machen. „Die Energieerzeugung muss dezentraler, regenerativer und vom Ausland unabhängiger werden.“ Die Planungen für den Ausbau von Geothermie, Solar- und Windkraft sowie von Wärmenetzen in Bruchsal stünde 2023 oben auf der Agenda.

Eine Streichliste für nicht finanzierbare Projekte? Nein, so betont die OB, die gebe es nicht. Höchstens wolle man Projekte verzögern. Freilich steht und fällt alles mit der politischen Großwetterlage. Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember, so ist es in Bruchsal Tradition, wird der Gemeinderat seine Sicht einbringen und das Zahlenwerk festzurren.

nach oben Zurück zum Seitenanfang