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„Beleidigend und arrogant“

Kirrlacher Notfallpraxis: Bürgermeister gehen geschlossen auf die Barrikaden

Seit Oktober haben Patienten im nördlichen Landkreis Karlsruhe keine Anlaufstelle mehr. Das Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigung finden viele arrogant.

Ein Rettungswagen fährt über eine Autobahn.
Der Rettungsdienst muss im Landkreis Karlsruhe öfter ausrücken, weil die Kirrlacher Notfallpraxis seit Ende Oktober zu ist. Davon ist Karlsdorf-Neuthards Bürgermeister Sven Weigt überzeugt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symbolbild

Dass Patienten außerhalb der Sprechzeiten ihres Hausarztes in Kirrlach keine Anlaufstelle mehr haben, das will man in der hiesigen Politik nicht hinnehmen. Immer mehr Politiker melden sich zu Wort. Die vorläufige und nun die endgültige Schließung der Kirrlacher Notfallpraxis treibt sie um.

Sämtliche Bürgermeister im Landkreis Karlsruhe sowie der Kreistag wollen geschlossen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung auftreten. Sie hatte die Entscheidung getroffen.

Sven Weigt (CDU), Bürgermeister von Karlsdorf-Neuthard und Fraktionsvorsitzender im Kreistag, schließt gerade die Reihen. „Ich spreche für alle. Die Kassenärztliche Vereinigung muss die Versorgung sicherstellen“, fordert Weigt.

Andere Praxen könnten die Kirrlacher Patienten mitversorgen

Sowohl die Runde der Bürgermeister als auch der Kreistag seien in dieser Ansicht einig, über alle Fraktionen hinweg. Am Donnerstag meldet die SPD-Kreistagsfraktion, dass sie eine Resolution starten möchte.

„Tausende Menschen im nördlichen Landkreis müssen jetzt unzumutbar weite Wege zur ärztlichen Notversorgung auf sich nehmen“, warnt Markus Rupp, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion und Gondelsheims Bürgermeister. Die ohnehin schon überlasteten Bereitschaftsdienste in Schwetzingen, Sinsheim, Speyer und Bruchsal würden nun zusätzlich belastet, so Rupp.

„Die KV nimmt ihren Auftrag nicht wahr“, kritisiert Weigt. Sie ist für die Organisation der ambulanten medizinischen Versorgung im Land verantwortlich. Aus Sicht der KV könnten die anderen Notfallpraxen die Patienten der Kirrlacher Praxis mitversorgen.

Steigen die Zahlen der Patienten in der Notaufnahme?

Aber nicht nur Kommunalpolitiker, auch Ärzte und vor allem die Ärzte in der Bruchsaler Notaufnahme haben genau daran ihre Zweifel. Und Weigt bekräftigt: „Die Zahlen in der Notaufnahme des Bruchsaler Krankenhauses und die Zahlen im Rettungsdienst sind seit der Schließung definitiv gestiegen“.

Sven Weigt, Bürgermeister in Karlsdorf-Neuthard
Sven Weigt ist Bürgermeister in Karlsdorf-Neuthard. Foto: Dietrich Hendel

In ihrer Antwort an den CDU-Landtagsabgeordneten Ulli Hockenberger hatte die stellvertretende KV-Chefin Doris Reinhardt das zuletzt anders gesehen.

Ihr Tonfall bestärkt die hiesigen Politiker zusätzlich. „Sie werden mit Sicherheit auch Verständnis dafür haben, dass wir uns zu irgendwelchen abstrusen Vorwürfen von irgendjemandem, selbst wenn sie öffentlich erhoben werden, nicht äußern möchten“, hatte Reinhardt Hockenberger auf seine Bitte hin geantwortet.

Das war beleidigend und arrogant.
Sven Weigt
Bürgermeister von Karlsdorf-Neuthard und Kreisrat

Die aus ihrer Sicht „abstrusen Vorwürfe“ waren geäußert worden etwa von Karlsdorf-Neuthards Bürgermeister Sven Weigt, vom Ersten Landesbeamten Knut Bühler, vom Landtagsabgeordneten Ulli Hockenberger, von den überlasteten Ärzten in der Bruchsaler Notfallaufnahme und zuletzt vom Waghäuseler Gemeinderat.

Gesundheitssystem ist reformbedürftig

„Das war beleidigend und arrogant“, kontert Weigt. Über diese umstrittene Entscheidung hinaus sei eine Umstrukturierung der medizinischen Versorgung sicher nötig, räumt er ein. So wäre eine integrierte Notfallpraxis am Krankenhaus zielführend. Dazu bräuchte die Klinik aber einen Kassensitz.

SPD spricht von abgehobenen KV-Funktionären

Die SPD nimmt ebenfalls die Strukturen in den Blick: „Anstatt ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen, verschlechtert die KV die Versorgung.

Es ist höchste Zeit, dass die intransparenten Strukturen der KV durch das Sozialministerium überprüft und abgehobene KV-Funktionäre zur Ordnung gerufen werden“, teilt der ehemalige Waghäuseler Oberbürgermeister und SPD-Kreisrat Walter Heiler mit.

Bis allerdings eine womöglich größere Reform kommt, will man zumindest nicht auf die Kirrlacher Praxis verzichten. 

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