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253-seitiges Dokument

Gefängnisstrafe bei Ehebruch: Im Generallandesarchiv taucht die Steinbacher Stadtordnung aus dem Jahr 1654 auf

Welche Aufgaben hatte früher der Bürgermeister in Steinbach und wie wurde ein Lästermaul bestraft? Antworten auf diese und mehr Fragen haben Dagmar Rumpf und Willi Daferner in Karlsruhe entdeckt.

Historisches Schriftstück
Das Titelblatt: 253 Seiten umfasst der im Generallandesarchiv aufbewahrte Foliant. Foto: Willi Daferner

Nicht immer hält ein Titel, was er verspricht. In vielen Fällen mögen die Erwartungen enttäuscht werden. Bei dem Fund aber, den Dagmar Rumpf und Willi Daferner im Generallandesarchiv Karlsruhe gemacht haben, ist es gerade umgekehrt.

Das 253-seitige Dokument aus dem Jahr 1654, das sie gelesen, transkribiert ausgewertet haben, trägt den Titel „Lagerbuch“. Doch dieses Verzeichnis von Abgaben und zu erbringenden Leistungen bietet noch mehr: eine bislang unbekannte Steinbacher Stadtordnung.

Dagmar Rumpf, die Baden-Badener Stadtarchivarin, und der Schulrektor a. D. Willi Daferner erkannten rasch, welche Entdeckung ihnen gelungen war. Daferner war in der Literatur auf einen Hinweis auf die Stadtordnung gestoßen.

Das warf Fragen auf, schließlich hatte der Ort bereits 1258 das Stadtrecht erhalten. Markgraf Rudolf I. hatte König Richard von Cornwall darum gebeten. „Steinbach erhielt das Freiburger Stadtrecht und ist die einzige badische Stadt mit Gründungsurkunde, noch dazu von einem König“, sagt Daferner.

Mit dem Stadtrecht von 1258 sei die jetzt entdeckte Stadtordnung nicht vergleichbar, sagt Dagmar Rumpf, die sich in ihrer Freizeit mit dem Thema befasst hat: „Die Stadtrechte aus dem Hochmittelalter sind nicht so detailliert wie spätere Stadtordnungen.“

Zudem sei damals das Freiburger Stadtrecht übernommen worden, das das Vorbild für viele Stadtrechte in Südwestdeutschland war. In dem Dokument aus dem 17. Jahrhundert findet sich zunächst ein Auszug aus diesem Stadtrecht, ehe Verfassung und Verwaltungsorganisation der Stadt Steinbach erläutert werden.

Der Leser erfährt unter anderem, welches die Aufgaben der Bürgermeister waren (es gab in Steinbach eine Doppelspitze), was der Büttel verdiente oder welche Strafen ein notorisches Lästermaul erwarteten. Jemanden blutig zu schlagen, galt als großer Frevel und wurde mit drei Pfund Pfennig geahndet. Ehebruch wurde bestraft, Ledige, die beim Beischlaf oder bei „Hurerei“ ertappt wurden, landeten im Gefängnis.

Rumpf und Daferner bedauern, dass etliche andere Artikel zwar angelegt, aber nie mit Inhalt gefüllt wurden. Warum das der Fall ist, ist ungewiss. Sicher sind sie sich indes bei der Einschätzung des zweiten Teils des Folianten: In dem Lagerbuch ging’s ums Geld.

Viele Dokumente sind im Dreißigjährigen Krieg verloren gegangen

Sechs Jahre nach dem Ende des verheerenden Dreißigjährigen Kriegs wollte Markgraf Wilhelm die Rechte und Forderungen seines Hauses neu absichern. „Viele Dokumente waren im Krieg verloren gegangen“, sagt Daferner, französisch-weimarische Truppen hatten am 12. März 1643 Steinbach komplett zerstört.

Der Markgraf ließ 1654 einen neuen „Berain“ für das Amt Steinbach verfassen, ein Abgabenkataster, in dem alle abgabenpflichtigen Güter sowie sämtliche Rechte und Forderungen des Markgrafen aufgeführt sind. Zum Amt Steinbach zählten damals neben der Stadt Steinbach (als Hauptort) die Orte Varnhalt mit Gallenbach, Neuweier mit Schneckenbach, Müllenbach, Eisental und Affental, Leiberstung sowie Weitenung mit Ottenhofen, Elzhofen, Witstung und Ristung.

Rumpf weist hier auf eine weitere Besonderheit des Dokuments hin: „Dass dem Lagerbuch eine Stadtordnung vorangestellt ist, erwartet man deshalb auch nicht, weil das Lagerbuch auf das gesamte Amt Steinbach und die Stadtordnung aber eben nur auf den Ort Steinbach bezogen ist.“

Lagerbuch mit ungewöhnlichen Informationen

Die regionalgeschichtlich bedeutsame Urkunde war bislang wohl noch nicht Gegenstand der Forschung gewesen. Das gilt für das Lagerbuch als solches, aber auch für die vorangestellte Stadtordnung, auch wenn sie auf halbem Wege abgebrochen wurde.

„Dass die bisherige Forschung annahm, dass es für Steinbach keine Aufzeichnungen über die innere Verfassung der Gemeinde gäbe, liegt wohl daran, dass dass solche Informationen in einem Lagerbuch eigentlich nicht zu erwarten sind“, meint Daferner. „Vielleicht wurden diese Statuten deshalb bisher von den Historikern übersehen.“ Dagmar Rumpf und Willi Daferner haben dem Steinbacher Geschichtspuzzle mit ihrer Arbeit ein weiteres Stück eingefügt - auch weil sie sich vom Titel der Urkunde nicht auf die falsche Fährte führen lassen hatten.

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