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Nach Anschlag in Halle

Jörg Meuthen will über Kommunalpolitik in die Regierungsverantwortung

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen bezieht als Gast des AfD-Stammtischs in Bühl Stellung zum Anschlag auf die Synagoge in Halle und wehrt sich gegen die Vorwürfe der anderen Parteien. Gleichzeitig will er sich nicht von Björn Höcke und dem rechten "Flügel" distanzieren. AfD-Kommunalpolitiker sollen der Partei den Weg zur Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien ebnen.

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Politisches Kabarett mit Dieter Klampäckel (links) beim AfD-Stammtisch in Bühl. In der Mitte der Bühler AfD-Stadtrat Peter Schmidt, rechts Bundessprecher Jörg Meuthen. Foto: Ulrich Coenen

Es wird langsam dunkel und es regnet. Am Rand des Cityparkplatzes in Bühl stehen drei kräftige junge Männer, die die Kragen ihrer Jacken hochgeklappt haben. Sie tragen auffällige weiße Binden mit der Aufschrift „Ordner“. Nach und nach trudeln Leute jeden Alters ein. Ein Ordner zeigt in Richtung Bühlertalstraße. Dort steht nur wenige hundert Meter entfernt ein Bühler Traditionsgasthaus, das sich die AfD für ihren Stammtisch ausgesucht hat. Der Bühler AfD-Stadtrat Peter Schmidt erklärt den beinahe konspirativen Charakter des Treffens und sieht sich dabei – wie die AfD es so gerne tut – in der Opferrolle.

Promi beim AfD-Stammtisch in Bühl

„Wir haben für mehrere Stammtische in den vergangenen Wochen Absagen erhalten“, sagt er. „Die Wirte haben Nachteile befürchtet.“ An diesem Abend soll nichts schiefgehen. Mit AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen hat sich der erste Promi der noch jungen Stammtisch-Reihe angesagt.

Meuthen spürt Gegenwind

Der Europa-Abgeordnete gibt sich an diesem Abend vor knapp 100 Zuhörern ausgesprochen zahm. Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle haben die Fraktionen im Bundestag die AfD als geistige Brandstifter heftig attackiert, im Landtag waren ähnliche Töne zu hören. „Ich spüre einen Gegenwind, der meine Partei nicht kalt lässt“, erklärt Meuthen.

In seiner kurzen Rede geht er auf den Terroranschlag ein, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Es sei ein abscheuliches Verbrechen, sagte Meuthen. „Es wäre noch monströser, wenn die Synagogentür dem Attentäter nicht standgehalten hätte.“

„Judentum gehört zu Deutschland”

Der AfD-Politiker konstatiert, dass es in Deutschland einen hochgefährlichen militanten Rechtsextremismus gebe, der mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden müsse. Meuthen spricht im Hinblick auf den Anschlag in Halle von einem „Staatsversagen“.

Der jüdischen Gemeinde sei der gewünschte Schutz verwehrt worden. „Diejenige, die versagt haben, gehen jetzt hin und sagen, die AfD sei böse“, erklärt er. „Wenn wir jemals Verantwortung erhalten, wird es für die jüdischen Mitbürger Schutz geben. Wir stehen ohne Wenn und Aber zum jüdischen Leben in Deutschland. Das Judentum gehört zu Deutschland, und zwar schon immer.“

Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte hingegen nach dem Anschlag in Halle erklärt, die AfD habe mit „ihrer Unkultur von Hass und Aufhetzung den Boden“ für diesen Angriff bereitet.

Historische Verantwortung

Meuthen wirft den „Linken“ vor, mit Aktionen gegen den Staat Israel Antisemitismus zu pflegen. „Wir haben eine historische Verantwortung“, stellt er fest.

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Parteiveranstaltung im Oktober 2019 in Bühl: AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen (links) und der Bühler AfD-Stadtrat Peter Schmidt. Foto: Ulrich Coenen

Betont bürgerlich

Bei der anschließenden Diskussion mit Besuchern gibt sich Meuthen betont bürgerlich, im Gegensatz zu manchen Diskutanten, die einen rechtsextremen Hintergrund erkennen lassen. Auch der Bühler AfD-Stadtrat Schmidt hat als Gastgeber eingangs in einem längeren Vortrag mit der Flüchtlingspolitik ein Lieblingsthema seiner Partei ausgebreitet. Bühler Kommunalpolitik spielt dabei keine Rolle. Zwischendurch versucht sich Dieter Klampäckel aus Baden-Baden, ein Kabarettist aus dem Umfeld der AfD, in Politiksatire.

Was ist mit Höcke?

Es gibt auch kritische Fragen. Der Gernsbacher Stadtrat Ernst-Dieter Voigt (AfD) fordert von Bundessprecher Meuthen eine klare Positionierung gegen rechtsextreme Kräfte in der AfD. Er nennt den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke, Mitgründer der als völkisch und nationalistisch eingestuften Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb der AfD.

„Wir müssen uns von ihm und dem Flügel trennen, sonst gehen wir unter, zumindest im Westen“, warnt Voigt. Meuthen, der im Juli im eigenen Kreisverband Ortenau bei seiner Bewerbung als Delegierter für den Bundesparteitag gescheitert ist, will sich aber nicht von Höcke distanzieren. Er nennt dafür Wolfgang Gedeon und Stefan Räpple. Parteiausschlussverfahren seien aber langwierig und schwierig.

Keine Mehrheit

„Ich teile etliche Positionen Höckes nicht, andere finde ich diskutabel“, sagt Meuthen. Es sei aber nicht klug, Teile der Partei abzuspalten. Der Flügel, in dem es auch gute Leute gebe, habe aber in der Partei „erkennbar keine Mehrheit“. Die AfD sei bürgerlich-konservativ, nicht völkisch nationalistisch. „Warten wir die Wahl des Bundesvorstands Ende November in Braunschweig ab“, meint Meuthen.

Kommunalpolitik als Wegbereiter

Der AfD-Bundessprecher macht keinen Hehl daraus, dass er nach Regierungsverantwortung strebt. „Mein Optimismus reicht aber nicht so weit, dass die AfD die absolute Mehrheit erreichen könnte“, räumt er ein. Es gebe aber in Deutschland eine Mehrheit für das „bürgerliche Lager“.

Meuthen gibt in Bühl den Kurs vor, wie er an die Macht kommen will. Er fordert die anwesenden AfD-Kommunalpolitiker auf, in den Städten und Gemeinden die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien zu suchen. So will er das Eis brechen. Auf Bundes- und Landesebene sei wegen der ablehnenden Haltung der anderen Parteien aktuell keine Zusammenarbeit möglich.

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