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91 Menschen ohne Dach über dem Kopf

Psychische Probleme führen in Bühl immer häufiger zu Obdachlosigkeit

Psychische Probleme, Alkohol und Drogen. Aus diesen Gründen verlieren Menschen ihre Wohnung. Die Stadt Bühl bringt sie in speziellen Immobilien unter. Dort bleiben sie oft für Jahrzehnte. Der Antrieb für einen Neuanfang fehlt.

Ein Obdachloser in der Dortmunder Innenstadt. Das Armutsrisiko in Deutschland ist so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Kein typisches Bild für Bühl: Die Obdachlosen der Stadt werden in kommunalen Wohnungen untergebracht. Aktuell sind es 91. Foto: Ina Fassbender/dpa

„Psychische Probleme als Grund für Obdachlosigkeit werden immer häufiger“, stellt Martin Bürkle fest. Der Fachbereichsleiter Bürgerservice im Bühler Rathaus blickt nicht ohne Sorgen auf die Statistik. Die Zahl der Obdachlosen ist deutlich gestiegen. Jahrelang lag sie bei 70 bis 75 Personen. Vor zwei Jahren schnellte sie auf mehr als 100 hoch. Auslöser war damals ein Großbrand, bei dem viele Menschen ihr Dach über dem Kopf verloren. Diese Leute haben inzwischen zum weitaus größten Teil wieder eigene Wohnungen gefunden. Dennoch betreut die Kommune aktuell 91 Obdachlose. „Die Zahl liegt inzwischen konstant bei 90 bis 95“, berichtet Bürkle.

Neben den zunehmenden psychischen Schwierigkeiten von Menschen nennt der Fachbereichsleiter Alkohol und Drogen als Ursachen für Obdachlosigkeit. Im eigentlichen Sinne obdachlos werden die Klienten der Stadt nach dem Verlust der eigenen Wohnung allerdings nicht, weil sie in kommunalen Wohnungen untergebracht werden.

„Wenn jemand seine Miete nicht mehr zahlen kann, geht der Vermieter vor Gericht“, sagt Bürkle. „Der Termin für die Räumung der Wohnung wird festgesetzt, die Stadt gleichzeitig informiert. Wir zeigen den Betroffenen eine alternative Wohnung, die aber nicht annähernd so komfortabel ist, wie das, was diese Leute bisher hatten.“ Manche suchen sich dann selbstständig eine andere Wohnung. Die anderen landen in städtischen Unterkünften.

Vielen fehlt der Antrieb zum Durchstarten

Viele dieser Klienten bleiben über Jahrzehnte. „Oft fehlt der eigene Antrieb, noch einmal durchzustarten“, weiß Bürkle. „Zahlreiche Menschen fühlen sich aber auch wohl bei uns.“ Hinzu kommt, dass das Einkommen für den ersten Wohnungsmarkt nicht reicht, auch wenn die Obdachlosen einer Beschäftigung nachgehen. Das tut immerhin ein Viertel. Gleichzeitig ist die Miete niedrig. „Ein Einzelzimmer kostet bei uns 267,37 Euro warm im Monat“, erklärt der Fachbereichsleiter. „Keine Studentenbude ist so günstig.“

Wie in einem Studentenwohnheim teilen sich die Bewohner Küche und Sanitäreinrichtungen. Zum Teil werden die Zimmer mit mehreren Personen belegt. Berufstätige erhalten aber ein Einzelzimmer. „Die brauchen abends ihre Ruhe, um über Tag ihrem Job nachzugehen“, stellt Bürkle fest.

In den städtischen Obdachlosenunterkünften ist alles inklusive, nicht nur Wasser, Heizung und Strom, sondern auch Möbel. Der Umgang mit der Einrichtung ist oft nicht pfleglich. Elektroherde halten im Durchschnitt zwei Jahre, Waschmaschinen vier. Außerdem lässt die Stadt nur sehr robuste Küchen aus Edelstahl einbauen.

Obdachlose sind meist männlich

Die Obdachlosen in Bühl sind meist männlich und deutsch. Daneben sind fast alle Nationen dieser Welt vertreten, vom Kosovo bis China. Nur fünf Familien sind dabei, der überwiegende Teil sind Singles oder Paare. Die Obdachlosen erhalten keine Mietverträge, so dass die Stadt sie jederzeit in andere Wohnungen verlegen kann.

Das kommt häufiger vor. Häufig ist Zoff unter den Bewohnern die Ursache. Da fliegen auch schon mal die Fäuste. „Fast immer sind Alkohol oder Drogen der Auslöser“, berichtet Bürkle. Doch auch eine Familie mit 80 Quadratmeter-Wohnung muss diese aufgeben, wenn die Kinder ausgezogen sind. Den Eltern steht so viel Wohnfläche nicht zu.

Um Stress zu vermeiden, achtet die Kommune bei der Verteilung auf Alter, Religion und Nationalität. „Auch der Wunsch nach Sauberkeit spielt eine Rolle“, erklärt der Fachbereichsleiter. Er berichtet von Bewohnern, „da konnte man vom Fußboden essen. Andere Leute verschmieren das Haus mit Fäkalien. Die muss man separieren.“ Der städtische Ordnungsdienst schaut nach dem Rechten. Wenn es zu schlimm wird, kommt die Polizei.

Wohnungen sind über das Stadtgebiet verteilt

Die Stadt hat große eigene Unterkünfte in der Erlenstraße und der Daimlerstraße. Weitere Wohnungen, sowohl im kommunalen Besitz als auch angemietet, sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. „Oft wissen die Nachbarn gar nicht, dass nebenan Obdachlose wohnen“, sagt Bürkle. Adressen nennt er deshalb nicht.

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