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Skandal kostete bisher Millionen

Das ewige Gift – PFAS-Verseuchung in Mittelbaden und die Folgen

So langlebig wie das Umweltgift PFAS, auch PFC genannt, so zäh ist auch der Umgang damit. Landwirte kämpfen mit Einschränkungen. Klagen ziehen sich. Und der Skandal um verseuchte Böden ist richtig teuer.

Eine Chemielaborantin bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg zeigt ein Flasche in der eine Grundwasserprobe enthalten ist.
Eine Chemielaborantin bei der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) zeigt ein Flasche, in der eine Grundwasserprobe enthalten ist. Foto: Uli Deck/dpa

Grund und Boden betroffener Landwirte ist schwerer verkäuflich. Auf den Feldern angebaute Ackerpflanzen, etwa Getreide, müssen regelmäßig beprobt und Grundwasser muss gefiltert werden. Klagen ziehen sich in die Länge.

In Mittelbaden belasten umweltschädliche per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS oder PFC) seit Jahren Grundwasser und Ackerland. Die Kosten sind nach neuesten Zahlen längst im höheren zweistelligen Millionenbereich. Wie ist der Stand?

Wie kam es zu der Verseuchung?

Als Ursache wird die Verschmutzung von Ackerland mit Kompost angenommen, der mutmaßlich mit PFAS-belasteten Papierschlämmen versetzt war. Ein Kompostunternehmen aus Baden-Baden soll das Gemisch bis Ende 2008 auf Feldern in den Kreisen Baden-Baden und Rastatt ausgebracht haben.

Die Verunreinigungen wurden 2013 publik, nachdem die Stadtwerke Rastatt die Schadstoffe bei einer Routineuntersuchung im Grundwasser entdeckt hatten. In Mittelbaden sind mittlerweile rund 1100 Hektar Boden, 58 Quadratkilometer Grundwasseroberfläche und 170 Millionen Kubikmeter Grundwasser mit PFC belastet (Stand Ende 2022). Auch Flächen in Nordbaden bei Mannheim sind betroffen.

Welche finanziellen Folgen hat das alles?

Die Kosten liegen bei inzwischen deutlich über 40 Millionen Euro. Nach Angaben aus dem Umweltministerium hat das Land seit Bekanntwerden des Umweltskandals im Jahr 2013 bis Ende 2023 rund 7 Millionen Euro an Fördermitteln bewilligt. Auf Kreis- und Landesebene wurden den Angaben zufolge weitere rund 13 Millionen Euro ausgegeben - etwa für Untersuchungsprogramme, Pilotprojekte oder Maßnahmen zum Verbraucherschutz. Personalkosten seien dabei nicht mitgerechnet.

Hinzu kommen Aufwendungen, die die Betroffenen - etwa die Stadtwerke Rastatt oder Baden-Baden - selbst stemmen müssen. Sie belaufen sich Stand jetzt auf gut 21 Millionen Euro. So investieren etwa die Stadtwerke Rastatt unaufhörlich.

Erst im November 2023 war Richtfest für eine neue Filteranlage am Wasserwerk Ottersdorf gefeiert worden - Kostenpunkt rund 2,7 Millionen Euro. Sie soll nach Angaben des Versorgers noch im Frühjahr 2024 in Betrieb gehen. Das Land beteilige sich daran mit rund 700.000 Euro, wie die Stadtwerke mitteilten. Außerdem würden drei neue Brunnen gebohrt.

Was für Forschungen gibt es, um dem Gift beizukommen?

Einiges an Forschung, aber bisher wenig wirklich realistische Möglichkeiten, das äußerst langlebige Gift aus den Böden zu bekommen. Einer der Forschungsansätze ist das Projekt Fabeko, wofür in Hügelsheim auf einem verseuchten Acker geforscht wird. Dabei wird der Boden mit einer biologisch abbaubaren Lösung gespült und dadurch werden die PFAS entfernt.

„Bislang befinden sich alle diese Vorhaben in der Entwicklung und sind derzeit noch keine umsetzbare Sanierungsmöglichkeit“, heißt es dazu aus dem Umweltministerium sowie dem Regierungspräsidium Karlsruhe. Lediglich der Aushub oder die Versiegelung belasteter Böden finde bisher Anwendung. „Dies ist jedoch immer nur für einzelne Flächen möglich.“

Welche gerichtlichen Auseinandersetzungen gibt es?

Es gab und gibt einige und beendet ist der Streit vor Gericht noch lange nicht. So gehen die Stadtwerke Rastatt im Rahmen einer Zivilklage gegen den Kompostunternehmer vor. Das Verfahren zieht sich und geht bereits ins dritte Jahr. Die Gegenseite habe bei Gericht nun durchgesetzt, einen anderen Gutachter zu beauftragen, sagt die Stadtwerke-Sprecherin.

„Das zieht das Verfahren in die Länge.“ Die Stadtwerke wollen von dem Komposthändler Schadenersatz in Höhe von rund 6,5 Millionen Euro - plus künftig noch entstehender Kosten. Begonnen hatte der Prozess im März 2021. Auch die Gemeinde Hügelsheim klagt gegen den Unternehmer auf Schadenersatz - schon seit 2017. Das Verfahren ist weiter anhängig, wie eine Gerichtssprecherin sagte.

Das Land wird ebenfalls juristisch belangt: Die Stadtwerke Rastatt reichten im Herbst vergangenen Jahres Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim ein. Damit will der Versorger erreichen, dass die PFC-Belastung in den Gewässerbewirtschaftungsplan aufgenommen wird. Das Verfahren ist momentan ruhend gestellt, wie das Umweltministerium mitteilt. Die Parteien wollten „außergerichtlich Gespräche und Verhandlungen zur Beilegung des Rechtsstreits aufnehmen“. Einen ersten Gesprächstermin könnte es im Januar 2024 geben.

Wie geht es den betroffenen Landwirten?

Für sie gibt es Beratungen und Anbauempfehlungen. Außerdem finanziert das Land das sogenannte Vor-Ernte-Monitoring. Dabei werden Ackerpflanzen - also Getreide, Raps, Erdbeeren oder Mais - regelmäßig getestet.

Wir haben gelernt, damit zu leben.
Stefan Schneider
 Landwirt

Die meisten Bauern in der Region hätten sich mit dem Problem abgefunden, sagt der ebenfalls betroffene Landwirt Stefan Schneider. Ihm sei nur ein Kollege bekannt, der wegen der Verunreinigungen seiner Äcker aufgegeben habe, im Jahr 2019. Schwierig werde es dann, wenn Landwirte verkaufen wollten. „Das würde bestimmt nicht einfach werden, das Land dann loszuwerden“, sagt er. „Aber wir haben gelernt, damit zu leben.“

Hinweis der Redaktion

In einer ersten Version haben wir geschrieben, dass 58 Quadratmeter Grundwasseroberfläche belastet seien. Wir haben das korrigiert.

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