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Protestanten kontra Katholiken

Reformationstag und Allerheiligen: Welche Bedeutung haben solche Kirchentage heute noch?

Immer mehr Menschen kehren der Kirche den Rücken. Kirchliche Feiertage stehen dennoch in jedem Kalender. Warum das nach wie vor sinnvoll ist.

Ein Kalender, der den 31.10. und den 1.11. zeigt.
Im Kalender sind sie beide rot markiert – Feiertag ist aber immer nur einer: Der Reformationstag ist den Protestanten „heilig“, Allerheiligen feiern die Katholiken. Foto: Swantje Huse

Ein Mann schlägt 1517 ein Papier mit 95 Thesen an eine Holztür. Eine Frau verliert ihren Glauben an ein Leben nach dem Tod, aber nicht ihre Liebe zu Gott. Der eine heißt Martin Luther. Die andere Therese von Lisieux. Wichtig sind beide auch heute noch, sagen der evangelische Pfarrer Florian Lampadius aus Loffenau und der katholische Pfarrer Tobias Merz aus Gaggenau.

Allerheiligen ist ein Feiertag, der Reformationstag nicht. Finden Sie das fair, Herr Merz?
Tobias Merz
Historisch betrachtet hat der Katholizismus hierzulande natürlich eine größere Bedeutung. Aber ich würde mich auch über einen Feiertag am Reformationstag freuen. Aber aus unserer katholischen Perspektive steht der Reformationstag natürlich nicht im Mittelpunkt (lacht).
Und Sie, Herr Lampadius, sind Sie ein bisschen eifersüchtig auf die Katholiken?
Florian Lampadius
Nein, überhaupt nicht. Schließlich habe ich da einen Tag frei. Meist fällt Allerheiligen ja sowieso in die Herbstferien. Und wenn der Reformationstag nicht zufällig an einem Wochenende liegt, feiern wir das Reformationsfest einfach am Sonntag danach. Es ist nicht mal ganz sicher, ob Luther wirklich am 31. Oktober seine Thesen an die Kirchentür in Wittenberg angeschlagen hat.
Reformation. Martin Luther. Vielen Menschen sagt das nicht mehr viel. Hat der Reformationstag heute überhaupt noch eine Bedeutung?
Florian Lampadius
Ja, es ist wichtig, dass man sich daran erinnert. Der Reformationstag ist ein Zeichen der Erneuerung und Martin Luther bewundere ich für seinen Freiheitswillen. Er hat seinen Namen ja sehr bewusst von Luder in Luther geändert. Das leitet sich vom Griechischen „eleuteros“ ab, das bedeutet frei. Und dieses Freiheitsdenken ist großartig. Wie wichtig ist heute die Wahrung und Behütung der Gedankenfreiheit? Die Freiheit wird vielfältig bedroht, wie uns die jüngsten Kriege zeigen. Freiheit und Toleranz sind wesentliche Grundpfeiler des Protestantismus.

Allerheiligen feiert die Vielfalt der Menschen

Und Allerheiligen, das Fest zu Ehren aller Heiligen: Wieso ist das heute noch wichtig?
Tobias Merz
Wenn ich Kindern erzähle, dass ihr Name früher schon einmal wichtig war, weil es da jemanden gab, der etwas Besonderes gemacht hat, ist das für viele Kinder eine richtige Offenbarung. Die finden das toll, und das finde ich wiederum toll. Überhaupt ist Allerheiligen ein sehr fröhliches Fest: Da gab es schräge und witzige Typen, aber auch Intellektuelle. Die Heiligen spiegeln die ganze Bandbreite des Lebens und stehen für die Vielfältigkeit der Menschen. Die waren alle keine perfekten Menschen und wurden trotzdem von Gott mit ihren Grenzen anerkannt. Die Botschaft ist doch: Ich darf sein, wie ich bin.
Haben Sie einen Lieblingsheiligen oder eine Lieblingsheilige?
Tobias Merz
Pauline Jaricot, sie ist vergangenes Jahr selig gesprochen worden. Sie kommt aus Lyon und hat die Sternsinger-Bewegung begründet. Und Therese von Lisieux. Sie ist nie aus ihrem Kloster herausgekommen und hat doch in ihrem Handeln die ganze Welt im Blick gehabt und Liebe im Alltag gelebt. Das zeigt: Man muss nicht sein Blut vergießen und sterben, um heilig zu werden.
Und der Reformationstag, hat der für Sie auch eine persönliche Dimension, Herr Lampadius?
Florian Lampadius
Das hat er. Mein Vater hat an diesem Tag Geburtstag, der war auch Pfarrer. Und ich habe ganz bewusst den Termin meiner standesamtlichen Hochzeit auf den 31. Oktober gelegt. Daher ist der Reformationstag für mich auch ganz persönlich ein wichtiger Termin.
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