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Diskussion über Projekt

Mega-Komplex statt günstigem Wohnraum: Grünes Licht mit Nebengeräuschen für Campus in Achern

200 Büroarbeitsplätze, 140 Wohneinheiten und 123 Hotelzimmer entstehen mit dem Powercloud-IT-Campus in Achern. Doch nicht alle Kommunalpolitiker sind mit der Millionen-Investition einverstanden.

Achern IT-Campus Powercloud auf den Illenauwiesen
Die Bauarbeiten für den Powercloud-IT-Campus auf den Illenauwiesen sind weit fortgeschritten. Jetzt gab es im Gemeinderat die Zustimmung zum Bebauungsplan. Foto: Michael Moos

Was hat die „Gentrifizierung“ mit Achern zu tun? Die Antwort gab es jetzt im Gemeinderat: Es geht um den teilweise mit Argwohn betrachteten Zuzug besonders zahlungskräftiger Mieter in die Wohnungen des IT-Campus in Achern. Immerhin steht diesem baurechtlich nun nichts mehr im Weg.

Mit dem Powercloud-IT-Campus auf den Illenauwiesen sowie dem Neubau der Sparkasse am Marktplatz nahm der Gemeinderat Weichenstellungen für zwei zentrale Projekte der städtebaulichen Entwicklung in der Acherner Innenstadt vor.

Trotz kritischer Stimmen haben beide am Ende den baurechtlichen Segen erhalten: Das Stadtparlament hat die Bebauungspläne als Satzung beschlossen und ihnen damit Rechtskraft verliehen.

Pläne für Powercloud-Campus in Achern stoßen auf Kritik

Ganz geräuschlos ging die Debatte über die beiden Millionenprojekte nicht über die Bühne. Was die Sparkasse betrifft, hatte die Acherner Bürger Liste (ABL) kürzlich mit Blick auf die Höhe des geplanten Neubaus Bedenken angemeldet, stellte diese dann aber zurück und stimmte am Ende ebenso wie alle anderen Fraktionen für den Bebauungsplan.

Anders im Fall der Illenauwiesen: Hier votierte die ABL im Verein mit den SPD-Vertretern gegen das Projekt, das bekanntlich Wohnungen und Büros für die Firma Powercloud, ein Hotel sowie einen „Bürgerpark“ vorsieht.

Auf Missfallen der ABL-Vertreter stieß vor allem die Tatsache, dass die mittlerweile bereits recht weit fortgeschrittene Bebauung mit 200 Büroarbeitsplätzen, 140 Wohneinheiten und 123 Hotelzimmern seit der Vorstellung der Pläne im Bauausschuss im Juni 2020 faktisch ohne rechtskräftigen Bebauungsplan realisiert wurde.

Achern Bürgerpark und IT-Campus Powercloud auf den Illenauwiesen (Stand der Bauarbeiten 10/2023)
Die Pläne für das Projekt wurden im Juni 2020 vorgestellt. Foto: Michael Moos

Fraktionschef Manfred Nock erinnerte daran, dass die Planungen zur Bebauung der einst vom französischen Militär genutzten Illenauwiesen letztlich auf dem Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs fußten, dann aber mit Blick auf die bauliche Verdichtung, Änderungen der Kubatur und der Geschossflächen massiven Änderungen unterworfen wurden.

Gleichzeitig habe man Verzögerungen im Bebauungsplanverfahren jeweils mit der Frage begründet, ob der geplante Hotelbetrieb realisiert wird oder nicht.

Der Investor konnte sich freikaufen und bekommt obendrein eine grüne Lunge auf Kosten der Stadt mitgeliefert.
Manfred Nock
Franktionschef der ABL

Was die ABL-Vertreter im Gemeinderat besonders fuchst, ist die Tatsache, dass die Stadt in diesem Fall auf die in Achern ansonsten übliche Verpflichtung zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums verzichtet hat: „Der Investor konnte sich freikaufen und bekommt obendrein eine grüne Lunge auf Kosten der Stadt mitgeliefert“, wetterte Nock.

Anstelle von preisgünstigen Wohnungen erfolge mit einer strengen Auswahl der Mieter nun eine „städtebauliche Gentrifizierung“.

Das wollten CDU und Freie Wähler (FW) so nicht stehen lassen. FW-Fraktionssprecher Thomas Kohler kam nach einer Internet-Recherche zur Auffassung, dass das Wort von der „Gentrifizierung“ nicht zutreffe: Laut Wikipedia bezeichne man mit diesem Begriff den „sozioökonomischen Strukturwandel“ großstädtischer Viertel durch eine Attraktivitätssteigerung zugunsten zahlungskräftigerer Eigentümer und Mieter, so Kohler.

Freie Wähler: Bebauung der Illenauwiesen eine Bereicherung

Davon könne bei den Illenauwiesen keine Rede sein. „Dort gab es besonders günstige Bedingungen: Es standen lediglich ein paar Hallen“, lästerte Kohler.

Dass die Powercloud-Bebauung „ein bisschen höher und ein bisschen größer“ ausfällt, stört Kohler nicht, bekomme Achern im Gegenzug hochwertigen Wohnraum, ein neues Hotel und einen Park, der keineswegs nur den Bewohnern des IT-Campus offenstehe. Die Bebauung der Illenauwiesen sei „eine Bereicherung für unsere Stadt“.

Blick auf die Baustelle auf den Illenauwiesen
Auf dem Areal entstehen insgesamt 200 Büroarbeitsplätze, 140 Wohneinheiten und 123 Hotelzimmer Foto: Michael Moos

Ähnlich äußerte sich CDU-Fraktionschef Karl Früh: „Das Projekt ist in sich stimmig.“ Zugleich wies Früh den Vorwurf zurück, auf den Illenauwiesen sei ohne Genehmigung gebaut worden: „Rechtswidrig hat sich niemand verhalten.“

Zudem verteidigte Früh den in diesem Fall geübten Verzicht auf die Schaffung preisgünstigen Wohnraums: „Das war kein Freikauf, sondern ein Geschäft zwischen dem Investor und der Stadt, die sich bewusst für die Ansiedelung eines innovativen Unternehmens entschieden hat.“

Es sind uns in günstiger Lage mindestens 22 preisgünstige Wohnungen entgangen.
Markus Singrün
SPD-Gemeinderat

„Es sind uns in günstiger Lage mindestens 22 preisgünstige Wohnungen entgangen“, hielt Markus Singrün im Namen der SPD dagegen. Auch er hätte dem im anfänglichen Wettbewerb siegreichen Entwurf den Vorzug gegeben.

Auf den Begriff der „Gentrifizierung“ kam schließlich Nils Günnewich (Die Grünen) zurück. „Eine gewisse Gentrifizierung ist sogar gewünscht“, meinte er. Denn der Zuzug zahlungskräftiger Menschen sei letztlich im Interesse des Einzelhandels.

Auch die Kritik an einer besonders strengen Auswahl solventer Mieter wollte der Grünen-Stadtrat so nicht stehen lassen: „Dass man sich als Bewerber für eine Mietwohnung gewissermaßen nackig machen muss, ist normal – auch in Achern.“

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