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Feuerwehrleute als Ersthelfer?

Weitere Kritik am Abzug des zweiten Rettungswagens aus Achern

Angesichts des jüngsten Unfalls auf der Acherner Lammbrücke reißt die Kritik an der Verlegung des zweiten Rettungswagens aus der Hornisgrindestadt nicht ab. Das Landratsamt in Offenburg und der Rettungsdienst Ortenau betonen, dass die vorgegebenen Hilfsfristen auch in diesem Fall eingehalten worden seien.

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SCHNELLE HILFE garantiert der Rettungsdienst des Roten Kreuzes in Achern. Dennoch will die Kritik am Abzug des zweiten Rettungswagens nicht verstummen. Foto: Roland Spether

Es sind bange Minuten. Eine Frau liegt schwer verletzt unter einem Mülllaster, dessen Fahrer die Fußgängerin beim Abbiegen von der Lammbrücke in die Straße An der Acher offenbar übersehen hatte. Obwohl das Krankenhaus und auch die Rettungswache nur wenige hundert Meter entfernt sind, müssen Ersthelfer und Feuerwehrleute vergleichsweise lang auf das Eintreffen professioneller Hilfe warten. „Das kommt öfter vor, seit der zweite Rettungswagen von Achern nach Appenweier verlegt wurde “, sagt Michael Wegel, Kommandant der Acherner Feuerwehr, Kreisbrandmeister und Vorsitzender der Feuerwehrverbandes Ortenaukreis. Das Landratsamt in Offenburg und der Rettungsdienst Ortenau widersprechen: Die vorgegebenen Hilfsfristen seien auch in diesem Fall eingehalten worden.

Zusätzliche Aufgaben für Ehrenamtliche?

Fälle wie dieser am Montag häufen sich, sagt Michael Wegel. „Das war besser, als in Achern noch ein zweiter Rettungswagen stationiert war.“ Wegel befürchtet, dass die Feuerwehrleute künftig häufiger Erste Hilfe leisten müssen. Die seien zwar entsprechend ausgebildet und ausgerüstet, aber nicht unbegrenzt verfügbar. „Wir befürchten, dass hier zusätzliche Aufgaben auf Ehrenamtliche verschoben werden.“ Mit seiner Meinung hält Wegel nicht hinterm Berg: „Der Rettungswagen in Appenweier hätte zusätzlich stationiert werden müssen.“

Rettungswagen bereits in anderem Einsatz

Tatsächlich war die Feuerwehr am Montag laut Wegel rund zehn Minuten vor dem Rettungsdienst am Einsatzort an der Lammbrücke. Das bestreitet Urs Kramer als Leiter des Amtes für Brand- und Katastrophenschutz beim Landratsamt Ortenau nicht: „Zum Ereigniszeitpunkt befand sich der erste Rettungswagen aus Achern bereits in einem anderen Einsatz und war somit nicht einsetzbar, ebenso der Rettungswagen aus Appenweier.“ Einspringen musste die Besatzung des in Freistett stationierten Rettungswagens.

Therapiefreies Intervall "realtiv kurz gehalten"

Dessen Besatzung traf laut Kramen innerhalb von zehn Minuten und damit innerhalb der Hilfsfrist am Unfallort ein. Da die Feuerwehr bereits nach sechs Minuten vor Ort gewesen sei und qualifizierte Erste Hilfe-Maßnahmen vornehmen konnte, habe das therapiefreie Intervall zwischen Unfallereignis und medizinischer Versorgung relativ kurz gehalten werden können, so Kramer, der damit indirekt die Befürchtungen Wegels bestätigt. Kramer stellt fest: „Aus rettungsdienstlicher Perspektive erhielt die verunfallte Fußgängerin die notwendige präklinische Notfallversorgung vor Ort.“

Ähnliches Szenario auch in der Vergangenheit

Im Übrigen verweist Kramer darauf, dass es ähnliche Konstellationen auch gab, als der zweite Rettungswagen noch in Achern stationiert war: „So konnte es bereits in der Vergangenheit passieren, dass bei einem Ereignis in Achern ein Rettungswagen aus Offenburg, Oberkirch oder Bühl eingesetzt werden musste.“

"Objektives Bild" über Veränderungen

„Es ist uns bewusst, dass das Thema sehr emotional wahrgenommen wird“, erklärte Michael Haug, Geschäftsführer des DRK-Rettungsdiensts Ortenau gGmbH und Leiter des für den Rettungsdienst zuständigen Bereichsausschusses, auf Anfrage. Allerdings ziele das Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg „nicht auf Einzelschicksale ab, sondern auf die Versorgung aller Bürger eines Rettungsdienstbereichs“. Man verschaffe sich regelmäßig „ein objektives Bild“ über Veränderungen der Hilfsfristen, die den Bürgern laut Gesetz in 95 Prozent aller Notfalleinsätze innerhalb 15 Minuten qualifizierte Hilfe garantieren sollen. Laut Haug werde durch die zum 1. Juli realisierte Verlegung des zweiten Rettungswagen von Achern nach Appenweier erreicht, dass in Duplizitätsfällen die Versorgungsbereiche Kehl, Rheinau, Oberkirch, Achern und Offenburg in der vorgegebenen Hilfsfrist erreicht, was einer großen Bevölkerungsgruppe zu Gute komme.

Trends ab Jahresende

Zuverlässige Trends würden laut Haug aber erst Ende des Jahres vorliegen. Laut Michael Haug wurden zwischen dem 1. Juli und dem 10. September in 57 Fällen Rettungswagen aus Appenweier oder Freistett mit Sondersignal in Achern unterwegs.

Personalmangel als weiteres Problem

Ein im Rettungsdienst stets aktuelles Thema ist der Personalmangel. Nicht jedoch im Bereich des DRK-Rettungsdiensts Ortenau. Laut Michael Haug sei es durch Kooperationen mit anderen Organisationen bislang stets möglich gewesen, „alle Vorhaltungen in der Notfallrettung besetzen zu können“. Haug sprach von „marginalen Ausnahmen“.

Rettungsdienst Ortenau

Die Verlegung des zweiten Rettungswagens (RTW) von Achern nach Appenweier hatte von Anfang an für Kritik gesorgt. Der Bereichsausschuss für den Rettungsdienstbereich Ortenaukreis, der nach dem Rettungsdienstgesetz für die personelle und sächliche Ausstattung des Rettungsdienstes verantwortlich ist, hatte die Umstrukturierung beschlossen mit der Auflage, dieses Fahrzeug ab 1. Januar kommenden 24 Stunden täglich zu betreiben. In Achern war der RTW nur von 7 bis 19 Uhr besetzt. Da der DRK-Kreisverband Bühl-Achern wegen Personalmangels dieses Fahrzeug ab 1. Juli 2019 nicht mehr betreiben konnte, ist die DRK Rettungsdienst Ortenau gGmbH für die Verpflichtung eingetreten und besetzt die Rettungswache Appenweier bis zum 31. Dezember 2019 von 6 bis 22 Uhr, unter Zuhilfenahme von Kooperationspartnern. Danach wird der Arbeiter-Samariter-Bund die Rettungswache in Appenweier übernehmen. Ebenfalls ist entschieden worden, ein Rettungsmittel aus Offenburg nach Gengenbach zu verschieben und dort ebenfalls eine neue Rettungswache zu gründen. Auch für diese RTW-Vorhaltung ist eine Vorhalteerweiterung um 14 auf 24 Stunden beschlossen worden, so dass auch an diesem Standort seit Mitte Juli eine rund um die Uhr Besetzung gewährleistet ist.

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