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Polizeipräsidium Offenburg warnt

Der fiese Griff nach dem Ersparten: Der Enkeltrick wird immer mehr zum Problem in der Region

Enkeltrick hört sich irgendwie harmlos an. Ist es aber nicht: Immer mehr Menschen werden rüde abgezockt, warnt das Polizeipräsidium Offenburg. Jetzt kommt ein neuer Trick dazu.

Eine ältere Frau telefoniert mit einem schnurlosen Festnetztelefon.
Fiese Tricks fast ohne Risiko: Vor allem ältere Menschen geraten ins Visier von Schockanrufen oder dem Enkeltrick, der etwas weniger aggressiven Variante. Das Polizeipräsidium Offenburg zählte 2022 schon mehr als 1.000 Fälle. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Der Anruf kam an einem Nachmittag im März. Ein enges Familienmitglied stehe am Bankschalter. Es wolle alle Wertsachen aus dem Tresor holen. Der aufmerksame Mitarbeiter eines Kreditinstituts aus der Ortenau war die letzte Verteidigungslinie im Kampf gegen eine kriminelle Masche, die in den vergangenen fünf Jahren wie eine Flut über die Region gekommen ist.

Schockanrufe, Enkeltrick, falsche Polizeibeamte – diese Begriffe fassen zusammen, wie vor allem lebensältere Menschen durch fiese Betrügereien schamlos ausgeplündert werden. Den unrühmlichen Höhepunkt erreichte die Masche vor ein paar Wochen: 180.000 Euro ergaunerten die Täter, die oft im Ausland sitzen, mit einem einzigen Anruf.

Das Geschäft mit der Täuschung und den Gefühlen, es floriert. Mehr als 1.000 Meldungen waren bis zum 1. Juli beim Polizeipräsidium Offenburg aufgelaufen, vollendete Taten und Versuche. Es ist für die Hintermänner praktisch risikolos.

Die Aufklärungsquote liegt 2022 bei null, räumte die Polizei am Donnerstag in einem Pressegespräch in Offenburg ein. Die Beamten setzen deshalb auf Prävention, warnen die potenziellen Opfer wo immer sie können. Bis zum aufgedruckten Hinweis auf 80.000 Brötchentüten.

Die Bankmitarbeiter greifen auch gegen den Willen des Opfers ein.
Jürgen Kern, Leiter der Kriminalinspektion 3

Oft genug leider ohne Erfolg. Das liegt daran, dass die Täter ebenso beredsam wie skrupellos sind. „2HP“ nennt Raoul Hackenjos, neuer Chef der Kriminalpolizeidirektion im Präsidium, die Masche: „Hoch professionell und hoch perfide“.

Wie es wirkt, zeigt der geschilderte Fall. Ein Familienmitglied sei an Corona erkrankt und brauche dringend ein teures, lebensrettendes, Medikament. Die Geschichte, erzählt vermutlich in einem Callcenter in Ost- oder Südosteuropa, war so heftig, dass das betagte Opfer Hals über Kopf zum wartenden Taxi rannte und in der Aufregung sogar den Hausschlüssel vergaß.

Das Ersparte ist dann schnell weg

Hätte die Bank nicht eingegriffen, das Ersparte wäre weg gewesen. Doch die Dinge noch zu stoppen, ist oft gar nicht so einfach: „Die Bankmitarbeiter greifen auch gegen den Willen des Opfers ein“, sagt Jürgen Kern, Leiter der für Betrug zuständigen Kriminalinspektion 3 im Präsidium. Die Menschen würden teilweise unter einem derartigen psychischen Druck stehen, dass sie selbst auf die Warnungen des Mitarbeiters am Schalter nicht hören wollen.

Die Prävention wirkt. „Bei einem Großteil der Fälle kommt es nicht zum Vermögensschaden“, sagt Hackenjos, 830 versuchte Enkeltricks seit Jahresbeginn stehen 13 Vermögensschaden gegenüber. Doch die, leider, oft im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Da sei dann weg, was man sich ein Leben lang zusammengespart habe.

Neue Masche kommt gerade in Mode

Es taucht gerade eine neue Masche auf, der Betrug per Whatsapp. Da gibt sich ein Unbekannter als Familienmitglied aus, das sein Mobiltelefon verloren hat. Deshalb die unbekannte Nummer. Man müsse, so die dringliche Forderung in der Regel an Eltern oder Verwandte, schnell eine Rechnung bezahlen. Das Geld ist natürlich weg.

„Durch diese Welle explodieren gerade die Zahlen“, sagt Jürgen Kern, Leiter der für Betrug zuständigen Kriminalinspektion 3 im Präsidium. Denn hier kommen die Betrüger viel öfter ans Ziel. Von 270 Versuchen seit Jahresbeginn war jeder fünfte erfolgreich. Ein Alarmzeichen, wenn auch die Schadenssumme hier niedriger ist, im Schnitt so um 2.000 Euro.

Die Polizei tut sich schwer. Das liegt an der schieren Masse der Betrugsversuche und auch am professionellen Vorgehen der im Ausland sitzenden Täter: „Der Organisationsgrad ist hoch und das Ganze findet ohne Reisegewerbekarte statt“, sagt Hackenjos. Die falschen Polizeibeamten rufen oft aus der Türkei heraus an, die Hintermänner des Enkeltricks vermuten die Ermittler in Polen.

Und alle sind emsig am Werk: „Die telefonieren im Minutentakt, bis sie irgendjemand an der Strippe haben, der mitmacht“, sagt Nadine Bandleon aus der 2020 gegründeten „Ermittlungsgruppe Telefon“.

Mieser Trick in vielen Verkleidungen

Der Enkeltrick kommt in vielen Verkleidungen. Falsche Polizeibeamte, die dem Opfer vorgaukeln, es stehe auf der Liste von Kriminellen und es solle daher „zur Sicherheit“ dem gleich vorbeikommenden Beamten Geld und Wertsachen aushändigen; der „klassische“ Enkeltrick, in dem ein vermeintlicher Enkel oder Sohn Geld für eine große Anschaffung erbettelt, ein Auto, ein Haus oder etwas Ähnliches.

Und der Schockanruf: Ein Verwandter sei in einen Unfall im Ausland verwickelt und müsse dringend Kaution aufbringen, bevor er in irgendeinem Gefängnis versauere. Und, inzwischen wieder out, die Corona-Variante, siehe oben.

„Da wird so viel Druck ausgeübt am Telefon, dass die Menschen gar nicht zum Nachdenken kommen“, sagt Kern. Meist werde versucht, das Opfer am Telefon zu halten, so dass es die Geschichte nicht überprüfen kann. Die Täter wollen Bargeld und Schmuck, fliegen sie auf, werden sie aggressiv, um das Opfer einzuschüchtern, damit es nicht zur Polizei geht. Deshalb, und weil manche sich schämen, gehen die Ermittler von einer hohen Dunkelziffer aus. Die 1.000 erfassten Fälle sind also wohl nur die Spitze des Eisbergs.

Beim Kampf gegen betrügerische Schockanrufe setzt die Polizei vor allem auf Prävention – nicht nur im Umfeld von Senioren. Laut Susanne Steudten, die das Referat Prävention des Polizeipräsidiums leitet, werden auch Taxifahrer angesprochen, da ältere Menschen sich häufig zum Geldabheben per Taxi zur Bank fahren lassen, ebenso werden Bank-Beschäftigte sensibilisiert. Die Präventionsexpertin rät:

  • Seien Sie misstrauisch.
  • Raten Sie nicht, wer anruft.
  • Erfragen Sie Dinge, die nur echte Verwandte/Bekannte wissen können.
  • Legen Sie bei verdächtigen Anrufen sofort auf und informieren Sie unverzüglich die Polizei unter 110.
  • Lassen Sie sich nicht drängen und unter Druck setzen.
  • Nehmen Sie sich Zeit, die Angaben des Anrufers zu überprüfen.
  • Wenn Anrufer Geld oder andere Wertsachen fordern, besprechen Sie dies mit Ihnen nahe stehenden Personen.
  • Übergeben Sie niemals Geld / Wertsachen wie Schmuck an Unbekannte.
  • Lassen Sie ihren Vornamen im Telefonbuch abkürzen.
  • Bewahren Sie Wertsachen auf der Bank oder im Bankschließfach auf.
  • Die Polizei ruft nie unter 110 an.
  • Niemals die Rückruffunktion nutzen.

Wer Opfer eines Enkeltricks wurde: Die Tat unbedingt anzeigen.

Weitere Infos unter: www.polizei.beratung.de; www.weisser-ring.de.

Präventionsveranstaltungen können gebucht werden unter offenburg.pp.praevention@polizei.bwl.de.

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