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Heikle Entscheidung für Hausbesitzer

Die alte Ölheizung soll raus – aber was kommt danach?

Viele Eigenheimbesitzer beschleicht aktuell das Gefühl: „Ich kann es gar nicht richtig machen.“ Die Energiewende muss sein – aber die Ideallösung für die neue Heizungsanlage ist nicht in Sicht. Die BNN begleiteten eine Energieberaterin beim Hausbesuch in Durmersheim.

Ist da Haus für die Energiewende gewappnet? Energieberaterin Michaela Brecht (rechts) sichtet gemeinsam mit den Hausbesitzern Sonja und Achim Ganz auch die Baupläne. Hinweise auf Wärmebrücken könnten sich dort finden lassen.
Ist das Haus für die Energiewende gewappnet? Energieberaterin Michaela Brecht (rechts) sichtet gemeinsam mit den Hausbesitzern Sonja und Achim Ganz die Baupläne. Hinweise auf Wärmebrücken könnten sich dort finden lassen. Foto: Elvira Weisenburger

Achim Ganz ist nicht der Typ von Hausbesitzer, der sich leicht verunsichern lässt. Schon den Bau seines Eigenheims in den 90er-Jahren hat der Ingenieur aus Durmersheim gründlich durchdacht.

Auch jetzt hat er viele Informationen gesammelt, Zahlen und Argumente abgewogen. Umso hellhöriger macht es, wenn der 62-Jährige diesen Satz sagt: „Wir sind unschlüssig, was wir machen sollen.“

Ganz und seine Frau Sonja stecken im gleichen Dilemma wie Millionen von Hausbesitzern in Deutschland: Sie müssen in absehbarer Zeit ihre alte Ölheizung ersetzen – aber eine absolut überzeugende neue Lösung ist nicht in Sicht. Und die Preise scheinen zu galoppieren.

40.000 Euro für eine Holzpellets-Heizung, 55.000 für Wärmepumpe plus Solaranlage

Was empfiehlt wohl eine Energieberaterin, die täglich mit diesem vertrackten Thema befasst ist? Michaela Brecht von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) besucht das Ehepaar Ganz zu einem ersten Austausch. Auf dem Tisch liegen schon mehrere Angebote von Heizungsfirmen. „Die Holzpelletsheizung würde bei 40.000 Euro liegen“, sagt Ganz. Dann blättert er die Kalkulation für eine Kombination aus Wärmepumpe und Solar-Anlage auf.

„Die Photovoltaik war gedacht, um Strom für die Wärmepumpe zu erzeugen“, erklärt er. „Die Split-Wärmepumpe mit Hybridspeicher kostet bei diesem Anbieter rund 30.000 Euro – und für die Photovoltaik-Anlage plus Speicher kämen weitere 25.000 Euro hinzu.“ Macht also rund 55.000 Euro. Eine neue Ölheizung würde dagegen 26.000 Euro kosten – in Verbindung mit Solaranlagen ist das immer noch möglich.

Wärmepumpen erscheinen aktuell allerdings als große Verheißung – vor allem solche, die Wärme aus der Umgebungsluft ansaugen und verhältnismäßig einfach zu installieren sind.

Karlsruher erforscht am KIT die Energieversorgung der Zukunft

Doch in Altbauten können sie auch zu teuren Stromfressern werden – wenn die Gebäude schlecht isoliert und mit klassischen Radiatoren-Heizkörpern ausgestattet sind. „Das sind die Hausbesitzer, die am Ende dastehen und über überhöhte Stromrechnungen klagen“, weiß Energieberaterin Brecht aus Erfahrung.

Irgendwann ist die Wärmepumpe nur noch ein Tauchsieder.
Wolfgang Köppel, Forscher Karlsruher Institut für Technologie

Eine effiziente Wärmepumpe sollte schon eine Jahresarbeitszahl von 3 erreichen. Das heißt: Für eine Kilowattstunde Strom, die man reinsteckt, sollte sie drei Kilowattstunden Wärme erzeugen.

Mancher schlecht sanierte Altbau erreicht allerdings nur ein Verhältnis von 1: 1,5. „Irgendwann ist die Wärmepumpe nur noch ein Tauchsieder“, warnt auch Wolfgang Köppel, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für die Energieversorgung der Zukunft forscht. „Das ist die Krux, warum immer wieder von einer Wärmepumpen-Lüge gesprochen wird. Wobei ich den Begriff nicht mag, denn die Physik lügt nicht.“

So funktioniert Heizen mit Sonnenenergie und Geothermie
So funktioniert Heizen mit Sonnenenergie und Geothermie Foto: BNN-Infografik

Für das Ehepaar Ganz stehen die Chancen gut, eine ordentliche Heizungsausbeute zu erzielen. „Wir haben eine Fußbodenheizung“, hat Achim Ganz der Energieberaterin gleich eingangs erklärt. Das Dach hat er bereits beim Bau im Jahr 1995 dick von außen gedämmt. Und gemauert ist das großzügige Einfamilienhaus aus gut isolierenden Porenbeton-Blöcken. „Das sind schon mal gute Voraussetzungen“, meint Brecht. „Eine Vorlauftemperatur von 50 bis 55 Grad bei der Heizung dürfte hier ja kein Problem sein.“

Die Hausbesitzer nicken zufrieden – dennoch haben sie Zweifel. Sie wissen, dass Solaranlagen gerade in jenen Wintermonaten, in denen die Heizung am meisten arbeiten muss, die geringste Sonnenausbeute hat. An bitterkalten Tagen hat man dann doch wieder eine Stromheizung.

Viele Senioren bekommen gar keinen Kredit für teure energetische Sanierungen

Über eine Grundwasser-Wärmepumpe haben sie auch schon nachgedacht – die liefert aus dem Erdreich deutlich mehr Energie als die Luftabsaugung. Aber auch da gibt es Haken. Zunächst einen finanziellen. „Allein für die Bohrung sind etwa 15.000 bis 25.000 Euro fällig“, gibt die Energieberaterin zu bedenken. Außerdem muss schweres Gerät anrollen, Flächen werden aufgerissen. „Am besten eignet sich diese Lösung, wenn die Baugrube noch offen ist, oder wenn Hof und Garten sowieso neu angelegt werden“, meint Brecht.

Heizen und Erneuerbare Energien in Deutschland
Heizen und Erneuerbare Energien in Deutschland Foto: BNN-Infografik

Für viele Sanierungswillige sind solche Ausgaben ohnehin utopisch. „Am Telefon haben wir oft ältere Leute, die ein Haus aus den 70er-Jahren haben“, erzählt Brecht. „Die bekommen zum Teil keinen Kredit mehr.“ Und selbst für wohlhabende Senioren sei die Entscheidung schwierig. Erst für viele Zehntausend Euro Heizung und Fassade umkrempeln – und zwei Jahre später doch ins Betreute Wohnen ziehen? Das scheint dann wenig reizvoll. Obwohl es satte Zuschüsse vom Staat gibt.

Bis zu 50-prozentige Zuschüsse sind drin – aber auch die Preise steigen und steigen

Bis zu 50 Prozent der Ausgaben können Hausbesitzer bei der Heizungssanierung zurückbekommen, erklärt Brecht: Wird eine Ölheizung durch ein umweltfreundliches System ersetzt, winkt zusätzlich zur 35-prozentigen Grundförderung ein Austausch-Bonus von zehn Prozent. Weitere fünf Prozent Zuschuss gibt es, wenn Hausbesitzer einen „Sanierungsfahrplan“ bei Energieberatern erstellen lassen. „Das lohnt sich ab einer Maßnahme von etwa 20.000 Euro“, sagt Brecht.

Denn Hausbesitzer müssten mit einem Eigenanteil von mindestens 500 bis 1.000 Euro für dieses Sanierungskonzept rechnen. Manche Anrufer fragten nur nach „diesem Fünf-Prozent-Papier“, wüssten aber oft nicht mehr darüber. Auch Obergrenzen für die Zuschüsse sind zu beachten: Maximal 60.000 Euro förderfähige Kosten würden mit bis zu 50 Prozent bezuschusst, erklärt Brecht.

Trotz der Spendierlaune des Staates: Häuslebauer haben aktuell den Eindruck, dass sie in den Sog einer rasanten Preisspirale geraten – durch Inflation, steigende Rohstoffpreise, Lieferengpässe, Handwerker-Mangel und die hohe Nachfrage. „Die Zuschüsse steigen, aber auch die Herstellerpreise und die Handwerkerpreise steigen“, sagt Brecht. „Die Frage ist, was bei den Endkunden von den Zuschüssen letztlich ankommt.“

Die Handwerker sind ausgebucht, das wird sich nicht so schnell ändern.
Michaela Brecht, Energieberaterin

Sonja Ganz fragt sich da: „Ist es ratsam, noch zu warten?“ Die Energieberaterin glaubt nicht, dass sich der aufgeheizte Markt schnell abkühlt. „Die Handwerker sind ausgebucht“, meint Brecht, „das wird sich nicht so schnell ändern.“

Allerdings gebe es durchaus einen Weg, sich die hohen staatlichen Zuschüsse zu sichern und dennoch in Ruhe den Heizungstausch zu planen und abzuwickeln: „Man kann jetzt schon den Antrag stellen und hat danach 48 Monate Zeit“, erklärt Brecht. Nach spätestens vier Jahren müsse die Schlussrechnung beim BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) eingereicht sein.

Korrekt oder oberflächlich: Angebote der Handwerker sind nicht zu vergleichen

Ob es beim Ehepaar Ganz am Ende vielleicht doch die Rechnung für eine Holzpellets-Heizung wird? Brecht ist keine Anhängerin dieser Idee. „Ich würde Ihnen tatsächlich zur Wärmepumpe raten“, sagt sie. Bei der Preisentwicklung für den Rohstoff Holz sieht sie eine große Unsicherheit. Pellets-Heizungen findet sie eher geeignet für Altbauten, die nicht so gut isoliert sind und deren Heizungen hohe Vorlauftemperaturen brauchen.

Entscheiden muss das Hausbesitzer-Paar letztlich selbst. Dass Handwerker-Angebote nur bedingt vergleichbar sind, haben sie gerade auch wieder festgestellt. Achim Ganz deutet auf das Pellets-Angebot. „Da ist wirklich alles drin, auch der Ausbau und die Entsorgung des Öltanks, sogar der Anstrich danach“, sagt Achim Ganz. Und der so wichtige hydraulische Abgleich für die Heizung sowieso. Beim Wärmepumpen-Angebot fehlen diese Leistungen.

Die Stadtwerke müssten ihre Netze umbauen.
Clemens Düpmeier, Forscher Karlsruher Institut für Technologie

Eigentlich würde den Eigenheim-Besitzer auch eine ganz andere Technologie fürs eigene Haus reizen: Wasserstoff. Aber eine serienreife, unkomplizierte Lösung ist nicht in Sicht – da machen Energieberater und Wissenschaftler aktuell wenig Hoffnung.

„Wasserstoff für Privathaushalte ist kein Thema“, so fasst Clemens Düpmeier vom „Energy Lab“, dem Energie-Labor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), zusammen. Der Forscher findet es allerdings fatal, dass aktuell fast jeder Hausbesitzer über seiner eigenen Energiewende brüten muss. „Es wäre der falsche Weg, diese Last nur den Häuslebauern aufzuerlegen“, meint er. „Das ist eher ein Problem der Infrastruktur. Die Stadtwerke müssten ihre Netze umbauen.“

„Wir brauchen eine kommunale Planung“, fordert auch Wolfgang Koeppel, KIT-Gruppenleiter Systeme und Netze. Leider würden die Netze für Strom, Wärme und Gas oft immer noch getrennt betrachtet.

Aber sämtliche Faktoren müssten einbezogen werden: Wie stark saugen Elektro-Autos an den Netzen? Wer speist wie viel Sonnenstrom ein? Wie viele Wärmepumpen brauchen an eisig kalten Wintertagen gleichzeitig Energie? Für welche Wohnviertel wären Blockheizkraftwerke die sinnvollere Lösung als lauter einzelne Heizungserneuerungen? Auf diese große Energiewende kann Achim Ganz wohl kaum warten. 27 Jahre alt ist seine Ölheizung: „Da ist noch der erste Brenner drin.“

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