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Land soll für Schäden zahlen

Rastatter Stadtwerke-Chef: Rechtsstreit wegen PFC wird sich wohl jahrelang hinziehen

Die Stadtwerke Rastatt mussten nach eigenen Angaben bereits 6,5 Millionen Euro ausgeben, um PFC aus dem Trinkwasser zu filtern – und es soll noch mehr werden. Dieses Geld wollen sie zurückholen.

Olaf Kaspryk mit seiner Klageschrift gegen den mutmaßlichen Verursacher der PFC-Verunreinigung.
Olaf Kaspryk mit seiner Klageschrift gegen den mutmaßlichen Verursacher der PFC-Verunreinigung. Foto: Julia Weller/BNN-Montage

Die PFC-Verunreinigungen kamen die Stadtwerke Rastatt – und damit alle Bürger, die in der Region ihr Wasser beziehen – teuer zu stehen. Geschäftsführer Olaf Kaspryk fordert im BNN-Interview finanzielle Unterstützung vom Land und beruft sich dabei auf EU-Recht.

Das Wasserwerk Rauental mussten die Stadtwerke Rastatt 2013 wegen der hohen PFC-Belastung außer Betrieb nehmen und umbauen. Weil die PFC-Fahne im Boden weiterfließt, sind die Chemikalien mittlerweile auch schon bei einem Brunnen des Wasserwerks Ottersdorf angekommen.

Auch dieses Wasserwerk muss demnächst mit Filtern ausgestattet werden. All das kostet viel Geld – und das wollen sich die Stadtwerke nun zurückholen. Olaf Kaspryk über die Chancen seiner laufenden Klage gegen den mutmaßlichen Verursacher:

Herr Kaspryk, Sie verklagen den Komposthändler Vogel auf 6,5 Millionen Euro. Wie argumentieren Sie in Ihrer Klageschrift?

Olaf Kaspryk: Wir gehen davon aus, dass der vermeintliche Verursacher mit PFC belasteten Kompost auf Felder aufgebracht hat. Das sind alles Nachweise, warum wir Filter einsetzen mussten, was es gekostet hat, welche Leitungen wir bauen mussten. Es ist wichtig zu wissen, dass die Absicherung der Wasserversorgung in Rastatt während der Außerbetriebnahme zweier Wasserwerke bis zur Inbetriebnahme vom Wasserwerk Rauental nicht gesichert war. Da wir wegen der PFC im Grundwasser das Wasserwerk Rauental 2013 außer Betrieb nehmen mussten und aus demselben Grund das Wasserwerk in Niederbühl nicht zur Verfügung stand, mussten wir eine Absicherung vornehmen, falls in Ottersdorf mal was passiert wäre. Dann mussten wir Rauental umbauen, damit dieses Werk Rastatt komplett versorgen konnte. Es waren neue Leitungen nötig. Wir haben die gesamte Wasserversorgung für Rastatt einmal auf den Kopf gestellt.

Wie schätzen Sie Ihre Erfolgsaussichten vor Gericht ein?

Wir sind ja nicht die ersten mit unserer zivilrechtlichen Klage: Die Gemeinde Hügelsheim ist früher dran gewesen. Dann gibt es noch einen weiteren Klageprozess, da wurde jetzt in letzter Instanz entschieden, dass der Komposthändler für Bodenuntersuchungen zahlen muss. Auch daraus schöpfen wir Hoffnung. Letztendlich ist es dann eine Rechtssache. Wir arbeiten unter anderem mit den Akten der strafrechtlichen Ermittlungen.

Diese Ermittlungen wurden aber eingestellt, weil dem mutmaßlichen Verursacher kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden konnte. Was passiert, falls Sie mit Ihrer Klage scheitern?

Ich möchte mir heute darüber keine Sorgen machen, es geht wirklich um viel. Unser Anwalt ist seit 2014 mit dem Thema beschäftigt und in die Tiefe eingearbeitet. Wir müssen das machen: Ich leite ein kommunales Unternehmen und wir haben diesen Schaden, deshalb bin ich zur Klage verpflichtet. Wir haben von Anfang an alle Kosten auf uns genommen und sind in Vorleistung gegangen. Aber diese Kosten habe ich auf den Wasserpreis umgesetzt, also auf die Bürger. Für unsere Wasserkunden muss man dann halt den Klageweg einschreiten. Das große Problem ist die Frage, was passiert, falls die Vogel AG insolvent geht. Ich gehe davon aus, dass sich der Rechtsstreit über mehrere Instanzen, also über mehrere Jahre, hinzieht.

Angenommen, der mutmaßliche Verursacher geht insolvent – wer könnte dann noch zahlen?

Meine persönliche Meinung ist, dass wir hier gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg eine Lösung anvisieren müssen. Das Land sieht das natürlich nicht so, weil die sagen, „ihr habt die Wasserpreise erhöht, und ihr habt sowieso günstige Wasserpreise“. Aber das ist ein flächendeckendes Problem. Wir haben hier mit PFC zu tun, die sich nicht natürlich abbauen, und die PFC gefährden durch die vorhandene Grundwasserströmung eines des größten Wasserreservoirs Europas. Und da ist die Frage, ob sich nicht auch das Land Gedanken machen müsste, um gemeinsam eine Lösung herbeizuführen. Wir sind ja nicht die einzigen: Die Baden-Badener haben ihre Preise auch erhöht, die Kuppenheimer auch… wir reden von 160.000 bis 180.000 Einwohnern, die das betrifft.

Wie ist denn die Rechtslage, wer ist für das Grundwasser zuständig?

Der Hintergrund ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie, da geht’s um Flussgebietseinheiten, denn Flüsse gehen ja über Grenzen hinweg. Wer ist für die Grundwasserressource zuständig und für deren Schutz? Da gibt es klare Maßgaben, dass die Länder sich auch um den Zustand dieser Grundwasserkörper kümmern müssen.

Das heißt, der Schutz des Grundwassers ist nicht Ihre Aufgabe als Wasserversorger?

Wir Wasserversorger haben ja nur kleine Gebietsanteile, sogenannte Wasserschutzzonen, da haben wir Rechte und Pflichten. Der Grundwasserstrom geht bei uns von einer Seite rein, jede Stunde dringen deshalb PFC in diese Gebiete ein. Sie kommen aber von außerhalb unserer Schutzzonen. Wer ist dafür verantwortlich, dass diese permanente Verunreinigung zukünftig gestoppt wird? Es gibt eine ganz klare Aussage, dass die Verantwortlichen der Flussgebietseinheiten sich in einem Maßnahmenplan für eine Verbesserung dieser vorgelagerten Gebiete einsetzen müssen und einer Verschlechterung entgegenwirken.

Kümmern sich die Gebietskörperschaften denn nicht um die PFC-Problematik?

Es gab zwei Bund-Länder-Kommissionen in Berlin und Bühl, die haben sich gefragt, ob es eine Möglichkeit der Sanierung gibt. Letztlich ist aber das Problem bei uns in Mittelbaden zu groß, um eine richtige Sanierung zu starten. In übertragenen Sinn machen wir Wasserversorger eigentlich eine Sanierung. Wir entziehen ja punktuell Wasser für das Trinkwasser und filtern es. Derzeit sind wir die einzigen, die PFC aus dem Umweltkreislauf wieder herausholen. Jetzt kann man natürlich sagen „das ist dein Problem, lieber Wasserversorger, leg die Kosten auf deine Kunden um.“ Aber wir reden hier nicht von etwas, das übermorgen wieder weg ist, oder nur in unseren zuständigen Wasserschutzgebieten auftritt. Und hier liegt genau der Unterschied zu anderen Fällen: Die nächsten Generationen sind belastet. Jedes Jahr zahlen die Rastatter Bürger momentan fast eine Million Euro. Es gilt das Verschlechterungsverbot – da ist doch das Gerechtigkeitsempfinden sehr stark gefordert.

Was fordern Sie nun?

Klar, das Land will kein Geld zahlen, das verstehe ich auch. Ich verlange ja auch gar nicht, dass das Land unsere Kosten vollständig übernimmt. Eine etwas großzügigere Unterstützung könnte ich mir allerdings durchaus vorstellen. Laut Umweltrechtler Wolfgang Köck haben sie zum Beispiel die Pflicht, alle sechs Jahre ein Maßnahmenpaket aufzustellen. Da müssen sie sagen, wie sie mit der Verunreinigung umgehen. Und ganz ehrlich, sanieren können sie nicht. Dieses Jahr wird das Maßnahmenpaket für 2021 bis 2027 aufgestellt. Da können wir uns beteiligen, und sie müssen uns anhören. Diese Verunreinigung geht schließlich nicht weg, die haben wir jetzt jahrzehntelang.

Kann man die PFC-Verunreinigung unter Kontrolle bringen?

Diese PFC-Belastungen strömen jetzt nach Norden, in etlichen Jahren kommen sie vielleicht nach Karlsruhe. In verdünnter Form, aber naja. Es wäre schön, wenn man mit dem Land reden könnte, wie wir alle mit dem Thema umgehen könnten. Wir könnten bundesweit ein Pilot sein, wie das Land und die Wasserversorger gemeinsam ein solches Problem lösen. Wir müssen uns nur an einen runden Tisch setzen. Aber uns irritiert auch: Es werden immer mehr belastete Flächen bekannt. Trotzdem wird der Boden nur auf Verdacht untersucht. Es gibt keine Rasterung, es wird nicht jedes Grundstück untersucht. Die endgültigen Ausmaße kennen wir noch gar nicht.

PFC: Das Gift in uns

Die Geschichte des größten Umweltskandals Deutschlands – mit seinen Hintergründen, gesundheitlichen Risiken, juristischen Folgen und persönlichen Schicksalen – erzählt dieses multimediale BNN-Dossier.

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